MOBILE TIMES Archiv Startseite : Archiv : Heft 9 : Artikel

Artikel aus Mobile Times 9

Multimedia im Weltraum

Die Internationale Luftfahrt-Ausstellung ILA in Berlin bot, neben einer Übersicht über neueste Flugzeugtypen, auch die Chance, den gegenwärtigen Stand der Entwicklung der europäischen Weltraumindustrie zu studieren, an der auch Österreich beteiligt ist.


Was Endkunden heute als Satellitenkommunikation erleben, wird bald nur mehr als der Anfang einer Entwicklung angesehen werden, die dazu führt, daß künftige digitale Kommunikations- und Fernsehsatelliten noch weit direkter mit terrestrischen Systemen konkurrieren als bisher. Wie uns Dr. Georg Serentschy von der Austrospace anläßlich der Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin erklärte, werden in den nächsten Jahren mehrere Multimedia-Satelliten-Systeme in Betrieb gehen.

Mit sehr schmalen Sendekeulen kann ein Effekt erzielt werden, der den aus der Mobiltelephonie bereits bekannten Zellenstrukturen sehr ähnlich ist. In einer ersten Phase, die in den USA bereits seit längerem läuft, braucht der Anwender nicht mehr als eine angepaßte digitale Empfangsanlage (sie auch unsere Kurzmeldung über DirecPC auf Seite 8). Dann kann er individualisierte Breitbanddienste empfangen, was speziell in manchen Bereichen des Internet durchaus von Interesse sein kann, denn das Geschwindigkeitsproblem bei der Übertragung ergibt sich für den Endanwender unweigerlich beim Download. Praktisch funktioniert das dann so, daß der User über seine normale Telefonleitung ein bestimmtes Internetangebot anfordert (Videos, große Datenmengen, hochauflösende Bilder usw.). Die Daten werden vom Server in das digitale Satellitenmultiplex eingespeist, mit einer Empfängeradresse versehen und dann über die Satellitenantenne dem Empfänger zugespielt.

In gleicher Weise können natürlich Daten von jeder anderen Quelle übermittelt werden.

Zweiweg-Kommunikation

Die zweite Phase führt die Satellitenbetreiber in direkte Konkurrenz zu bisherigen Anbietern, denn dann sollen die Endanwender selbst in der Lage sein, für Hochgeschwindigkeitsübertragungen geeignete Satellitenverbindungen zu schalten. Damit aber steht Breitbandkapazität ortsunabhängig zur Verfügung.

Der Durchbruch wird laut Hans-Hermann Fromm, Leiter der Abteilung Zukünftige Satellitendienste bei der European Space Agency (esa) durch die heute in Entwicklung befindlichen Nachrichtensatelliten, die ungleich größer und leistungsstärker sein werden als alles, was wir bisher kennen, ermöglicht.

Da jeder Nutzer nur einen sehr kleinen Teil der Satellitenleistung benötigt, werden auch die anteiligen Kosten entsprechend niedriger. Bei einem Gespräch das MOBILE TIMES bereits auf der Telecom in Genf mit Vertretern von Globalstar führte, war für die aktuellen Satelliten bereits von Minutenkosten von einem Dollar die Rede, inzwischen spricht man von Vergleichbarkeit mit ISDN-Tarifen. Fromm meinte auf eine Frage von MOBILE TIMES, daß er damit rechne, daß in Europa etwa 10 Millionen Teilnehmer erreichbar sein werden. Damit kommt man aber bereits in eine Größenordnung, die mit der aktuellen Zahl der GSM-Anwender vergleichbar ist.

Wichtigstes Problem ist derzeit die Lösung der Vermittlungsaufgaben, denn der Satellit ist dann nicht mehr eine einfache Kombination von Empfänger, Verstärker und Sender, sondern er muß in der Lage sein, die geforderten Verbindungen intern zu schalten und allenfalls auch an einen zweiten oder dritten Satelliten weiter zu geben.

Die Software für 50 derartige Satelliten, die TV, Telephon, Internet und Multimedia kostengünstig verbinden sollen, wird in Österreich entwickelt. Dabei geht es um die Kontrolle der Kommunikation der oben beschriebenen Form der Verbindung Datenanforderung via Telefon - Datenlieferung über Satellit.

Basis der Entwicklung ist angeblich (Siemens-Vertreter waren nicht anwesend) die Hicom-Software, die mit "relativ" wenig Aufwand durch die PSE weltraumtauglich gemacht werden soll.

Dabei geht es neben so spektakulären Aufgaben wie der Schaltung von Intersatellite-Links, auch um so profane Dinge, wie das Erstellen von Rechnungen für erbrachte Leistungen.

Mobilkommunikation

Für Reisende ist der Satellit als Schlüsseltechnik der Mobilkommunikation von beinahe noch größeren Interesse . Schon ab 1998 sollen Mehrsystemhandys lieferbar sein, die sowohl über bestehende irdischen Netze (speziell GSM) als auch direkt über Satelllit weltweit kommunizieren können.

Die Netze, die entstehen sollen, sind schon ziemlich bekannt:

NameInitiator
IridiumMotorola
GlobalstarLoral/Qualcomm
OdysseyTRW. Inc.
EllipsoElipsat Inc.
AriesConstellation
Inmarsat P21ICO

Auffällig dabei ist, daß fünf der Netze in den USA beheimatet sind und nur eines in Europa (Inmarsat). Immerhin hat auch Globalstar eine europäische Beteiligung.

Man hat zwar bisher diese Systeme ausschließlich als Ergänzung terrestrischer Systeme gesehen, mit der Möglichkeit sehr scharf gebündelter Spots wird aber auch eine direkte Konkurrenz möglich.

Neben der beinahe schon "klassischen" mobilen Kommunikation übers Handy gewinnen aber auch andere Bereiche immer mehr an Bedeutung. So werden immer mehr Flugzeuge mit Bordtelephonen ausgerüstet - in vielen Passagiermaschinen ist schon jede Sitzreihe damit ausgestattet - und auf hoher See kommuniziert man mobil über Satelliten wie z.B. Inmarsat.

Multimediasysteme

Die Zweiwegkommunikation, die mit der neuen Technik möglich wird, hat auch bereits eine Reihe von Konsortien auf den Plan gerufen, die diese Dienste anbieten wollen. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es die meisten dieser Gruppen in den USA. Laut Fromm liegen dort bereits 15 Anmeldungen für Frequenzen vor. Doch diesmal scheint Europa nicht zu schlafen: es gibt zwar nur vier Gruppen, die aber weit umfangreichere Systeme mit mehr Satelliten planen.

Geplante Multimedia Satellitensysteme: USA
BetreiberSatelliten
GALAXY / SPACEWAY***** ***** *****
VOICESTREAM***** ***** **
ASTROLINK***** ****
GExSTAR***** ****
ORION***** *
MORNINGSTAR****
CYBERSTAR***
PANAMSAT**
Geplante Multimedia Satellitensysteme: Europa
BetreiberSatelliten
LUXSAT***** ***** ***** *****
EUTELSAT***** ***** ***** *****
EUROSKYWAY***** *
HISPANSAT*
Quelle: esa (6. Mai 1996)

Das kommt aber wieder der Entwicklung von Serienprodukten entgegen, denn wie Dr. Serentschy feststellte, wird die Satellitenproduktion bald von der Einzelfertigung auf die Serienproduktion umgestellt werden. Mit dem Effekt, daß dann der Preis pro Satellit deutlich absinkt, was sich früher oder später auch auf den Endkundenpreis auswirkt.

Austrospace

Die österreichische Komponente in der Weltraumfahrt ist zwar nicht sehr groß, doch sollte man sie auch nicht unterschätzen. Es werden schließlich neben der Software auch eine Reihe von Hardwarekomponenten hergestellt bzw. mitentwickelt wie z.B. die Abdeckungen der Raketenspitze der Ariane 5 unter denen sich die auszusetzenden Satelliten während des Starts verbergen.

Das Know-how, das bei solchen Entwicklungen gewonnen wird, ist oft von unschätzbarem Wert. Wer hätte bei der Entwicklung von Teflon daran gedacht, daß dieses Material wenige Jahre später in jedem Haushalt zu finden sein wird?

Weil man aber vorher natürlich nicht weiß, welche der neu entwickelten Komponenten und Materialien später ein Geschäft werden, braucht man vorher staatliche Unterstützung. In Österreich ist das entsprechend Budget derzeit stabil, so daß die Raumfahrtindustrie keine übertriebenen Existenzängste haben muß, doch ist es - wie in den meisten europäischen Ländern - zu klein, um wirklich große Sprünge machen zu können.

Das zeigt sich auch bei der künftigen internationalen Raumstation, wo die europäische Komponente die kleinste sein wird. Russen, Amerikaner und Japaner haben alle deutlich größere Stationsbestandteile, was mögliche kommerzielle Anwendungen sicherlich erleichtern wird und für Europa einen technologischen Nachteil bedeutet.

Franz A. Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
Text © 1996 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!