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Artikel aus Mobile Times 10
Vor kurzer Zeit schien es noch so, als ob dem D-Netz das Aus drohte. Inzwischen ist klar, daß dieses Netz, das auf der durchaus modernen ETACS-Technologie aufbaut, noch gute zehn Jahre im Betrieb bleiben wird. Das entspricht ähnlichen Plänen in den meisten anderen europäischen Ländern. Grund genug für MOBILE TIMES, sich wieder einmal ausführlicher mit dem D-Netz zu beschäftigen.
Als das D-Netz in Österreich in Betrieb ging, da staunten auch wohlhabende Urlauber aus Deutschland sehr: die Österreicher - damals nannten uns unsere nordwestlichen Nachbarn noch nicht Ösis - hatten doch tatsächlich Telephone, die man in die Tasche stecken konnte, während beim großen Nachbarn noch ein Autotelephon oder ein Köfferchen als Non-plus-ulta galt.
Nun, die Zeiten haben sich geändert. Damals war Österreich noch unter den Großmächten der Mobilkommunikation. Es gab Jahre, da gab es in Österreich in absoluten Zahlen mehr Mobiltelephone als im damaligen Deutschland-West und "schuld" war das D-Netz, die letzte und wahrscheinlich höchste Entwicklung des analogen Telephonierens über Funk.
Die technischen Feinheiten des ETACS-Standards, nach dem das D-Netz aufgebaut ist, werden wir ein anderes Mal beschreiben. Für diesmal nur so viel: ETACS, das Extended Total Access System hatte bereits viele der aus dem GSM wohlbekannten Fähigkeiten, die aber von den Netzbetreibern meist nicht implementiert wurden. So ist etwa internationales Roaming ebenso vorgesehen wie ein Authentifizierungsprozeß, der die Verwendung gestohlener Handys ziemlich unmöglich machen würde.
Die Entwicklung wurde durch das digitale GSM offensichtlich überholt, denn vieles was ein Vorteil des D-Netzes sein könnte, wurde als Nachteil empfunden. Das beginnt etwa damit, daß im D-Netz durchaus Störungen wie Rauschen, Krachen und ähnliches vorkommen können, was im digitalen Netz schon auf Grund der Technik nicht möglich ist. Daß diese schlechten Verbindungen aber eigentlich ein Vorteil des D-Netzes sind, ist nicht unmittelbar einsichtig.
Denn tatsächlich ist es so, daß ein D-Handy auch dann noch funktioniert, wenn es irgend eine Verbindung mit der Funkstation aufrecht erhalten kann, das GSM würde in einem solchen Fall einfach streiken: es geht sehr gut oder es geht gar nicht. Das zeigt sich auch beim Telephonieren in Gebäuden, wo D-Handys oft auch dann noch eine Verbindung zustande bringen, wo GSM-Handys längst streiken.
Kein Wunder, daß viele Anwender, denen an der Erreichbarkeit mehr liegt als an digitaler Tonqualität, lieber auf das "unsichere" D-Netz setzen.
Unsicher ist das D-Netz insoferne, als es nicht abhörsicher ist. Fast alle berühmten Geschichten über Scanner und abgehörte Politiker stammen aus dem D-Netz-Bereich. Aber seien wir doch ehrlich: wie wichtig sind unsere Gespräche tatsächlich für Dritte? Wenn wir über das analoge Mobiltelephon unsere Geheimnisse verbreiten, die besser solche geblieben wären, sind wir wohl selbst schuld. Und so viele Leute mit Scannern laufen ja auch nicht herum.
Einer der größten Vorteile des D-Netzes liegt natürlich in seiner Flächendeckung. Es ist eindeutig, daß in viel mehr Gegenden Österreichs mit dem D-Handy telefoniert werden kann als mit einem GSM. Daß die mobilkom heuer noch rund 250 Millionen Schilling in das D-Netz investiert, gibt nicht nur die Sicherheit für einen längeren Bestand des Netzes, sondern sorgt auch dafür, daß die letzten Löcher im analogen Netz gestopft werden.
Die Auswahl an Handys für das D-Netz ist hierzulande leider nicht all zu groß. Zur Zurückhaltung des Handels haben wohl auch mißverständliche (oder mißverstandene) Äußerungen des Postgenerals beigetragen, denn europaweit ist das Angebot an Handys für den ETACS-Standard sehr beeindruckend. Aber immerhin, wir haben für Sie eine Liste von elf topaktuellen D-Netz-Handys zusammengetragen, die keinen Vergleich mit ihren GSM-Geschwistern scheuen brauchen.
Es finden sich sogar einige überraschende Anbieter darunter, denn neben den aus dem GSM-Markt bekannten Marken Bosch, Ericsson, Motorola und Nokia sowie Samsung tritt Olivetti mit einem D-Netz-Handy auf und auch die Freunde spezieller Schweizer Uhren namens Swatch können jetzt das passende Handy zu ihrer Uhr erwerben: für das D-Netz!
Welche Eigenschaften die einzelnen Handys haben, steht in der Übersichtstabelle auf der nächsten Seite. An Ideen mangelt es den Anbietern jedenfalls nicht. So gibt es bei Motorola ein Handy mit eingebautem Anrufbeantworter, der die Mobilbox der mobilkom unnötig machen kann, weil man sich die Telephongebühren zum Abfragen der Box sparen kann. Ericsson wieder hat ein D-Handy im Programm, das auf Zuruf reagiert und bei Nokia ist man wieder auf das "Easy Dialling" stolz, der Wählen ohne Nummern ermöglicht - wenn man vorher die richtigen Nummern zusammen mit den passenden Namen gespeichert hat.
Das Zubehörangebot für das D-Netz ist mehr als reichlich. Im Prinzip bekommt man die gleichen Angebote wie für das GSM. Das reicht von einfachen Autohalterungen bis zu kompletten Freisprecheinrichtungen. Selbstverständlich gibt es ein umfangreiches Angebot an Akkus, Ladegeräten und diversen Adaptern.
Wer nicht nur Telephonieren will, bekommt für das D-Handy auch die Möglichkeit des Anschlusses an sein Notebook über eine seine PCMCIA-Karte, doch ist die Datenübertragung im D-Netz nicht besonders schnell und meist auf 2.400 Bd beschränkt.
Gravierendster Nachteil für den mobilen Menschen von heute ist wahrscheinlich die Tatsache, daß man mit dem D-Handy nicht Roamen kann. Dieser Nachteil wird aber für viele Anwender nach wie vor durch die bessere Erreichbarkeit im Inland aufgewogen.
Für Auslandsreisen, auf denen man unbedingt erreichbar bleiben muß, empfiehlt es sich, allenfalls bei einem Handyverleih ein GSM zu borgen und für eine Rufumleitung zu sorgen, mit der man erreichbar bleibt. Die dauernde Erreichbarkeit im Ausland (dazu gibt es Studien) ist allerdings im Durchschnitt nur für etwa sechs Prozent der Handy-User wirklich notwendig. Und wer will schon im Urlaub dauernd vom Chef angerufen werden?
Für das D-Netz spricht eindeutig die derzeit noch deutlich bessere Versorgung sowie die Chance auch dann eine Verbindung zu bekommen, wenn man sich nicht im unmittelbaren Bereich eines Senders des Netzes aufhält.
Auch im Kostenvergleich steht das D-Netz gut da: Die D-Netz-Tarife sind jetzt günstiger als die vergleichbaren im GSM-Netz der mobilkom (siehe auch den Bericht ab Seite 23) und die berüchtigte Passiv-Gebühr ist ebenfalls weggefallen. Dazu sind die Handys für das D-Netz auch billiger als die für die GSM-Netze.
Gegen das D-Netz spricht seine Beschränkung auf das eigene Land und die eher mickrige Möglichkeit zur Datenübertragung.
Es spricht also derzeit noch viel für das D-Netz und eigentlich sehr wenig dagegen.
MT
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1996 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |