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Artikel aus Mobile Times 10
GPS, das "Global Positioning System", ist, seit es von den Amerikanern teilweise zur zivilen Nutzung freigegeben wurde, ein echter Renner bei zahlreichen Anwendungen geworden. Angefangen hatte es mit der Ortsbestimmung auf hoher See, später kamen dann einerseits geologische Systeme, die auf einen Millimeter genau arbeiten, andererseits Verkehrsleitsysteme für Automobile, die keine stationären Umbauten verlangen.
Die für zivile Dienste freigegebenen Frequenzen stellen Genauigkeiten von 100 m zur Verfügung. Viel zu ungenau für Straßenverkehr oder geologische Feldarbeit. Dennoch geht GPS in die Luft. Wie soll das funktionieren?
Die geforderte Genauigkeit verhält sich zu den freigegebenen GPS-Frequenzen so, als ob man mit einem Schullineal Mikrometermessungen machen sollte. Mit nur einer Messung ist dies hoffnungslos. Doch wenn man viele gleichartige Messungen durchführt, bekommt man eine Verteilung der Meßwerte um ein Maximum. Geräte, die man Differential-GPS nennt, da sie ihre Berechnungen mit den Unterschieden vieler Messungen vornehmen, sind bei Prospektoren heute fast schon Standardausrüstung. Doch auch wenn Computer sehr schnell viele Messungen durchführen können, so ist die Anzahl an Vergleichen, die man benötigt, um vom 100 m auf 1 mm zu kommen doch zu groß, als daß man sie beim Autofahren sinnvoll verwenden könnte. Denn das Auto bewegt sich ja.
Daher muß bei Verkehrsleitsystemen ein anderer Weg gegangen werden. Hier ergänzt man die GPS-Daten mit Messungen an den Rädern, so daß Gesamtstrecke und Kurven bestimmt werden können.
Was aber soll man bei Flugzeugen machen, die ja erst recht viel zu schnell sind, für eine Überlagerung vieler Messungen benötigen und bei denen auch keine Fahrwerksmessungen möglich sind? Strömungsmesser scheiden aus, weil sie nur die Geschwindigkeit relativ zur umgebenden Luft messen - benötigt wird aber die Geschwindigkeit relativ zum Boden.
Versetzen wir uns zurück in die Zeit des Kalten Krieges. Beide Großmächte spielten ein Spiel mit hohem Einsatz, zu dem auch das Verstecken von U-Booten gehörte. Beide Seiten hatten das Problem, daß diese Schiffe nach den langen Fahrten unter Wasser, während derer keine Ortsbestimmung mittels Sextant vorgenommen werden konnte, die Orientierung verloren. Die Amerikaner lösten dieses Problem mit GPS. Dadurch konnte jedes U-Boot, indem es nur kurz eine Antenne aus dem Wasser streckte, seine Position exakt feststellen.
Die Genossen der Roten Armee aber waren dem Westen technisch um nichts hinten nach. Nur die Wirtschaft konnte den Fortschritt nicht finanzieren, daher brach das System, nach dem Verbrauch der Reserven auch zusammen.
So gab es in Leningrad das Institut für Radionavigation und Zeit (RIRT), das sich mit diesem Problem beschäftigte, und für die Errichtung des Satellitennetzes GLONASS verantwortlich war.
Dieses System kann genauso viel wie GPS, und dank ihm wurden Atom-U-Boote wie die (fiktive) "Krásnij Oktjobrj", eine reale Bedrohung für die USA. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wurde auch dieses Netz teilweise für zivile Nutzung freigegeben, nur konnten wir im Westen es bisher nicht nutzen, da die entsprechenden Geräte fehlten.
Von der DASA-Tochter "Navigations- und Flugführungssysteme" (NFS) wurde jetzt ein Gerät vorgestellt, das die Frequenzen von GLONASS nutzen kann. Der 18-Kanal-Empfänger ASN 22, der von NFS zusammen mit dem RIRT, St. Petersburg, entwickelt wurde, verarbeitet sowohl GPS- als auch GLONASS-Signale und erreicht damit eine deutlich höhere Genauigkeit und Integrität als normale GPS-Empfänger.
Der Sprung in der Leistungsfähigkeit ist groß genug, damit das neue System auch auf schnell bewegten Objekten, wie Flugzeugen zum Einsatz kommen kann. Eine große Veränderung in der Navigationstechnologie zeichnet sich ab. Der Vorteil solch eines Systems liegt besonders dann auf der Hand, wenn man bedenkt, daß Trägheitsnavigationssysteme auf jedem Flughafen nachjustiert werden müssen, was einiges an Zeit kostet. Was passiert, wenn man das Nachjustieren aus Eile ausläßt, sah man am 31. August 1983, als eine südkoreanische Verkehrsmaschine über dem japanischen Meer von sowjetischen Kampfflugzeugen abgeschossen wurde.
Das ASN 22 ist zwar genau genug für den Flug, aber noch nicht ausreichend präzise für den Landeanflug. Hier muß die Bodenkontrolle mit einem Differential-GPS hilfreich zur Seite stehen, auf daß die systembedingten Ungenauigkeiten der Satellitennavigation korrigiert werden. Bei einem derzeit auf dem Münchner Flughafen laufenden Feldversuch wird als Bodenstation dafür die D 920 von NFS verwendet, die sich gegenwärtig im Musterzulassungsverfahren der Federal Aviation Association (FAA) befindet. Das ASN 22 befindet sich bei dem Münchner Feldversuch an Bord einer Boeing 757 der British Airways und eines Airbus A321 der Deutschen Lufthansa.
Das auch für den Endkonsumenten, also den Flugpassagier Bemerkbare an dem neuen Satellitennavigationssystem ist, daß die Abwicklung schneller und sicherer wird. Denn mit neuartigen computerunterstützten Arbeitsplätzen, die die Daten der Satellitennavigation direkt verarbeiten, findet sich im Kontrollturm kein übermüdeter Fluglotse, sondern einer, der sich auf Systeme zur frühzeitigen Konflikterkennung und automatischen Weitergabe der Maschinen an den nächsten Kontrollbereich verlassen kann.
Doch die DASA entwickelt nicht nur Systeme für den zivilen Großverkehrsbereich, sondern auch für den kritischen Einsatz kleiner Maschinen, wie sie zum Beispiel bei Polizei, Rettungsdiensten oder auch militärischen Diensten von Nöten ist. Gewünscht ist hier ein System, das dem Piloten die Route zum Einsatzort und aufgabenrelevante Daten mitteilt, sowie Datenkommunikation mit anderen Land- und Luftfahrzeugen wie auch der Operationsbasis zuläßt.
Die Lösung ist die Kartenanzeige DKG 3 von Dornier: Auf zwei PCMCIA-Karten werden Landkarten und vorgeplante Fluginformation gespeichert. Das Kartenmaterial kann dabei ein Gebiet in der Größe Deutschlands im Maßstab 1:200.000 umfassen. Das Trackball-bediente Display kann zusätzlich zur eigentlichen Karte, die immer in Flugrichtung gedreht wird, die Position des Flugkörpers, die Zielroute und andere auftragsbezogene Daten anzeigen. Die aktuelle Position bezieht das System dabei entweder aus einem bordeigenen Navigationssystem oder aus einer GPS-Anlage.
Zudem ermöglicht das System die Übertragung von Textdateien und Landkartenergänzungen, so daß die Einsatzkräfte auch im Verlaufe der Mission zusätzliche oder nachträgliche Informationen bekommen können. So kann man sich zum Beispiel vorstellen, daß ein Rettungshubschrauber erst auf dem Weg zum Unfallsort die Daten überspielt bekommt, und so wertvolle Zeit spart. Auch die Möglichkeit andere Einsatzkräfte, die mit diesem System ausgerüstet sind, aktuell auf dem Display darzustellen, ist nicht nur bei militärischen Einsätzen von Nutzen. Auch bei Polizeieinsätzen, bei denen ein Fangnetz koordiniert werden muß, oder bei großräumigen Feuerwehr- oder Rettungseinsätzen ist dies ein wertvoller Beitrag zur Abstimmung der einzelnen Einsatzgruppen.
Die Anwendung von GPS dringt nun auch in den Bereich schneller mobiler Anwendungen vor. Ob Sie nun in der Form kürzerer Wartezeiten auf dem Flughafen, oder - falls es doch einmal notwendig sein sollte - durch einen rascheren Rettungseinsatz von diesen Neuerungen profitieren - man kann jedenfalls auf die Feldversuche und die dann wohl bald folgenden Musterzulassungen gespannt sein.
Michael Köttl
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1996 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |