MOBILE TIMES Archiv Startseite : Archiv : Heft 12 : Artikel

Artikel aus Mobile Times 12

In der EU

Diesen Kommentar verfaßte ein Chef aus der österreichischen Mobiltelephonszene, der aber anonym bleiben will.


Ich möchte vorausschicken, daß ich als Österreicher im allgemeinen und als Vertreter eines High-Tech-Unternehmen im besonderen zu dem aus meiner Sicht unbedingt notwendigen EU-Beitritt stehe. In sensiblen Bereichen, wie der Telekommunikation, sind globale Allianzen nötig, um bei aktueller "leading edge" Technologie teilzunehmen. Ebenso in dem wichtigen Bereich des Serviceaustausches (z.B.: GSM-Roaming). Der EU-Beitritt Österreichs ist aber, so scheint es, nicht gewissenhaft genug vorbereitet worden, sondern erinnert eher in folgendermaßen abgeänderter Form an den alten Witz: Warum haben wir Österreicher so lange Ohren - Vor der EU-Beitrittsabstimmung zog man uns an den Ohren zur deutschen Grenze und erklärte uns: "Schaut's, dort ist das gelobte Land."

Es wäre wichtig gewesen, Handel und Industrie, aber auch den Konsumenten durch die jeweiligen Interessensvertretungen nicht das Gefühl "Value for Money" zu nehmen. In diesem Zusammenhang richte ich einen flammenden Appell an Frau Magister Brigitte Ederer: Bitte überdenken Sie ihr Argument, daß sich jeder österreichische Haushalt durch den EU-Beitritt tausend Schilling im Monat erspart, was zu einer allgemeinen Interpretation des reinen Preisschleuderns geführt hat. Hier sei mir die kleine Polemik erlaubt, daß es in einem Land, das außerordentlich hohe Lohn- und Lohnnebenkosten hat, die sowohl Handel als auch Industrie betreffen (von 30 vom Wirtschaftsforschungsinstitut verglichenen Staaten die vierthöchsten Lohnnebenkosten), und in dem auf der Konsumentenseite die Preise brutal nach unten getrieben werden, es zu einer zunehmenden Zahl von Insolvenzen kommen wird, und sehr geehrte Frau Magister, wenn die Leute, die sich tausend Schilling ersparen könnten "håckenstad" sind, helfen ihnen die tausend Schilling auch nichts.

Um nicht allgemein politisch zu werden: ich muß als Betroffener beobachten, daß diese Mentalität zu einer reinen Preisschwellenabklatschung geführt hat, und die eigentlichen Features der Produkte seitens des Konsumenten kaum mehr estimiert werden. Obwohl gerade dies für eine sinnvolle Marktarbeit und eine zufriedene Kundschaft sehr wichtig wäre.

Dies zeigt vor allem die Entwicklung in einem der ältesten und weitest entwickelten Telekom- und vor allem Mobiltelephon-Märkte Europas, nämlich Großbritanniens, wo der DCS-1800-Betreiber Orange die anderen Netzwerkbetreiber aufgrund seiner überlegenen Service- und Featurepolitik vor sich her treibt.

Und gerade hier sei an die Damen und Herren der Politik eine Empfehlung zu richten. Mir ist durchaus klar, daß in der kritischen Budgetlage das größte Wollen bei der Geldmittelbeschaffung liegt. Trotzdem sei der Vorschlag eingebracht, vor allem die Qualität des Services für den Kunden in den Vordergrund zu stellen, sowie die Ausstattung unseres Landes mit einer komfortablen und flächendeckenden Cellular-Infrastruktur.

Auch an dieser Stelle gibt es leider ein Negativbeispiel. Zuerst wurde die Ausschreibung und der Zuschlag der zweiten GSM-Lizenz über lange Zeit verzögert und dann wurde bekannterweise dieser Zuschlag schlicht und einfach an den erteilt, der bereit war, die höchste Lizenzgebühr zu bezahlen.

Ich meine damit in keinster Weise, daß max.mobil. (oder während der Ausschreibung Ö-call) eine schlechte Entscheidung war, jedoch mußte die gleiche Summe dann auch vom ersten Betreiber, der Mobilkom, beglichen werden. Letztendlich können nach marktwirtschaftlichen Kriterien diese hohen Lizenzgebühren aber nur beim Konsumenten verdient werden. Also wenn Telephonieren in Österreich teurer ist als im Verhältnis zu beispielsweise Skandinavien oder den USA, dann wirklich aus Gründen wie diesen.

Die Mobilkom mußte also die gleiche Lizenzgebühr von vier Milliarden begleichen. Eine Mobilkom, die aus jener österreichischen Bundespost hervorgegangen ist, die durch die Republik Österreich aus politischen Motiven über die Jahrzehnte förmlich vampirisiert wurde.

Desgleichen wurde aus Postkreisen kolportiert, daß, ebenfalls aus politischen Gründen, über die Jahre die Defizite der "gelben Post" mit Hilfe des Telekombereiches egalisiert wurden.

Hiermit sei das Klagen über vergangene Fehler abgeschlossen, und ich möchte meinen Gastkommentar mit der Hoffnung abschließen, diese Fehler der jüngsten Vergangenheit nicht bei der nächststehenden Entscheidung im Bereich der Telekommunikation zu wiederholen.

Die Vergabe der Lizenz im 1800-Mhz-Bereich sollte sehr gewissenhaft geplant und überwacht werden sollte. Damit meine ich, daß der schwierigen topographischen Lage Österreichs, sowie der atypischen Verteilung der Bevölkerung mit einigen starken Ballungsräumen Rechnung getragen werden sollte. Der Einsatz von DCS 1800 sollte also am ehesten zu einer Qualitäts- und Reichweitenverbesserung der vorhandenen Netzwerke genützt werden, und nicht einfach an den Höchstbieter versteigert werden. - Qualität vor Quantität

???




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
Text © 1997 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!