Mobile Times Artikel aus Mobile Times 7
Startseite : Archiv : Heft 7 : Artikel

Emergency!

Notfälle in der Luft und Notfälle am Boden: Scheinbar kein Problem für Österreichs Flugretter. Bei den Übungen klappt alles hervorragend. Und im Ernstfall? Dank der Übungen kam es in zwanzig Jahren niemals dazu.


Schlagartig entwickelt sich dichter Nebel in der Kabine des kleinen Düsenjets. Im Cockpit dreht sich der Kapitän nach hinten um. "Emergency, das ist ein Notfall, verlassen Sie die Maschine durch den Notausstieg". Ein kurzer Blickwechsel zwischen dem Flugarzt und der Intensivkrankenschwester. Dann werden innerhalb von Sekunden die Kabel, die den vor ihnen liegenden Patienten mit den medizinischen Überwachungsgeräten verbinden, gelöst. Entschlossen entriegelt der Arzt den emergency exit und steigt nach draußen auf die Tragfläche, dreht sich noch einmal um und faßt die Matratze mit dem Patienten. Gleichzeitig greift die Krankenschwester nach dem Fußende und ziehend und hebend sind alle rasch im Freien. Klick! Die Stoppuhr zeigt 34 Sekunden. "Gut", sagt der Einsatzleiter, "und jetzt nochmals".
    Wir dürfen bei einer Notfallübung der Österreichischen Ärzteflugambulanz dabei sein. Und - Training wird hier groß geschrieben. Es werden jedoch nicht nur so dramatische Situationen wie die eben miterlebte simuliert. Wesentlicher Augenmerk liegt auf der Handhabung aller medizinischen Geräte und der Transportbehelfe. Die technische Entwicklung macht Riesensprünge und natürlich muß die Ausstattung der Ambulanzflugzeuge immer auf dem letzten Stand sein. Dazu gehört eben ständiges Training.

Hinter den Kulissen

Auf dem Tisch liegt eine lebensgroße Puppe. Kabel führen zu den weiß-blauen Klebeelektroden auf der Brust. Aus dem Mund ragt ein Plastikschlauch, der mit einem Beatmungsgerät verbunden ist. Das Innenleben dieser Puppe ist high-tech. Wir sprechen vom sogenannten "Mega-Code", einer medizinischen Simulation für Wiederbelebung. Über ein Bediengerät werden laufend neue Gesundheitsstörungen und Zwischenfälle eingegeben.
    Das medizinische Team muß auf diese Situationen sofort reagieren.
    Alle ärztlichen Maßnahmen werden von den Sensoren erfaßt und der Computer wertet aus, welchen Erfolg sie bringen. Intubation, Defibrillieren, Medikamente werden verabreicht - man kommt ganz schön ins Schwitzen.
    Alle 80 Flugärzte und das Intensivpflegepersonal der Ärzteflugambulanz nehmen regelmäßig an diesen Übungen teil. Bis jeder Handgriff sitzt, bis die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert.

Simulatortraining

Ähnlich sieht es bei den OAFA-Piloten aus. Sie unterziehen sich in den USA regelmäßigen einem Flugsimulator-Training. Auf modernsten Cockpitnachbildungen wird jedes nur denkbare technische und fliegerische Problem durchgespielt. Dazu werden zuerst die exakten Leistungsdaten des Ambulanzjets eingegeben und so ein mit der Realität identes Flugverhalten erzielt. Diese Nachahmungen sind so täuschend echt, daß es schon mal vorkommen kann, daß man alles plötzlich für "wirklich" hält. Single-engine, Landungen ohne Landeklappen, Systemausfälle, alles wird hier simuliert und geübt.

Perfekte Wartung

Damit es zu diesen Schwierigkeiten aber gar nicht erst kommt, legt die Ärzteflugambulanz Wert auf perfekte Wartung, ganz gleich ob im Flugbetrieb, bei den medizinischen Geräten oder in der voll computerisierten Einsatzzentrale. Der Erfolg gibt ihr recht. Seit der Gründung im Jahr 1976 gab es nicht einen einzigen Zwischenfall im weltweiten Ambulanzflugeinsatz. Und das sind über eine dreiviertel Million (!) Flugkilometer, die pro Jahr von den Einsatzteams zurückgelegt werden.

100% Leistung

Dahinter steht nicht nur Vorsicht. Dahinter steht nicht nur Verantwortungsbewußtsein. Dahinter steht eine Firmenphilosophie, die sich zu hundertprozentiger Leistung bekennt, die unter echter Professionalität das Zusammenspiel von Mensch und Technik versteht.
    Die Ärzteflugambulanz ist ein medizinisches Unternehmen und hat sich auf die Heimholung erkrankter und verletzter Menschen aus dem Ausland spezialisiert. Da wird kein "Sammelsurium" verschiedener Service-Leistungen aus artfremden Bereichen angeboten. Hier gibt es ein klares Vorsorge-Programm für jeden Reisenden und eine professionelle Leistungserbringung.
    Vage Formulierungen sind bei der OAFA verpöhnt. Zum Beispiel steht da als Voraussetzung für einen Ambulanzflug: "stationäre Aufnahme in ein ausländisches Krankenhaus" und "Rückholung zum medizinisch ehestmöglichen Zeitpunkt". Also mir ist das klar.
    Krankenhaus im Ausland und ich werde heimgeflogen. Nicht irgendwann, sondern ehestmöglich. Da brauche ich keine "ärztliche Anordnung" (welcher Arzt soll denn das anordnen?) oder eine "medizinische Notwendigkeit" (wie wollen denn die aus Österreich beurteilen wie's mir im ausländischen Krankenhaus geht?).

Oskar Alfa Fox is airborn

Leise läutet das Telefon, dann hebt das Modem ab. Die Datenverbindung zwischen dem Computernetzwerk in der Einsatzzentrale und dem medizinischen Büro am Flughafen Wien-Schwechat steht. Über die ISDN-Leitung werden seitenweise Daten übertragen. Am Bildschirm sind EKG-Kurven und Laborwerte zu sehen. Dann kommen die Krankengeschichte, der Zeitplan und alle Ortsangaben. Das Einsatzteam liest alles aufmerksam durch und stellt die Ausrüstung zusammen. Zusätzliche Infusionen, ein Spezialkoffer und ein skuriles, funkelndes Gebilde aus Stahl; "ein Halofixateur externe" wird mir erklärt.
    "Er stabilisiert bei einem Bruch der Halswirbelsäule den Kopf und kann so eine Querschnittslähmung verhindern". Die Checklisten werden Punkt für Punkt kontrolliert. Dann meldet sich das Team einsatzbereit. Von der Einsatzzentrale kommt grünes Licht für den Start.
    Als ich mit der Crew aufs Vorfeld gehe, löst das Bodenpersonal gerade den Befüllungsschlauch vom Düsenflugzeug los, der Sauerstoffwagen rollt davon. Das erste Triebwerk dreht hoch und beruhigt sich zu einem satten, singenden Ton.
    Die Flugzeugtüre wird geschlossen und die zweite Turbine läuft an. Minuten später hebt der Lear-Jet ab und steigt steil auf in den dämmrigen Abendhimmel. Kurs 210, nach Süden. Ein Verletzter wird aus Italien zurückgeholt. Und dieser Heimflug wird ihn nichts kosten. Nein. Falsch. Er hat zu Jahresbeginn 680,- Schilling bezahlt - für eine Jahresmitgliedschaft bei der Österreichischen Ärzteflugambulanz.

GF




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 25. Juni 2007
Text © 1996 by Mobile Times; HTML © 2000-2007 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!