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Artikel aus Mobile Times 11

Messungen in GSM-Netzen

Meßtechnik an der GSM-Schnittstelle Abis

Die rasante weltweite Einführung des neuen digitalen Mobilfunksystems nach GSM (Global System for Mobile Communication) hat zu den höchsten Teilnehmer-Zuwachsraten in der Telekommunikationslandschaft geführt. Am Beispiel der Schnittstelle Abis werden einige der Methoden und der erforderlichen Meßtechniken in diesem Grundlagenartikel verdeutlicht.


Das GSM-System verwendet einige der komplexesten Signalisierungs- und Signalverarbeitungsmethoden. Allein im Bereich der Signalisierung sorgen ca. 350 Parameter im Layer 3 für einen komfortablen mit vielen Zusatzdiensten ausgestatteten Betrieb.

Netzaufbau und Komponenten

Im GSM-Netz wird sowohl die Signalisierungsinformation als auch die Nutzinformation, die aus Sprache oder Daten bestehen kann, digital übertragen. Dazu erfolgt die Anbindung an die traditionellen öffentlichen Festnetze über ein Gateway mittels Nutzkanälen mit einer Bitrate von 64 kbit/s. Das MSC (Mobile Switching Centre) vermittelt diese zum Basisstationssystem (Base Station System: BSS), mit dem es über die A-Schnittstelle verbunden ist.

Das BSS besteht aus den Basisstationen (Base Transceiver Station: BTS) und der zugehörigen Steuereinheit (Base Station Controler: BSC). Diese sind über die Abis-Schnittstelle verbunden. Die A- und Abis-Schnittstellen sind gemäß G.703 und G.704 in 2 Mbit/s PCM-Technik ausgeführt. Erst von der BTS wird das Nutzsignal im Funkkanal über die Um-Schnittstelle im TDMA-Verfahren zum mobilen Endgerät (Mobile Station MS) übertragen. Die im Funkbereich verwendeten Frequenzen liegen bei 900 MHz. Das jetzt ebenfalls in der Phase der Einführung stehende System DCS 1800 arbeitet wie das GSM-System jedoch mit Funkfrequenzen um 1800 MHz.

Die Anpassung der Bitrate von 64 kbit/s auf 16 kbit/s und umgekehrt erfolgt in der TCE (Transcoder Equipment). Um die erzielte Datenkompression auch für eine Verringerung der benötigten Übertragungskapazität auf den Leitungen zwischen BSC und MSC einzusetzen, werden die Transcoder oft als abgesetzte Einheit ausgeführt und am Ort der MSC angeordnet. Eine übliche Anordnung mit allen gängigen Zeitschlitz-Anordnungen zeigt Bild 1.

Nachdem ein Funkbereich mit den erforderlichen Komponenten in Betrieb genommen wurde, ist es ein selbstverständliches Anliegen des Netzbetreibers diese Komponenten auch in sein Netzwerk-Managementsystem OMC (Organisation and Maintenance Centre) einzubinden. Da MSC und BSC meist in den Gebäuden der Betreiber aufgestellt sind bietet sich hier ein Anschluß mit vorhandenen inhouse X.25 Verbindungen an.

Ein solcher Anschluß an die im ganzen Land verteilten BTS-Komponenten wäre jedoch völlig unwirtschaftlich. Daher werden in der 2-Mbit/s-Verbindung Zeitschlitze für eine besondere Art der herstellerspezifischen Signalisierung reserviert: die O&M-Kanäle (Operation and Maintenance). Mittels besonderer Nachrichten-Subsets lassen sich so die Transceiver (TRX) der BTS steuern und abfragen, ja komplett neue Software einspielen ohne einen Techniker vor Ort zu schicken.

Verwendung der Zeitschlitze im 2-Mbit/s-Rahmen

Jeder 2-Mbit/s-PCM Rahmen an der Abis-Schnittstelle besteht aus 32 (nummeriert von 0 bis 31) Zeitschlitzen zu je 64kbit/s. Zeitschlitz 0 wird für Synchronisierungszwecke (frame alignment signal/non frame alignment signal, FAS/NFAS) verwendet. Alle anderen Zeitschlitze werden herstellerspezifisch für Signalisierungs- (signaling und O&M), Nutzkanal- (traffic channel, TCH) oder Ruhesignalübertragungen verwendet. Signalisierungs- und Nutzkanäle können je nach Hersteller eine Bitrate von 16 oder 64 kbit/s aufweisen.

Bei Meßarbeiten an der Abis-Schnittstelle gilt es daher nach Feststellen und Beheben möglicher PCM-Alarme zunächst eine Übersicht der Belegung und der Verwendung der Zeitschlitze zu gewinnen. Eine solche Übersicht ist im Bild 2, wie es der MA-10 Mobilfunk-Analysator mittels verschiedener Symbole mit seiner SCANNER-Function liefert, dargestellt. Für den Fall von Teilabschaltungen einzelner BTS-Komponenten kann schnell erkannt werden, ob noch Gespräche geführt werden.

Messungen im Betrieb

Alarmüberwachung

Grundsätzlich sollte während allen Messungen am GSM-System eine Überwachung des 2-Mbit/s-Signals erfolgen. Nur so lassen sich Fehler auf höheren Ebenen gegebenenfalls auf Probleme mit der 2-Mbit/s-Strecke zurückführen. Eine solche Überwachung umfaßt Signalausfall, AIS (Alarm Indication Signal), Synchronisationsverlust, Alarm am fernen Ende und CRC-Alarme (Cyclic Redundancy Check). Das Auftreten eines solchen Alarmes sollte grundsätzlich mit Zeitstempel mitprotokolliert werden.

Bitfehlermessung am Rahmenkennungswort

Durch Bitfehlermessungen an den bekannten 7 Bits des Rahmenkennungswortes (FAS) kann eine Aussage über die Bitfehlerhäufigkeit des gemessenen Streckenabschnitts (Meßpunkt bis Sender des 2-Mbit/s-Rahmens) gemacht werden. Kanalbezogene Probleme können so nicht erkannt werden. Bei statistisch gleichverteilten Bitfehlern ist ein Rückschluß auf die Qualität der Gesamtstrecke möglich. Wird auf dem betrachteten Streckenabschnitt das CRC-Verfahren angewendet, so kann auch damit eine Aussage über die Qualität getroffen werden. Im Gegensatz zur FAS-Bitfehlermessung wird hier zwar das Signal lückenlos überwacht, aber innerhalb eines Abschnitts von 1024 Bits kann nicht zwischen Ein- und Mehrfachfehlern unterschieden werden.

Bitfehlermessung im 64-kbit/s-Kanal

Zwar besteht in der Regel im Betrieb keine Möglichkeit in einen freien Kanal ein Testsignal einzuspeisen, doch sind oft einzelne 64-kbit/s-Zeitschlitze im 2-Mbit/s-Rahmen keinem Träger zugeordnet und somit unbenutzt. Diese sind mit einem festen 8-Bit-Wort belegt, das zu einer Bitfehlermessung herangezogen werden kann.

Im Gegensatz zum FAS/NFAS wird dieses Wort auf der gesamten Strecke transparent übertragen und ist somit geeignet, Bitfehler zwischen zwei GSM-Komponenten nachzuweisen.

Messungen an den 16-kbit/s-Nutzkanälen

Zwischen BTS und TCE werden die Nutzsignale in 16-kbit/s-Kanälen (Traffic Channel, TCH) übertragen. Dazu wird der TRAU-Rahmen (Transcoder/Rate Adaptor Unit) benutzt, der neben den Daten auch noch Bits für Steuerung und Synchronisation enthält. Im laufenden Betrieb können Messungen an den bekannten Bits wichtige Aussagen über Qualität der Funkverbindung, des betrachteten Nutzkanals und die Verwendung von Discontinuous Transmission (DTX) machen.

Bitfehlermessung an den Synchronisationsbits

Alle 4 Typen von TRAU-Rahmen (Sprache, Daten O&M, Idle) besitzen ein identisches Muster von 35 Bits, die zur Synchronisation des Empfängers auf den TRAU-Rahmen benutzt werden. Dieses Muster kann nun, an einer aufgebauten Verbindung, benutzt werden, um eine Bitfehlermessung durchzuführen.

Bitfehlermessung an den Datenbits

Die 260 Datenbits pro TRAU-Rahmen sind in die Klassen 1a, 1b und 2 eingeteilt. Die Klasse 1a wurde im Kanaldecodierer der BTS einer Fehlerkorrektur unterzogen und ist damit für die Bitfehlermessung uninteressant. Für die Klasse 1b besteht lediglich ein Fehlererkennungsverfahren und die Klasse 2 wird transparent übertragen. Daher eignen sich die Bits dieser Klassen für eine Bitfehlermessung.

Eine Bitfehlermessung dieser Datenbits in Uplink kann zwar im laufenden Betrieb an der Abis-Schnittstelle durchgeführt werden, setzt allerdings ein bekanntes Datenmuster voraus. Dies kann z.B. mit einer speziellen Testmobilstation an der Um-Schnittstelle gesendet werden. Damit lassen sich dann Störungen durch die BTS nachweisen. In Downlink ist diese Messung wenig sinnvoll, da sich kein Datenmuster transparent über den Transcoder übertragen läßt und somit kein Einfügepunkt im laufenden Betrieb existiert.

Bestimmung der FER

Sollte die erwähnte Fehlerkorrektur der Klasse-1a-Bits nicht möglich sein, zeigt der Kanaldecodierer dies in Uplink über das C12-Bit an. Damit wird das in diesem TRAU-Rahmen übertragene Sprachsegment vom Sprachdecoder im Transcoder verworfen. Ferner läßt sich mit diesem Bit die Häufigkeit fehlerhafter Sprachrahmen (Frame Erasure Ratio, FER) bestimmen.

Die Messung des FER läßt sich an jedem aufgebauten Sprachkanal in Uplink durchführen. Ein hoher Wert hier ist ein Indiz für Übertragungsprobleme auf dem Funkweg.

Alle vorgenannten Fehlermessungen an den verschiedenen Rahmen sind im Bild 3 dargestellt. Der MA-10 kann diese Fehler aufzeichnen und zur weiteren Bearbeitung die Ergebnisse bekannten Tabellenkalkulationsprogrammen unter MS-Windows zuführen.

Akustische Kontrolle des Sprachsignals

Da die Verschlüsselung im GSM-System nur auf dem Funkweg benutzt wird, kann ein zu Testzwecken aufgebauter Sprachkanal in seiner Qualität an der Abis-Schnittstelle akustisch beurteilt werden.

Dazu wird ein GSM-Decoder für die 16-kbit/s-Kanäle verwendet. Dies ist oft eine schnelle und einfache Möglichkeit zu überprüfen, ob eine Verbindung korrekt aufgebaut wurde und ob die Kanalzuordnung im PCM-Rahmen stimmt.

Signalisierung

Alle vorhergehend beschriebenen Messungen werden der Schicht 1 (Physical Layer) des OSI-Schichten-Modells zugeschrieben. Messungen an den Signalisierungskanälen der Abis-Schnittstelle müssen den Gegebenheiten der Schicht 2 (Data Link Protocol GSM Rec. 08.56) und der Schicht 3 (Network Protocol GSM Rec. 08.58 und 04.08 bzw. einer herstellerspezifischen Zusatzmenge für O&M Kanäle) entsprechen.

Dabei können Nachrichten einer Schicht erst übertragen werden, wenn die Schicht darunter funktioniert.

Das Protokoll der Schicht 2 entspricht dem LAP-D Verfahren (Link Acess Protocol for Digital Communication). Diese Schicht benutzt unter anderem nummerierte oder unnummerierte Informationsrahmen, welche die Nachrichtentypen und Nachrichteninhalte der Schicht 3 beinhalten. Nur diese Informationen dienen der Steuerung der GSM-Netzkomponenten.

Das liest sich im Original so:

"Layer 3 is divided into three sublayers, with each layer requiring the existence of a connection at the underlying layer. The topmost sublayer (Connection Management, CM) performs the actual call control between the two subscribers. The MM (Mobility Management) sublayer is responsible for security aspects and management of the MS and subscriber (e.g. authentication). Both the CM sublayer and the MM sublayer are end-to-end connections between the MS and MSC, meaning they are transparent at the Abis interface for both the BTS and BSC.

Both sublayers require the Radio Resource (RR) sublayer to perform their functions. The RR sublayer is formed between the MS and BSC with the BTS management between the BTS and BSC and is continued by the BSSAP (Base Station System Application Part) sublayer between the BSC and MSC.

The job of the RR sublayer is to provide the necessary RF resources and allocate speech channels, giving it special importance. In the particular case of a handover, the resources must be switched over without an interruption in the higher sublayers."

Signalisierungsprozesse können unabhängig vom Vorhandensein eines Gespräches vorliegen.

Einige der wichtigsten Prozesse sind:

Am Beispiel des Weiterreichens werden im nächsten Heft Teile der notwendigen Signalisierung aufgezeigt.

Fortsetzung und Schluß in Heft 12. (>>).

Herbert Nowotny

Herbert Nowotny ist Product Manager bei Wandel & Goltermann, Österreich




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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