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Artikel aus Mobile Times 14

Tödliches Handy?

Immer wieder hört und liest man von den Gefahren, die angeblich von Elektromagnetischen Strahlungen ausgehen. Nun gibt es endlich einen Fachbericht zu diesem Thema. Wer objektive Forschung akzeptiert, wird zufrieden sein, wer nicht, wird weiter seinem Guru folgen.


In sogenannten "alternativen" Kreisen waren die Störungen der Erdstrahlen durch Elektromagnetische Felder (EMF) schon lange bekannt. Über diverse Publikationen sickerte dieses Halbwissen auch in große Kreise der allgemeinen Bevölkerung. Doch gab es bisher kaum verbindliche wissenschaftliche Studien, die klar legten, welche biologischen Wirkungen die verschiedenen Elektromagnetischen Wellen tatsächlich haben. Nun gibt es EU-weite Bemühungen diesen Problemkreis zu durchleuchten und so zu sicheren Grenzwerten zu kommen. Doch bis eine EU-weite Norm verwirklicht ist, wird noch einige Zeit vergehen, da die unterschiedlichsten nationalen Interessen hier einfließen. Zudem haben derzeit nur Großbritannien, Deutschland und Österreich Normen oder Verordnungen, die Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung festsetzen.

Der österreichische Gesetzgeber hat also schon bisher im Rahmen von Arbeitnehmerschutz, Ö-NORM, Gewerberecht und verschiedenen Verordnungen Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung festgeschrieben, doch in Gesetzesform liegen nur Richtlinien für ionisierende Strahlung vor, also radioaktive Partikelstrahlung, sowie Gammastrahlung und Röntgenstrahlung. Für Strahlungen mit Frequenzen unter der des sichtbaren Lichtes war man bisher auf die Ö-NORM 1119 und 1120 angewiesen, die aber nicht rechtsverbindlich sind.

Derzeit ist eine entsprechende Novelle des Strahlungsgesetzes in Vorbereitung, die dann auch die Grenzwerte aus Arbeitnehmerschutz, Ö-NORM und so weiter vereinheitlichen wird. Dazu gehört natürlich auch eine wissenschaftliche Studie, da man Grenzwerte ja nicht im freien Raum beschließen kann. Diese Studie wurde nun am 9. April 1997 der Öffentlichkeit vorgestellt, und die Ergebnisse wollen wir hier kurz schildern.

Stromleitungen mit positiver Wirkung

Die Studie, die vom Forschungszentrum Seibersdorf, der TU Wien, der TU Graz und dem AKH Wien durchgeführt wurde, hat einerseits die tatsächlichen Emissionen die in Österreich auftreten vermessen, andererseits circa 9000 internationale Studien zu dem Thema gesichtet. Die Ergebnisse sind teilweise ziemlich überraschend, so ist zum Beispiel das Krebsrisiko unter Hochspannungsleitungen teilweise geringer als in der Gesamtbevölkerung, mit Ausnahme von myeloischer Leukämie. Die Schwierigkeit bei allen Studien, die den Zusammenhang zwischen Hochspannungsleitungen und Krankheiten untersuchen, ist die Exposition, das heißt wie stark und wie lange war die Person tatsächlich elektromagnetischen Feldern ausgesetzt. Teilweise dürften die behaupteten Zusammenhänge auf falschen Schätzungen für die Belastung beruhen, da bei Messungen oft ein deutlich verringertes Krankheitsrisiko herauskam als bei Schätzungen.

Handy am Ohr

Doch was uns an dieser Studie besonders interessiert, sind die Wirkungen hochfrequenter Strahlungen, wie sie bei GSM auftreten. Bei diesen Frequenzen treten nämlich keine direkten Reizungen durch Beeinflussung bioelektrischer Vorgänge auf, sondern Erwärmung des Gewebes, ein Effekt, den man bei Mikrowellenherden ja ausnützt.

Bei den Frequenzen von GSM beziehungsweise DCS von ungefähr 109 Hz treten Erwärmungseffekte ab einer Feldstärke von 100 V/m auf. Was heißt dies nun in der Praxis? Diese 100 V/m entsprechen einem Leistungsfluß von 26,5 W/m², was bei der Leistung eines Handys einen Sicherheitsabstand von circa zwei Zentimeter bedingt. Wenn man sich nun den Abstand zwischen der Antenne und dem Kopf bei postzugelassenen Geräten anschaut, so stellt man fest, daß dieser Abstand eingehalten ist.

Für GSM-Basisstationen, die ja höhere Sendeleistungen haben, ist dieser minimale Abstand einige Meter. Da aber diese Antennen auf Masten montiert sind, ist allein durch die Bauart diese schützende Distanz gegeben. Auch sollte zu denken geben, daß seit vierzig Jahren Österreich mit Fernsehprogrammen bestrahlt wird, die eine Sendeleistung von 1000 kW haben, was das hunderttausend-fache der Sendeleistung einer GSM-Basisstation ist. Hier ist die Grenze biologischer Wirkungen bei circa 20 Metern schon erreicht, während die Sendemasten des ORF oft hundert Meter gegen Himmel ragen. Nur für die Sendetechniker, die direkt am Mast Reparaturen ausführen müssen, gelten besondere Schutzvorschriften.

Auch die oft gehörte Behauptung die digitalen Pulse von GSM im Unterschied zu analoger Übertragung würden zu Nebeneffekten führen konnte nicht bestätigt werden. Vielmehr sind durch diese Pulse neben der Trägerfrequenz Nebenfrequenzen von zwischen 0 und 5000 Hz vorhanden, die aber ebenso beim Fernsehen und allen Amplitudenmodulierten Signalen auftreten. Daß durch Fernsehen (außer durch den manchmal wenig geistreichen Inhalt) Gesundheitsstörungen auftreten, ist noch nirgends festgestellt worden. Zudem treten die biologischen Effekte dieser Frequenzen erst bei Feldstärken auf, die um einen Faktor Tausend größer sind als die Grenzwerte für thermische Effekte der Trägerfrequenz.

Handy am Herz

Etwas anders sieht die Sache bei Personen mit Herzschrittmachern aus. Die Studie fordert hier eine Sicherheitsdistanz von 25 cm bei in Betrieb befindlichen Handys. Zum Glück ist aber der Abstand vom Ohr zur Herzgegend, beziehungsweise vom Herz zum Gürtelclip beim Erwachsenen zwischen 30 und 40 cm, sodaß lebensbedrohliche Störungen bei 90% der im Handel befindlichen Herzschrittmacher nicht auftreten können. Trotzdem sollten Sie, falls Sie einen Herzschrittmacher besitzen, vor Anschaffung eines Handys zum Arzt gehen, der Sie beraten wird, ob sich ihr Modell mit einem Handy verträgt oder nicht.

Eine viel größere Risikoquelle sind zum Beispiel die Diebstahlsicherungen bei Kaufhäusern, die nur magere 20% der Schrittmacher unbehelligt lassen. Hier verlangt die Studie unbedingt getrennte Ausgänge für gefährdete Personen.

Geist macht krank

Im Verlauf der Arbeiten zu dieser Studie wurden die Forscher oft auch mit Leuten konfrontiert, die irrationale Ängste vor unbekannter Technik haben. Oder um es anders zu formulieren: Wer sich eine Netzfreischaltung installiert, um besser zu schlafen, wird tatsächlich besser schlafen, allerdings nicht wegen medizinischer Effekte, sondern weil er glaubt, daß er durch die Netzfreischaltung besser schlafen wird. Außerdem wurde, als man der Frage elektrischer Geräte im Bettbereich, wie zum Beispiel Radiowecker, nachging, festgestellt, daß Radiowecker tatsächlich medizinisch bedenklich sind. Allerdings nicht wegen der elektrischen Felder des Gerätes, sondern durch die Streßsituation, die das plötzliche Wecken verursacht. Das allerdings hat ein Radiowecker mit einem mechanischen Wecker gemeinsam.

Dennoch will man nicht alles auf psychosomatische Krankheitsbilder abschieben. Denn nachdem nun diese Studie zur medizinisch erfaßbaren Wirkung von Elektromagnetischen Feldern abgeschlossen ist, werden sich die Forscher in Seibersdorf als nächstes den Fragen der Elektrosensitivität und der Auswirkungen von Elektromagnetischen Feldern auf Pflanzen im Allgemeinen und auf die Landwirtschaft im Speziellen zuwenden.

Bis auf einzelne industrielle Anwendungen aber halten schon heute alle Elektrogeräte die medizinisch notwendigen Normen an Abstrahlung ein. Dies gilt jedenfalls solange man die Geräte vorschriftsgemäß verwendet.

Michael Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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