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Artikel aus Mobile Times 20

Netz Chinesisch

Von Butterfässern, Teppichen und Herumtreibern spricht man in der Mobiltelephonie natürlich nicht, aber von "Churn", "Roamer" und "Roll-Out" schon. Mit dem Wetterbericht hat die "Coverage" nichts zu tun, denn "bedeckt" im Wetterbericht heißt "overcast". Stürzen Sie sich mit uns in eine kleine Betrachtung einiger seltsamer Slang-Ausdrücke, die mit dem Wachsen der GSM-Netze teilweise auch in den normalen Sprachgebrauch eingedrungen sind.


Wenn demnächst Connect Austria mit dem Roll-Out beginnt, um eine entsprechende Coverage zu erreichen, wird naturgemäß die Churn-Rate steigen. Das hängt allerdings davon ab, ob die Roamer bei Connect genügend Gelegenheit finden. Die Frage der Interconnection Fee hat ja der Regulator schon gelöst.

Das Herausrollen eines Teppichs um etwas zu bedecken, ist wohl das Muster für die Entstehung der Ausdrücke "Roll-Out" und "Coverage". So wie ein Teppich beim Ausrollen immer mehr Fläche bedeckt, so ist das auch bei den Mobilfunknetzen. Schöne Ausdrücke für Löcher im Teppich hat man allerdings nicht übernommen, da verwendet man lieber "Funkloch" und meint damit Gegenden, in denen keine Sendestation arbeitet.

"Roll-Out" ist also die Errichtung des Netzes, während Coverage die tatsächliche Funktion meint. In den Anfangsjahren gab man die Coverage noch in Prozent der Fläche eines Territoriums an. Das heißt, wenn 90% Coverage angegeben waren, dann betraf das tatsächlich 90% der Fläche. Heute verwendet man lieber Bevölkerungs-Coverage, was auch kleinen Netzen einen großen Coverage-Prozentsatz gibt. Ein Beispiel gefällig? Australien hat fast acht Millionen Quadratkilometer Fläche, die von rund 18 Millionen Menschen bewohnt sind. In den fünf größten Städten wohnen davon etwa 11 Millionen. Diese Städte nehmen zusammen grob gerechnet 22.000 Quadratkilometer ein. Gäbe es in Australien nur in diesen fünf Städten ein Netz, dann hätte man eine Flächencoverage von 0,275%, aber eine Bevölkerungs-Coverage von über 61%. Eigentlich klar, warum die Netzbetreiber lieber über Prozent der Bevölkerung als über Flächenprozente sprechen.

Was im normalen Sprachgebrauch eher als unangenehm empfunden wird, kann in der Mobiltelephonie durchaus zu etwas Positivem mutieren - oder auch umgekehrt.

Beliebte Streuner

In Mobiltelephonnetzen werden Herumtreiber gerne gesehen, bringen sie doch Geld in die Kassen und sind bereit - wenn auch manchmal nur zähneknirschend -, mehr für Gespräche zu zahlen als ihre seßhaften Verwandten.

"Roamer" kommt vom Adverb "roamen", das in seiner ursprünglichen Bedeutung "wandern" schon etwas negativ besetzt war, weil es eher im Sinn von "Streuner" gemeint war, während unser "wandern" in der englischen Sprache durchaus als Fremdwort verwendet wird, um genau das auszudrücken, was wir mit "wandern" meinen.

Ein "Roamer" ist also ein Mensch, der herumirrt und sein Mobiltelephon in fremde Netze "einbucht" oder sich in fremde Netze "einloggt", wobei "fremdes Netz" eines meint, das nicht jenes ist, von dem der Kunde seine Rechnungen bekommt. Bleibt jemand brav im eigenen Netz, also daheim, dann ist er eben ein "Homer", was mit dem griechischen Dichter gar nichts, mit dem englischen Wort "Home" für "Heim" aber alles zu tun hat.

Die Fee ist keine

Wenn von "Interconnection Fee" die Rede ist, dann geht es um kein geisterhaftes - meist freundliches und weibliches - Wesen, sondern schlicht um eine Gebühr. Dabei handelt es sich im Falle Mobiltelephon meist einmal um jene Gebühr, die der Mobilfunkbetreiber an den Netzbetreiber zahlen muß, dessen Kunden angerufen werden. Wenn also z.B. ein Kunde von max. oder A1 eine Nummer im Festnetz anruft, dann verlangt der Betreiber des Festnetzes für diese "Interconnection", als wörtlich "Zwischenverbindung" eine Gebühr, eben die besagte Interconnection Fee. Damit aber ein großer Betreiber einen kleinen nicht durch extrem hohe Zugangsgebühren aussperren kann, wird diese Gebühr vom Regulator festgelegt.

Die "Interconnection Fee" führt allerdings dazu, daß für den Betreiber eines Mobilfunknetzes der Zugang seiner Teilnehmer zum Festnetz immer teurer kommt als interne Verbindungen im eigenen Netz. Damit werden Aktionen wie "1 Schilling von Handy zu Handy" oder "A1 Friends" durchaus verständlich und erklärbar. Für Leute, die (fast) nur in einem Mobilnetz telephonieren, könnte also die "Interconnection Fee" tatsächlich ein freundliches Wesen sein, das ihnen hilft die Telephongebühren niedrig zu halten.

Ungeliebtes Butterfaß

Was einem Anhänger natürlicher Ernährung etwas sehr Erfreuliches ist, läßt einem Mobilfunkbetreiber die Haare zu Berge stehen: das Butterfaß. "Churn" steht nämlich ursprünglich für "Butterfaß" und als Zeitwort für "buttern". Wenn wir statt dessen "hineinbuttern" setzen, wissen wir schon, warum "Churn" so unbeliebt ist: mit "Churn-Rate" bezeichnen die Netzbetreiber den Anteil an Kunden, in die sie mehr "hineinbuttern" als sie herausbekommen. Kunden zum Beispiel, die durch ein niedriges Tarifangebot angelockt wurden und sofort wieder das Netz wechseln, wenn bei der Konkurrenz einige Groschen weniger zu bezahlen sind. Oder noch schlimmer, Kunden, die zwar das Netz benutzen, aber dafür nichts bezahlen.

Ehrenhafte Regulatoren

Wenn jemand in einer belesenen Familie aufgewachsen ist, dann sind ihm "Die Regulatoren in Arkansas" von Friedrich Gerstäcker durchaus ein Begriff. Diese "Regulatoren" warfen sich zu einer Art Polizei oder gar Richter auf, die durch kein Gesetz legitimiert waren. Diese Regulatoren würden wir heute wohl eher als Räuber denn als etwas Positives empfinden. Was für unseren modernen Telekom-Regulator aber nur bedingt zutrifft, denn für den einzelnen Kunden sollte sein Wirken durchaus positiv sein, denn er legt die Spielregeln fest, nach denen die einzelnen Netzbetreiber miteinander und mit den Kunden umzugehen haben. Im Gegensatz zu den "Regulatoren in Arkansas" agiert unser Telekom-Regulator auf Grund eines Gesetzes. Allerdings die Wortverwandtschaft ist durchaus gegeben und so mancher Mitarbeiter der Telekom könnte die Festsetzung der "Interconnection Fee" durchaus zum Nachdenken zu Parallelen mit Gerstäckers "Regulatoren" führen.

Lassen wir es für diesmal genug sein und verlegen wir die Diskussion von Begriffen wie SIM Tool-Kit, also Werkzeugkasten, einer echten Neueinführung, oder von transparenter und non-transparenter (Was bitte ist eine durchsichtige Datenübertragung?) auf ein späteres Heft. Wir sammeln jedenfalls schon wieder fleißig Erklärungen.

fak




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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