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Artikel aus Mobile Times 8

Telecom Variationen

Arafat will es, der König von Malaysia will es, Japan braucht es und selbst Österreich testet.
Die Rede ist von modularen Verbindungssystemen , die ohne Streckenkabel auskommen: Bündelfunk & Richtfunk erleben weltweit ein sensationelles - und natürlich digitales - Comeback.


Eine Variante, die vor allem für Firmen interessant ist, wenn auch in Österreich dafür die legistischen Voraussetzungen noch unvollständig sind, ist der Bündelfunk.

Die Idee dahinter ist eigentlich ganz einfach: Man verzichtet darauf mit dem Telephon weltweit oder landesweit erreichbar zu sein; man verzichtet darauf von anderen erreicht zu werden; man behält aber die Freiheit der Bewegung und kann innerhalb der zugelassenen Bündelfunkregion von Firmengerät zu Firmengerät kommunizieren.

Der Vorteil den man dafür erhält ist einerseits eine gewisse Flexibilität, da die Kanäle nur vom Inhaber benutzt werden und man, falls genügend Zulassungen erworben wurden, mit jedem Gerät jedes anfunken kann (wenn nicht gerade besetzt ist).

Zum anderen spart man jede Menge Geld. Denn wenn man firmenintern statt zehn GSM-Handys zehn Bündelfunkgeräte verwendet, so spart man schon bei fünf Gesprächsminuten pro Arbeitstag 20.000,- DM im Jahr, bei 15 Minuten sogar 80.000,- DM.

Da diese Zahlen auf den höheren deutschen GSM-Gebühren basieren, darf man annehmen, daß man sich bei einem Betrieb in Österreich vermutlich netto etwas weniger als die 140.000,- bis 560.000,- öS sparen würde, die sich bei einfacher Umrechnung ergeben. Nebenbemerkung: da in Österreich vergleichbare Bündelfunksysteme noch nicht existieren und daher auch keine Steuern, Gebühren etc. dafür vorhanden sind, können wir hier nur die deutschen Zahlen zum Vergleich anbieten.

Doch wenn man bedenkt in welchem Rekordtempo das österreichische Parlament in den letzten Gesetzgebungsperioden Gesetze, Verordnungen und Verfassungsbestimmungen herausgeschossen hat, sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, daß vielleicht auch für potentielle Bündelfunker etwas Brauchbares dabei ist.

Datenfunk

Als Ergänzung zu Bündelfunksystemen gibt es z. B. von Bosch ein Datenmodul mit dem Texte von 25 Zeichen (Short Data Message) oder bis zu 100 Zeichen (Extended Data Message) durchgegeben werden können, was ideal ist, um zum Beispiel Füllstände von Wasserreservoirs oder Werkstoffcontainern beziehungsweise Betriebszustandsmeldungen von Maschinen abzurufen oder Befehle zur Steuerungen von Anlagen, Ampeln oder Parkscheinautomaten durchzugeben.

Besonders die Möglichkeit der Steuerung abgelegener selbstständiger Anlagen gewinnt zusätzliche Attraktivität, wenn man weiß, daß die Stromversorgung des Gerätes (45 mA in Bereitschaft, 850 mA im Betrieb) auch über Solarzellen mit Pufferbatterie für die Nacht sichergestellt werden kann.

Richtfunk für den Hausgebrauch

Ein weiteres technisch machbares und ebenfalls schon verfügbares System stellt sich aus einzelnen Richtfunkstrecken dar. Man gibt also auch die Bewegungsfreiheit auf, da die Richtfunkantennen ja orts- und richtungsgebunden sind, gewinnt jedoch die Freiheit der Frequenzen, da die sendende Antenne mit ihrem gebündelten Strahl ja nicht einen Bereich mit Funkwellen durchdringt, sondern nur die jeweils anzusprechende Zielantenne.

Die wiederum ist durch das Frequenzenwirrwarr anderer Sender wenig beeinträchtigt, da sie ja nur auf gebündelte Richtfunksignale reagiert.

Die Frage wird aber nun zu recht gestellt, wozu man im Zeitalter der großen Mobilität wieder auf Richtfunkstrecken zurückgreifen sollte, durch die man ja an einen fixen Ort gebunden ist.

Die Antwort liegt auf der Hand: Richtfunkstrecken sind einfacher und billiger zu installieren als Kabelnetze. Wenn man bedenkt, daß die durch atmosphärische Dämpfung bedingte maximale Reichweite von Funksignalen mit zwanzig Gigahertz bei fünf Kilometern, die von Signalen mit zwei Gigahertz schon bei zwanzig Kilometern liegt, und bedenkt welche Kosten und Behördenwege die Verlegung von einigen Kilometern Kabel durch verbaute Gebieten mit sich bringt, so sieht man ganz eindeutig die Vorteile von Richtfunkstrecken.

Der einzige Nachteil dabei ist, daß bei Frequenzen über drei Gigahertz die Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger ganzzeitig gewährleistet sein muß, weswegen auch mobile Systeme wie GSM mit etwa 1,8 Gigahertz nach oben begrenzt sind.

Da aber nun die übertragbare Datenmenge von der Frequenz abhängig ist, leuchtet es ein, daß Richtfunkstrecken mit Frequenzen von zwei bis 26 GHz im Gegensatz zu mobilen Systemen auch von der Datenübertragungsrate gangbare Alternativen sogar zu Glasfasersystemen sind.

Realisierung digitaler Richtfunkstrecken

Bosch präsentierte kürzlich ein modulares System für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunksysteme (PMP), mit dem auf einfache Art sternförmige Systeme mit Übertragungsraten von 64 kbit/s bis 8 Mbit/s realisiert werden können.

Was das System für den Endnutzer, der zum Beispiel die Firmenzentrale mit mehr oder weniger permanenten Außenstellen verbinden will, so praktisch macht, ist einerseits die Möglichkeit durch einfache Umprogrammierung neue Teilnehmer zu adressieren, alte zu löschen und jeder Außenstelle eine individuelle Übertragungsrate zuzuweisen.

Das ist nötig, damit einerseits das externe Rechenzentrum nicht bei zu niedrigen Übertragungsraten einschläft, andererseits die nur für einige Monate angeschlossene Baustelle mit dem Kleinrechner nicht in einer Datenflut ersäuft, die sie gar nicht verarbeiten kann.

Ein weiterer Pluspunkt ist die wartungsfreundliche Planarantenne, bei der einzelne Strahlerelemente auf einer Streifenleiterplatte untergebracht sind. Das System ist einerseits schneller montierbar als eine herkömmliche "Schüssel", da sie sogar kleiner als eine DIN-A4-Seite ist.

Andererseits kann durch den Verbund aus Kleinelementen die Richtcharakteristik zwischen einem Strahl mit hohem Gewinn und Anordnungen, die in mehrere Sektoren geteilt sind, umgestellt werden, ohne daß ein Umbau oder Umstellen der Geräte notwendig wäre. Das Basismaterial ist dabei korrosionsbeständiges Teflon, daß die Witterungseinflüsse viel besser verträgt als jedes beschichtete oder lackierte Metall das könnte.

Das System ist jedoch nicht nur in geschlossenem Verbund einsetzbar, sondern kann auch einzelne Übertragungsknoten verbinden. An die einzelnen Antennenterminals können zum Beispiel ISDN-Verbindungen, PABX-Systeme, DECT-Systeme oder LAN-Anordnungen angeschlossen werden, so daß im Extremfall das komplette Telephon- und Telekommunikationssystem über Richtfunkstrecken darstellbar wäre, ein Idee, die schon vor Jahrzehnten ventiliert wurde, jedoch wegen der damals zu geringen Übertragungsraten nicht verwirklicht wurde. Das PMP-Richtfunk-System, das derzeit in London, Deutschland, Österreich und der Schweiz in Feldversuchen getestet wird, hat auch schon auf internationaler Ebene verschiedene Interessenten für die Realisierung größerer Netze gefunden.

Japan interessiert dabei besonders die Erdbebensicherheit des Systems, Malaysia und die Verwaltung von Ghaza einerseits die geringen Kosten, andererseits die Sicherheit, daß hier keine Kabelverbindungen vorhanden sind, die den in Malaysia häufigen tropischen Wirbelstürmen oder den im Nahen Osten leider nicht sehr seltenen Terroranschlägen zum Opfer fallen könnten.

Inzwischen gibt es Ideen, die davon ausgehen, daß man ganze Städte ohne Kabel mit einer Telekom-Infrastruktur versehen könnte. Breitbandfunksysteme können Kapazitäten liefern, die an die jeweiligen Bedürfnisse angepaßt sind (Bandwith-on-demand), sie können in Einzelzellen- oder Multizellen-Topologie errichtet werden, sind auch ATM-kompatibel möglich und sind - siehe oben - auch ziemlich sicher gegen äußere Einflüsse. Aber das ist schon wieder eine neue Story.

Schluß

Zusammenfassend stellt man fest, daß es inzwischen technisch einwandfreie Lösungen gibt, die schon früher angedachte Übertragungslösungen heute möglich machen.

Die digitalen funkgestützten Systeme zur Übertragung von Sprache und Daten bieten nicht nur niedrigere Kosten an, sondern stellen sogar noch einen Zugewinn an Komfort und Sicherheit dar.

Heute sind also Funksysteme auf dem Markt, deren Versatilität man sich noch vor fünf Jahren kaum zu träumen gewagt hatte. Wer weiß also, was uns bis zum Beginn des nächsten Jahrtausends am 1 Jänner 2001 noch alles erwartet?

Michael Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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