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Roamen mit den USA?

Europa scheint den Kampf um den Weltstandard für das digitale Mobiltelefon bereits gewonnen zu haben. Dennoch gibt die USA den Kampf genau so wenig auf, wie es die Europäer in der Computerei getan haben.


Zwei weiße Flecken bleiben - wenigstens nach unserem bisherigen Wissensstand - auch in der Zukunft auf der weltweiten GSM-Landkarte: die USA und Japan.
    Während sich von Norwegen bis Südafrika, von Portugal bis China und von Island bis praktisch die ganze Welt für GSM bzw. die 1.800 MHz-Abart PCS entschieden hat, bestehen die USA - und in einem geringeren Maße auch Japan - auf ihrem eigenen System.
    Während GSM und PCN längst im Betrieb sind, ist das geplante Digitale AMPS (Advanced Mobile Phone System) der USA noch nicht einmal im Probebetrieb. Dennoch hat die US-Behörde FCC alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß GSM in den USA sicher nicht zum Standard wird.
    So hat man das 900 MHz-Band, in dem sich GSM nun einmal abspielt, für FunkLANs freigegegeben und damit das Band belegt. Dann hat man für den digitalen Mobilfunk den Frequenzbereich 1,9 GHz festgeschrieben, damit auch PCS nicht zum Zug kommen kann.
    Es scheint also, als ob Roaming mit den USA für die vorhersehbare Zukunft ein Ding der Unmöglichkeit sein wird.

Die Kräfte des Marktes

Inzwischen ist etwas eingetreten, was weder das FCC, noch die US-Anbieter, die gerne ihr eigenes System vermarktet hätten, voraus gesehen haben: die Kunden wollen ihr digitales Mobilfunknetz jetzt und nicht irgendwann einmal. Die Netzanbieter mußten also reagieren - und zwar rasch. Und sie haben reagiert.
    Bisher haben bereits fünf große Lizenznehmer in den USA ihre Entschlossenheit verkündet, GSM-Technologie einzusetzen. Eine Variante namens PCS-1900, die sich im wesentlichen nur durch das benutzte Frequenzband unterscheidet, wird bei American Personal Communications, BellSouth, GO, Microcell 1-2-1 und Pacific Bell zum Einsatz kommen.
    Inzwischen steht D-APMS nach wie vor "vor der Einführung" und wird - so wenigstens die Anbieter - im Juni 1996 zur Verfügung stehen. Bis dahin könnten aber die Europäer den Markt erobert haben. Eine Situation, die nicht unähnlich dem Auftreten des PC ist. Damals haben die Europäer mit erheblichem Aufwand versucht, den Vorsprung der USA einzuholen....

Mit der Karte Roamen

Die Einführung von GSM-Technologie in den USA scheint also bevorzustehen. Eine kürzlich abgeschlossene Vereinbarung zwischen Ericsson, Motorola, Nokia und Northern Telecom zur Entwicklung einer gemeinsamen Vocoder-Software auf Basis einer Nokia-Implementation für das GSM kann das nur beschleunigen.
    Der Wermutstropfen an der Sache ist aber wohl die Tatsache, daß das US-PCS eine andere Frequenz benutzen wird, so daß nicht einmal deutsche E-Plus Kunden (E-Plus arbeitet mit einem PCS-1800) auf einfaches Roaming hoffen dürfen.
    Ein Vorteil des GSM-Systems aber könnte bald eine eingeschränkte Art des Roamens ermöglichen: das SIM. Das Subscriber Identity Module ist ja unabhängig vom Gerät. Schon heute könnte etwa die Österreichische Post mit den Betreibern von E-Plus ein Roaming-Abkommen schließen, das es österreichischen GSM-Teilnehmern ermöglicht, im Netz von E-Plus erreichbar zu sein. Sie müßten nur ein entsprechendes Gerät mieten und ihr SIM bzw. ihre SIM-Karte in dieses Gerät stecken.
    Genau so könnte man aber auch seine Karte mitnehmen und in ein in den USA gemietetes digitales Mobiltelefon stecken - vorausgesetzt natürlich, daß es ein Roaming-Abkommen gibt. Davon sind wir aber leider noch weit entfernt. Das höchste der Gefühle sind derzeit einige "Austauschprogramme", die es wechselseitig möglich machen, im jeweils anderen Netzbereich ein Mobiltelefon zu mieten und dort unter der eigenen Nummer erreichbar zu sein.
    Kommt es aber doch einmal zu Roaming-Abkommen, so wäre wenigstens der technische Teil schon ziemlich gelöst. Dann hängt es wohl vor allem von den Kunden ab, ob sich Hersteller finden, die ein Mehrfrequenz-Handy auf den Markt bringen, denn derzeit sind Fragen nach Stückzahlen ausschließlich Spekulation und daher auch nicht seriös beantwortbar.
    Daß Mehrsystem-Handys machbar und finanzierbar sind, das glauben wenigstens die Betreiber der geplanten großen Satellitentelefonsysteme wie Iridium oder GlobalStar, denn deren gesamtes System beruht ja auf terrestrischer und extraterrestrischer Kommunikation als eine Art Bündel von Möglichkeiten. Nebenbei: auch die Iridium-Macher haben sich entschlossen in ihrem System wichtige Komponenten aus GSM zu übernehmen - schließlich wollen sie ja ein funktionierendes System einsetzen, mit dem man Geld verdienen kann...

Mieten

Vorläufig bleibt dem europäischen Handy-User in den Vereinigten Staaten nur die Möglichkeit, ein Handy zu mieten und die Nummer den heimischen Partnern bekannt zu geben. Diese Methode ist zwar sicherlich primitiv und widerspricht dem Prinzip des angestrebten Universal Mobile Phone Systems, aber schließlich hat diese Methode nicht nur Nachteile: Gespräche sollten deutlich billiger sein; schließlich gibt es weder einen VPLMN- noch einen HPLMN-Markup zu bezahlen.

Franz A. Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 18. Juni 2007
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