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Ö-Call:

Aus erster Hand

Nach der Vergabe der zweiten GSM-Lizenz überstürzten sich die Meldungen in der Tagespresse über die Vorhaben der Ö-Call. Nicht alle diese Berichte waren immer ganz korrekt. Auch MOBILE TIMES-Leser haben diese Berichte gelesen und wollten wissen, wie es denn nun tatsächlich aussieht. Wir dachten uns, fragen wir doch Ö-Call direkt. Voila! Hier ist unser Interview im Originaltext.


Ö-Call, ein Konsortium bestehend aus DeTeMobil, Siemens AG Österreich, BAWAG, Kronenzeitung, Bundesländerversicherung, EA Generali und Bayrischer Landesbank hat das Rennen um die zweite österreichische GSM-Lizenz gewonnen. MOBILE TIMES führte ein ausführliches Gespräch mit Dr. Anton Wais, dem Sprecher des Konsortiums.

MOBILE TIMES: Herr Dr. Wais, natürlich freuen Sie sich über den Zuschlag, während die Konkurrenten teilweise sehr erbost sind und mit Klagen in Brüssel drohen bzw. solche Klagen bereits eingereicht haben. Wie sehen Sie die Situation vor einer Entscheidung in Brüssel? Glauben Sie, daß sich dadurch an der österreichischen Entscheidung noch etwas ändern kann?

Dr. Wais: Was bisher in Brüssel beim Direktorat IV, dem für Wettbewerbsklagen zuständigen Kommissariat, liegt, ist keine Klage - also kein "Claim", sondern nur eine Beschwerde, also ein "Complaint". Nach einer solchen Beschwerde wird das DG IV von Amts wegen aktiv.
    Eigentlich geht es auch gar nicht um die Ö-Call, sondern um Siemens, deren Beteiligung am Konsortium vom Mitbewerber Ericsson in Frage gestellt wird. Zu den bisher bekannt gewordenen Vorwürfen kann ich nur sagen, daß Siemens an der Ö-Call nur eine kleine Beteiligung von 19,8 Prozent hat und daß die Aufträge der Ö-Call selbstverständlich ausgeschrieben werden. Wir haben bis jetzt schon von acht Anbietern über deren Interesse gehört.
    Die übrigen bisher bekannt gewordenen Vorwürfe in der Beschwerde sind - nun sagen wir es journalistisch - einfach schlecht recherchiert und stimmen mit den Tatsachen nicht überein. Wir glauben, daß unsere Antworten ausreichen werden.

MOBILE TIMES: Wie sieht das mit der Post als Mitbewerber und gleichzeitig als Kunde eines der Konsortiumsmitglieder aus?

Dr. Wais: Wie schon gesagt ist Siemens nur in einer Minderheitsposition und hat nicht einmal eine Sperrminorität bei der Ö-Call. Was die angebliche Unvereinbarkeit aus Gründen des Insiderwissens betrifft, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß wir bald einer der größten Kunden - wahrscheinlich sogar der größte - der Post sein werden. An einem guten Drittel unserer Umsätze wird sie mitnaschen und sie weiß auch genau, was wir planen, denn wir müssen ja unsere Gespräche in das Postnetz überleiten.
    Wir denken sogar darüber nach, ob es Sinn macht, in Gebieten, die mit weniger GSM-Verkehr belastet sind, Basestations gemeinsam mit der Post zu betreiben.

MOBILE TIMES: Vorausgesetzt, Ihre Annahme trifft zu und die Ö-Call darf das zweite GSM-Netz errichten. Wann geht es wirklich los?

Dr. Wais: Wir werden bestimmt wie geplant am 1. Juli 1996 unser Netz in Betrieb nehmen. Dabei werden zuerst die Städte Wien, Graz und Salzburg voll versorgt werden und selbstverständlich auch die gesamte Westautobahn. Als nächster Schritt sind die Wintersportorte Österreichs vorgesehen - auch die Kärnten. Wir wollen nämlich schon im kommenden Winter dort das Geschäft mitnehmen.

MOBILE TIMES: Heißt Ihre Bemerkung, daß Ö-Call den Urlaubsorten generell eine höhere Bedeutung beimißt als die Post?

Dr. Wais: Davon können Sie ausgehen.

MOBILE TIMES: Wann wird die Öffentlichkeit erstmals deutlich merken, daß Ö-Call kommt?

Dr. Wais: Ab Mai werden wir beginnen einen Markt für uns zu generieren. Im Juni sollen die Händlerverträge abgeschlossen werden. Dann startet auch die volle Bewerbung in den Shops. Ab Ende Juni kann man dann die SIM-Karte von Ö-Call erwerben und am 1. Juli wird man erstmals damit telefonieren können.

MOBILE TIMES: Wo wird man überall telefonieren können?

Dr. Wais: Die Ö-Call verhandelt schon jetzt die Möglichkeit von Roaming-Verträgen mit 30 GSM-Betreibern im Ausland. Beim Start haben wir sicher schon einen Großteil der möglichen Verträge abgeschlossen, wobei wir auch auf die Hilfe unseres größten Eigentümers, der DeTeMobil, zurückgreifen können. Aber derzeit sind natürlich noch keine Verträge abgeschlossen.

MOBILE TIMES: Wie soll die Netzentwicklung in Österreich weiter laufen?

Dr. Wais: Nach den bereits erwähnten Startsystemen kommen alle Landeshauptstädte bis spätestens Dezember 1996 ans Netz. Wahrscheinlich ist, daß wir aber schon viel früher mit diesen Installationen fertig sind.

MOBILE TIMES: Wird Ö-Call eine bessere Netzqualität als A1 bieten?

Dr. Wais: Ein Netz, das noch nicht besteht mit dem bestehenden zu vergleichen wäre kühn. Aber ich darf darauf hinweisen, daß Ö-Call einige Vorteile bei der Netzerrichtung hat, die die Post nicht hatte. So können wir unsere Stationen für GSM optimal planen und müssen nicht auf bereits bestehende Antennen eines anderen Netzes Rücksicht nehmen. Für uns ist auch nicht das jeweilige Postamt am Ort der günstigste Standort.

MOBILE TIMES: Welche alternativen Leitungswege stehen Ihnen denn zur Verfügung?

Dr. Wais: Derzeit wird noch verhandelt. Ein Beispiel wäre aber die Bundesbahn, die wahrscheinlich über das modernste Netz in Österreich verfügt. Auch Kabel-TV-Firmen verfügen in den großen Städten über genügend moderne Übertragungskapazität, um als Partner eines GSM-Betreibers in Frage zu kommen. Die Landeselektrizitätsgesellschaften und die Verbundgesellschaft verfügen ebenfalls über große Übertragungskapazitäten, die man nutzen könnte, ebenso Stadtwerke.

MOBILE TIMES: In der Tagespresse waren bereits ausführliche Kommentare zu den Tarifen der Ö-Call zu lesen. Entsprechen diese den Tatsachen und wenn ja, was können Sie uns noch dazu sagen?

Dr. Wais: Es gibt derzeit keinen Tarif der Ö-Call, den man publizieren könnte. Die Tarifgestaltung ist ja noch im Gange und wir werden sicherlich erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir die Produkte fertig haben. Das wird nicht vor dem 1. Juni sein.

MOBILE TIMES: Einige grundsätzliche Ideen zu den Produkten wird es aber doch schon geben?

Dr. Wais: Unsere wichtigste Zielgruppe sind die privaten User. Für Viel- und Wenig-Telefonierer sind unterschiedliche Tarife geplant. Im Prinzip wird es darauf hinauslaufen, daß man zwischen höherer Grundgebühr und niedrigen Gesprächsgebühren - und umgekehrt - wählen kann. Über die Höhe der Kosten kann ich noch nichts sagen - nur, daß sie sehr attraktiv sein werden.

MOBILE TIMES: Nun - Tarife sind nicht alles ...

Dr. Wais: Deshalb haben wir uns auch schon einiges mehr einfallen lassen. Zum Beispiel denken wir sehr intensiv über die Club-Idee nach, die nicht für Firmen, sondern eben für Private gedacht ist. So könnten geschlossene Benutzergruppen - Angehörige desselben Clubs - untereinander über GSM telefonieren.

MOBILE TIMES: Firmen streben Sie nicht als Kunden an?

Dr. Wais: Corporate User werden uns ebenso willkommen sein wie Private.

MOBILE TIMES: Warum sollte jemand vom A1-Netz der Post zu Ö-Call wechseln?

Dr. Wais: Unsere Tarif werden niedriger sein als die der Post. Vor allem wird auch das Roaming mit Ö-Call günstiger als mit A1 sein. Und Roaming wird vom Start weg möglich sein.

MOBILE TIMES: Wie sehen Sie die Zukunft der Mobiltelefonie in Österreich ganz allgemein?

Dr. Wais: Bis Jahresende will Ö-Call 20.000 Teilnehmer erreichen. Bis zum Jahr 2000 werden 15 - 20 Prozent des gesamten Telekom-Umsatzes in Österreich mit Mobiltelefonie gemacht werden. Es wird über eine Million Mobiltelefonbenutzer geben und die Ö-Call wird davon mindestens 400.000 haben.

MOBILE TIMES: Wir danken für das Gespräch.

Das Gespräch mit Dr. Wais führte Ing. Franz A. Köttl.




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 25. Juni 2007
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