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Artikel aus Mobile Times 19

Reale Virtuelle Räume


"Wer durch dieses Tor eintritt, lasse alle Hoffnung fahren...".

Diese Warnung könnte über den Lifttüren stehen, die der Besucher der multimedialen Installation Noise Gate-M6 von dem Duo Granular Synthesis, überwinden muß, um den "Empfangsraum" betreten zu können: unheimliche Dunkelheit umfängt den Besucher, der von grellen Geräuschen umhüllt wird. Ein kleines Lämpchen an der Wand verheißt einen Ausweg: eine weitere "Lift"schleuse führt den schon leicht Verstörten zwar in hellere Gefilde, aber keineswegs in angenehmere.

Zwei riesige Gesichter warten auf ein Gegenüber, das sie nicht aus ihrem Bann entlassen. Analog zur Geräuschkulisse führt der Kopf apathische Bewegungen aus, die sich unter preßlufthammerähnlichem Stakkato steigern. Man sieht, wie der Kopf immer schneller gegen eine Glaswand schlägt und leidet mit dem Gefangenen mit, vor dessen Blicken man sich vorher fast verfolgt fühlte.

Wegrennen hat wenig Sinn, um die Ecke warten wieder zwei Riesengesichter, insgesamt füllen sechs Videoprojektionen die U-förmige Ausstellungshalle. Die Klänge dringen bis unter die Haarwurzeln und bevor man völlig gefangen ist wie der Zombie an der Wand, schleust man sich schnell wieder in die Reale Welt hinaus.

Starke Gefühle löst diese virtuelle Welt aus - "nichts für Nervenschwache" möchte man anmerken.

Technisches Know-how ist Voraussetzung, um derart intensive Wirkungen zu erzielen. Ausgangspunkt der Arbeit sind ein Videofilm und Tonfragmente. Bild und Ton werden durch Klonen und Samplen so verändert, daß einen neue visuelle und akustische Struktur entsteht. So wie bei jedem Telephonat der Originalton in kleinste Teilchen zerlegt wird und beim Empfänger wieder zusammengesetzt wird - und falls nichts dazwischen kommt, der Originalton wieder entsteht - so verfahren die beiden Künstler mit ihrem Originalmaterial. Aber sie beabsichtigen genau das, was sonst bei digitaler Übertragung als Fehler gilt: neue Bilder und Töne zu schaffen, die sich vom ursprünglichen Original deutlich unterscheiden und so eine neue virtuelle Originalität erlangen.

Die Installation verändert sich auch durch die Besucher, die unbewußt interaktiv in die Ablaufsteuerung eingreifen. Sie werden Teil der Installation, die Grenzen von Bildmensch und Betrachter verwischen, so wie die Grenzen zwischen Mensch und Maschine nicht mehr genau gezogen werden können.

Kurt Hentschläger und Ulf Langbeinrich, die unter dem Künstlernamen Granular Synthesis seit 1992 multimediale Installationen produzieren, haben nicht nur Ars Electronica Erfahrung, sondern konnten auch bei der ARTEC'95 in Japan einen Preis einheimsen. Ihr neues Projekt Noise Gate-M6 hatte in Wien im Museum für Angewandte Kunst Premiere und wandert ein Jahr lang quer durch Europa.

Ein ausgezeichneter Essay von Tom Sherman im Katalog erklärt und vermittelt die Installation auch jenen, die sie nicht live erleben können. Leider liegt dem Katalog nur eine Audio CD bei, dem Thema wirklich gerecht würde aber nur ein Katalog auf CD-ROM. Aber vielleicht kann das ja noch nachgeholt werden.

Christine Köttl


Ein neues Kleid fürs 8110

Ein Handy muß nicht immer dezent eingefärbt sein. In letzter Zeit finden sich immer mehr bunte Modelle unter den serienmäßig hergestellten Handys.

Um die Phantasie von Designern herauszufordern, schrieb Nokia Österreich einen Wettbewerb aus, für das Erfolgsmodell 8110 ein neues Outfit zu entwerfen. Nahezu 1000 Entwürfe bekam die Jury zur Beurteilung eingesandt. Es war für die fünf Juroren nicht leicht, ein Siegermodell zu küren, das auch in kleiner Auflage produzierbar ist. Erwählt wurde die Einreichung von Christian Belschan, ein Entwurf mit deutlichem Bezug zur österreichischen Folklore. Belschan kreierte quasi eine Lederhose fürs Handy, geschmückt mit Edelweiß oder Hirsch. So originell diese Idee ist, so schwierig ist sie auszuführen: der Überzug ist nur in aufwendiger Handarbeit herzustellen. Primär dürfte dieses Designer-Handy ein Sammlerstück für Austriaca-Fans werden, die einen Hang zum Skurrilen haben.

Christine Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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