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Artikel aus Mobile Times 11

Wählamt Weltraum

Im Rahmen der ESA haben Belgien, Großbritannien, Norwegen, Österreich, Spanien und die Schweiz unter dem Projektnamen "Mercure" der UNO-Unterorganisation UNEP (United Nations Environment Program) eine weltweite Kommunikationsplattform zur Verfügung gestellt. Der österreichische Anteil war die Entwicklung der Benutzerschnittstelle und die Integration des Netzwerkes.


Die Grundidee ist der schnelle Austausch von wissenschaftlichen und administrativen Daten und Informationen zwischen den beteiligten Stellen. Preisgünstig mußte die Sache außerdem werden, denn der Betrieb darf nicht viel kosten.

Die Lösung wurde in einer Art Satelliten-gestützem Wählsystem gefunden. Im Endausbau soll das System über rund 200 Stützpunkte von UNEP und anderer beteiligter Organisationen verbinden. An Übertragungsdiensten sind Fax, E-mail, FTP und Videokonferenz vorgesehen. Reiner Telephonbetrieb ist technisch zwar möglich, in der gegenwärtigen Phase aber nicht realisiert.

Das Netz besteht aus sogenannten A-Stationen und einer wachsenden Zahl von B-Stationen, die unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation haben. Die einzelnen Stationen sind in zwei voneinander unabhängigen DAMA-Netzwerken A und B zusammengeschaltet. DAMA steht für Demand Assignment Multiple Access.

A-Stationen

A-Stationen (im Bild oben als graue Sendetürme gezeichnet) besitzen eine Antenne von 7,2 Meter Durchmesser und sind sowohl an das A- als auch an das B-Netz angeschlossen. Die A-Stationen schalten die Verbindungen zwischen zwei B-Stationen.

Zwei der A-Stationen haben eine besondere Aufgabe, denn sie sichern die Verbindung zwischen der östlichen und der westlichen Hemisphäre: nur die Stationen in Leuk, Niederlande und in Nairobi, Kenia können mit beiden Satelliten (einer über dem Atlantik und einer über dem Indischen Ozean) kommunizieren. Leuk hat außerdem eine Standleitung nach Genf ins Hauptquartier der UNEP.

B-Stationen

Dieser Stationstyp hat eine Antenne mit 2,4 Meter Durchmesser und kann nur direkt mit A-Stationen kommunizieren.

Wählverbindung

Das Geniale am UNEP-Netz ist die Methode, wie man teure Satellitenzeit spart. Das Aufbauen einer Wählverbindung über mehrere Bodenstationen ist technisch gar nicht so einfach zu realisieren, wie es sich anhört.

An jedem der Standorte wird eine Ethernet-LAN eingerichtet bzw. ein bestehendes benutzt. Die Applikationen laufen auf einem Unix-PC (Pentium von Compaq unter Solaris 2.4 x86) als Kommunikationsserver an dem Windows-PC als Clients hängen. Der Server ist mit einem IP-Router von Cisco verbunden und die Schnittstelle zu den Wählmo-dems ist V.325 bzw. RS-499 mit der synchronen V.25bis-Wahlprozedur. Mit maximal zwei "Hops" kann jede Mercure-Station erreicht werden.

Als einheitliche Kommunikationsstruktur wählte Softlab TCP/IP, weil es von allen angeschlossenen lokalen Netzen unterstützt wird und ein künftiger Internet-Anschluß damit möglich bleibt.

Schwieriger war die Realisierung von File- und Fax-Transfer, wie uns der Projektleiter von Softlab, Dr. Georg Bruckner erzählt. Das Standard FTP (File Transfer Protocol) erfordert eine durchgeschaltete Verbindung, die aber bei Mercure nicht garantiert werden kann: der "Doppel-Hop" zwischen Ost und West, sowie die begrenzte Satellitenkapazität machen es unmöglich.

Die Lösung fand sich in einer Eigenentwicklung, die dafür sorgt, daß Faxe und Fils in Genf bzw. Nairobi zwischengespeichert werden. Ein komplexes Prioritätenschema mit acht Dringlichkeitsstufen sorgt überdies dafür, daß kurze, aktuelle Meßdaten oder wichtige Mitteilungen gegenüber großen Statistik-Files Vorrang haben.

Für das System werden übrigens keine Standard-Fax-Geräte verwendet. Das Einscannen der zu sendenen Unterlagen erfolgt über HP ScanJet 4P, der Ausdruck über die lokalen Drucker der einzelnen Stationen. Interessant übrigens, daß für den speziellen Zweck nur eine einzige Software geeignet war: die Scanner-Software OrionScanPlus erwies sich unter Solaris als ein sehr komfortables Paket zum Scannen, Verarbeiten und Faxen von Bildern und Grafiken.

Satelliten-Simulator

Die notwendige Optimierung des Systemdurchsatzes wurde unter Einsatz eines Satelliten-Simulators im Softlab-labor durchgeführt. Der Grund liegt auf der Hand: die einfache Wiederholung fehlerhaft gesendeter Datenpakete erweist sich bei Signallaufzeiten von 270 Millisekunden (die Satelliten stehen in 36.000 km Höhe!) als nicht mehr praktikabel, denn bis der Empfänger einen Fehler feststellt, sind schon mehrere tausend Datenpakete unterwegs. Damit würde aber die Leistungsfähigkeit des Systems signifikant beeinträchtigt werden. Im Labor konnte man sich an die Grenzen der Leistungsfähigkeit des System herantasten und die TCP/IP-Parameter entsprechend der langen Laufzeiten tunen.

Internet

Theoretisch ist das Gesamtsystem auch für Internet geeignet. Aus verständlichen Gründen haben aber derzeit die einzelnen Endanwender keinen direkten Zugang. Für die Zukunft ist aber weder die Installation eines Intranet, noch die eines Internet-Gateways für die einzelnen Stationen ausgeschlossen. Firewalls sind jedenfalls schon jetzt eingebaut, um einzelne LANs und das gesamte Mercure-System vor unberechtigten Zugriffen zu schützen.

Franz A. Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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