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Artikel aus Mobile Times 19

Telekom-Liberalisierung

Sozusagen im letzten Moment haben Regierung und Parlament die EU-Richtlinie zur Liberalisierung des Telephon-Festnetzes in gültiges Recht umgesetzt und schon scharren die ersten Anbieter in den Startlöchern.


Trotz der Hektik mit der die Weichenstellungen in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Gegenwart erfolgt sind, kann man vorläufig für den Endanwender noch keinen Vorteil erkennen. Auch für Unternehmen tut sich noch sehr wenig, was wohl daran liegt, daß das Interconnection-Preis-Problem noch immer nicht gelöst ist. Die Post will für den Zugang zu ihrem Leitungsnetz möglichst viel kassieren und die neuen "alternativen" Netzbetreiber genau so wenig zahlen. Dennoch sind die ersten "Vollversorger" auf dem Markt.

Die Lizenz

Vorher mußten aber alle Bewerber durch ein Lizenzierungsverfahren vor der Telekom Control, dem österreichischen Regulator. Die Anträge um eine Konzession mußten eine Offenlegung der Eigentümerstruktur, einen Business-Plan und die Einschätzung der Marktchancen für die nächsten vier Jahre, sowie die Darstellung der technischen Lösung der angebotenen Dienste, enthalten.

Man erkennt schon daran, daß nicht jeder Bewerber jeden Dienst anbieten will. Es gibt auch Unternehmen, die bisher überhaupt nicht um eine Konzession eingekommen sind und dann gibt es wieder welche, wie etwa die kürzlich in TriCoTel Telecom umgetaufte mars-mobil, die gleich eine Mobilfunklizenz erwerben will und offensichtlich das TKG (Telekommunikationsgesetz) voll ausreizen will.

Auch Mobilfunklizenzen?

Bei TriCoTel ist man der Meinung, daß nach § 15 TKG der Regulator auf ihren am 2, Februar 1998 eingebrachten Antrag auf eine GSM 1800 Konzession binnen sechs Wochen zu anworten hätte - was allerdings nicht geschehen ist. Bei TriCoTel glaubt man daher, daß die Behörde die Frist ausdehnt, was ihr durchaus zusteht, wenn sie glaubt, weitere Erhebungen durchführen zu müssen -, ihr aber dadurch weniger Zeit für eine Zuschlagsentscheidung bzw. die Er-stellung von Ausschreibungsunter-lagen bleibt. Laut TriCoTel muß die Zuschlagserteilung bis spätestens Juni 1998 abgeschlossen sein.

Wenn die Leute von TriCoTel recht haben, dann wird es auch im Mobilfunk wieder spannend, denn der Juni ist gerade der Zeitpunkt, wenn der (bisher?) dritte Netzbetreiber voll durchstarten will. Wird der Sommer nicht nur beim Wetter heiß?

Die Festnetze

Die Kommission, die die ersten Lizenzen zu vergeben hatte, bestand aus dem Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Eckhard Hermann, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der OMV Dkfm. Dr. Oskar Grünwald und Dipl. Ing. Dr. Gottfried Magerl vom Institut für Nachrichtentechnik und Hochfrequenztechnik der Technischen Universität Wien. Diese Kommission traf alle Entscheidungen des 17. Dezember 1998 einstimming.

Bei den Lizenznehmern für die Festnetze gab es keine Überraschungen. Neben der Post und Telekom (PTA) erhielten die beiden "Stromverbünde" UTA und Citycom ebenso eine Lizenz für Sprachtelephonie und Mietleitungen wie die im Umfeld der Verlagsgruppe von Christian Radda (Wirtschaftsblatt etc..) angesiedelte Cybertron. Ronald Lauders RSL Telecom erhielt genau so wie Unisource die beantragte Konzession für die Sprachtelephonie. Weitere Lizenzen gab es für die Vorarlberger Kraftwerker von den VKW und die Stadtwerke Feldkirch sowie den Data Highway Burgenland.

Was passiert?

In den nächsten Monaten werden wohl nur mittlere und größere Unternehmen in den Genuß von Festnetzanschlüssen der neuen Anbieter kommen. Der Grund liegt weniger am geringen Interesse der Neuen, sondern im Problem der "last mile", also dem letzten Stück Leitung vom Verteiler des Netzes bis zur gewünschten Endstelle. Einige Netzbetreiber erwarten eine Lösung mit DECT-Systemen zu finden, vor allem die Post experimentiert schon längere Zeit damit. Damit würden dann Festnetze zumindest im engeren Bereich zu Mobilfunknetzen, denn ein Mitnehmen des heimischen Telephons zum Greißler um die Ecke wäre dann durchaus möglich.

Internet-Handy

Ein Beispiel dafür, was für uns drinnen ist, hat uns kürzlich die RSL vorgeführt: Man ruft über das Internet Handys an. Dabei sollten im Prinzip nur die Gebühren anfallen, die man auch sonst für Internetverbindungen zahlt - plus einen kleinen Aufschlag für den Anbieter der Leistung. In Summe daher für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Ausgenommen natürlich die bisherigen Netzbetreiber, denen damit ein großer Umsatzbrocken entgehen könnten.

Investitionen

Die Investitionssummen, um die es in den nächsten Jahren geht, sind nicht zu verachten. Die Telekom Control schätzt das Volumen für die nächsten vier Jahre auf wenigstens 54 Milliarden Schilling. Damit können sich die neuen Netze aber wahrscheinlich nur ein kleines Stück vom Kuchen abschneiden. In Deutschland, wo die Liberalisierung schon etwas weiter fortgeschritten ist, schätzt man, daß den dortigen Neuen auch bei größter Anstrengung nur etwa 30% des Marktes zufallen werden, weil die dortige Telekom einfach zu groß ist und außerdem erfolgreich mit einer neuen Flexibilität - und alten Tricks - um jeden Key-Account (wichtige Kunden) kämpft.

Numerisches

Ein wichtiges Problem für die neuen Netzbetreiber ist natürlich die Vergabe von Telephonnummern. Nach anfänglichem Widerstand der PTA scheint man jetzt eine Lösung gefunden zu haben, mit der alle Betroffenen leben können: zweitstellige Verkehrsausscheidungsziffern als Vorwahl bzw. Zugang zum jeweiligen Netzbetreiber. Dazu muß aber bald das gesamte bisherige - von uns bereits öfters kritisierte - System der bis zu fünfstelligen Vorwahlen geändert werden, damit die Gesamtlänge der dann zu wählenden Nummern nicht über die internationale Norm hinausgeht.

Internationales

Was uns positiv auffällt, ist die Tatsache, daß es offensichtlich bisher möglichg war, die Telekom Control relativ unbürokratisch zu führen - hoffentlich bleibt es so - und daß in Österreich bereits jetzt viel mehr private Netzbetreiber lizenziert sind, als in vielen anderen Staaten. Wenn unsere Zählung richtig ist, dann sind selbst in Deutschland nicht mehr Netzbetreiber am Werk als hierzulande, ganz zu schweigen von Ländern wie Frankreich und der Schweiz, wo ein bis zwei Herausforderer der jeweiligen Telekom am Start sind.

Noch weniger Konkurrenz gibt es in Italien, wo man bisher recht gut das Monopol verteidigte und wo bisher nicht einmal der private Mobilfunkbetreiber Omnitel die versprochenen Kompensationen für die Nichteinhaltung der EU-Richtlinien seitens der Telecom Italia bzw. der italienischen Regierung erhalten hat.

Wir blicken also gespannt in die österreichische und internationale Zukunft der Liberalisierung.

Franz A. Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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