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Artikel aus Mobile Times 21

MEHR ANGST ALS FAKTEN

In ganz Österreich sind die GSM-Hexen unterwegs, um ihre teuflischen Antennen auf jedes Hausdach zu setzen und damit die nichtsahnende Bevölkerung in Krankheit und Not zu stürzen. Zum Glück aber ist ein kleines Häuflein unerschrockener Inquisitoren unterwegs um diese Dieners des Teufels zu bekämpfen und wenn nötig auf dem Scheiterhaufen ...

...So weit wird es wohl nicht kommen, aber vielleicht erleben wir einen Aufstand wie bei den schlesischen Webern, die auch alle erreichbaren Webmaschinen zertrümmerten, um den Fortschritt zu stoppen?


Treffpunkt Wien, die Nachmittagstalkshow von Radio Wien hatte es für nötig befunden, eine Show zum Thema der Strahlung von Handys zu machen. Wir haben uns das natürlich angeschaut.

In Treffpunkt Wien diskutierten unter der Leitung von Nora Frey unter anderem Martin Bredl von der Mobilkom, Michaela Reeh vom Forum Mobilkommunikation, der Zellbiologe und ÖGNU-Experte Dr. Wilhelm Mosgöller sowie Frau Eva Marsalek von der Plattform GSM-Initiative.

Daneben waren noch zahlreiche Personen, welche sich durch GSM-Antennen beeinträchtigt fühlen, eingeladen worden, und zwei Techniker vom TGM in Wien, die die Strahlungsleistung eines Handys live ausmaßen.

Was während der Sendung immer wieder auffiel war, daß die Moderatorin entweder sehr nervös oder schlecht vorbereitet war. So wußte sie zum Beispiel nicht, daß man auch bei einem Handy abheben muß, um ein Gespräch zu führen. Auch als der TGM-Techniker nach der Messung meinte, die gemessene Strahlung des Handys liege bei einem Fünfhundertstel des Grenzwertes (in Ziffern: das 0,002-fache) meinte Frau Frey "Das ist aber schon ziemlich nahe." Auch ließ sie den Ausführungen der Technikgegner breiten Raum, sobald aber jemand Erklärungen dazu abgeben wollte, schnitt sie ihm das Wort ab mit der Meinung, man wolle hier nicht zu technisch werden - als ob man Technik technikfrei erklären könnte.

Nur einmal lief sie zu ihrer gewohnten Form auf, als sie zu einem Vertreter der ÖGNU sagte: "Ich finde das ganz legitim, daß Sie hier versuchen, jetzt Geld zu kriegen, aber meine Frage war eine andere ..."

Alles Abschalten?

Ein Hauptargument von Frau Marsalek war es, die Betreiber könnten ihre Masten bauen wo sie wollen. Wenn man aber weiß, daß die Lücke an der Westautobahn einige Jahre lang aus baurechtlichen Gründen nicht geschlossen werden konnte, so stellt man fest, daß es schon heute genug verzögernde rechtliche Kontrolle für das Bauen von Sendeanlagen gibt. Wenn man nun fordert, daß nicht nur der Hauseigentümer seine Zustimmung gibt, sondern auch alle Mieter des Gebäudes und die Bewohner der Nachbargebäude, so wird dies nur zu weiteren Verzögerungen im Netzausbau führen.

Aber Frau Marsalek möchte ja offensichtlich überhaupt die Abschaltung des Netzes, da GSM wie ein Medikament zu behandeln wäre, das erst nach eingehenden Versuchen die Zulassung erhält. Andererseits aber lehnt sie jede Studie, die nichts findet als "nicht schlüssig" ab und fordert neue Studien. Wie soll es da jemals eine Zustimmung geben? Außerdem wurden die Grenzwerte 1996 vom Gesundheitsministerium neu festgelegt und im April 1998 von der WHO bestätigt. Aber wahrscheinlich wurden diese Grenzwerte von Leuten festgelegt, die ihre Doktorate in der Lotterie gewonnen haben...

Zur Gültigkeit von Studien ist in dieser Diskussion ein interessanter Satz gefallen. Dr. Mosgöller meinte, es gäbe keine gesicherte Gesundheitsgefährdung durch GSM. Das ist insoferne sensationell, als Dr. Mosgöller Mitglied eines Beratergremiums der ÖGNU ist, und bisher eher durch eine GSM-feindliche Haltung aufgefallen war.

Ist es wie Fernsehen?

Im Rahmen dieser Diskussion wurde auch näher auf die Gemeinsamkeiten von Fernsehen und GSM eingegangen. Zu diesem Zweck wurde extra ein Sendetechniker zugeschaltet, der zunächst versuchte der Frage zu entgehen, indem er nicht die Sendefrequenzen, sondern die Namen der Sendebänder nannte. Dann erklärte er verschämt, die Fernsehsignale wären bei 750 MHz, wären aber nicht digital, sondern analog. Dabei bedachte er nicht, daß sowohl das Zeilensprungsignal, als auch die Teletextinformation natürlich digitale - also "gepulste" Signale sind.

Er erklärte auch, daß die Sender des ORF zwar eine viel höhere Leistung haben als GSM-Sender, meinte aber, sie würden eine sehr geringe Feldstärke über ein großes Gebiet haben, damit man alle Haushalte erreichen kann. Warum man mit einer niedrigeren Feldstärke mehr Haushalte erreichen kann als mit einer hohen, erklärte er aber nicht und ging auch nicht darauf ein, daß am Wiener Karlsplatz die gemessene Feldstärke des Fernsehens zehnmal so hoch ist wie die von GSM.

Es hat übrigens niemand gefragt, auf welche Art die drahtlosen Mikrophone der total-digitalen ORF-Tontechnik senden ...

Michael Köttl


Verwendete Abkürzungen:

ÖGNUÖsterreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz
WHOWorld Health Organization



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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