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Artikel aus Mobile Times 23

Iridium und die Konkurrenz

TECHNIK & POLITIK

Ursprünglich wollte Iridium ja am 23. September in den Vollbetrieb gehen, und Konkurrent Globalstar versprach eine Aufholjagd, die es ermöglichen sollte, nur wenige Monate nach Iridium in den Regelbetrieb zu gehen. Jetzt ist alles anders. Lesen Sie, warum.


Die Gründe, warum die auf Satelliten gestützten Handy-Netze mit Verspätung starten, sind vielfältig, aber sie lassen sich in die zwei Gruppen einteilen, die schon der Titel enthält: technische und politische Gründe.

Beta-Test statt Start

Statt eines fulminanten Starts am 23. September begann das Satellitenkonsortium mit einer Art von Beta-Test, an dem 2.000 ausgewählte potentielle Kunden teilnehmen können. Der Grund liege in der Verfeinerung der Leistung und Qualität des Systems. Der Tag der Ankündigung der Verspätung war gut gewählt: Am gleichen Tag verlor Globalstar bei einem mißglückten Start 12 Satelliten (siehe weiter unten).

Die Verspätung soll US-Banker keineswegs überrascht haben, weil Iridium damit vorläufig die Zahlung von beinahe drei Milliarden Dollar an Motorola aufschieben kann. Diese Zahlung ("to operate and maintain the system") wird erst fällig, wenn Iridium in den Regelbetrieb geht. Der soll jetzt am ersten November beginnen.

Es gibt aber auch eine Reihe von objektiven Gründen, warum es für Iridium sinnvoll war, den Start zu verschieben: So ist Kyocera wohl erst gegen Jahresende in der Lage, die neuen Handys in größeren Stückzahlen zu liefern, und ob Motorola die 2.000 Handys für den Beta-Test bereits ausgeliefert hat, war bei Redaktionsschluß noch immer unklar. Bis Jahresende sollen aber auch die Motorola-Geräte in relevanten Stückzahlen geliefert werden.

Politische Probleme

Zwar soll einmal jemand gesagt haben, daß Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, aber genausogut könnte man sagen, daß Politik eine andere Form von Wirtschaft darstellt. Dabei zeigt sich ein ganz wesentliches Akzeptanzproblem in vielen Ländern. Dadurch, daß Iridium ein echtes Satellitennetz darstellt, bleibt dem Land, in dem sich der Iridium-User aufhält, keine Gebühr aus Gesprächen, die über dieses Netz laufen. Dazu kommt - und das ist vielen Ländern wichtig -, daß das Abhören von Iridium-Telephonieren nur an den wenigen Gateways (in Italien, China, USA) möglich ist und nicht im eigenen Land. Zwar hat man sich bei der ITU darauf geeinigt, daß "authorized national authorities" Zugang zu den Verkehrsdaten erhalten sollen, aber das wird vielen Ländern doch zu wenig sein.

Will man sein Handy in ein anderes Land mitzunehmen, müssen die Behörden des jeweiligen Landes damit einverstanden sein. Bei GSM war das relativ einfach zu erreichen. Hatte das Land ein GSM-Netz, dann verdiente es an allen Gesprächen mit, und wollte man am Switch mithören, so konnte man das installieren. Die Mitnahme eines GSM-Handys haben daher praktisch alle Länder ziemlich problemlos akzeptiert.

Für Satelliten-Handys sieht die Sache eben anders aus. Damit man das Gerät mitnehmen darf, muß einerseits das Zielland generell zugestimmt haben, andererseits muß das Handy auch eine von der ITU autorisierte GMPCS-Identifikation tragen. Die Akzeptanz dieser Identifikation bedeutet nur, daß man das Sat-Handy mitnehmen darf. Sie bedeutet noch nicht, daß man es auch benutzen darf. Diese Identifikation hat Iridium für seine Geräte erst Anfang Oktober 1998 erhalten.

Iridium soll nach Angaben des internationalen Fachblattes CWI Anfang September noch nicht einmal Genehmigungen für Frankreich, Portugal und Spanien gehabt haben, während man z.B. in Algerien noch immer die Regierung zu überzeugen versuchte, daß man Personen, die ein Iridium-Handy bei sich führen, weder verhaften noch um ihre Ausrüstung erleichtern sollte.

Globalstar hat es da etwa leichter, weil man eigentlich kein Satellitensystem, sondern ein satellitengestütztes System errichtet. Der feine Unterschied: Globalstar sendet zwar auch vom Handy zum Satelliten, von dort aber nicht zum nächsten Satelliten, sondern sofort wieder zu einer Bodenstation, von wo der Verkehr dann über terrestrische Netze weiterläuft.

Das Globalstar-System

Das Globalstar-System besteht in der Endversion aus 48 LEO-Satelliten (plus acht Reservesatelliten) und einem Netzwerk von Bodenstationen. Von diesen Satelliten waren Anfang September acht im Orbit und spätestens im Herbst 1999 sollten wenigstens 32 Satelliten betriebsbereit sein, um den Dienst auch kommerziell anbieten zu können. Von den Gateways sind fünf bereits fertig, und weitere 20 sind im Bau. Globalstar gab Anfang September an, in 117 Länder Verträge mit Service-Providern zu haben.

Schon am 6. September führte Globalstar anläßlich des "Satel Conseil Symposium" in Paris den ersten echten Telephonanruf über das von Qualcomm und TE.SA.M. entwickelte bzw. vertriebene System vor. Theatralisch standen die Vertreter von TE.SA.M. und Globalstar bei Napoleons Grab am Pariser Marsfeld, um den beim Symposium sitzenden TE.SA.M.-Präsidenten mittels eines Qualcomm-Handsets anzurufen.

Start-Katastrophe

Drei Tage später erlitt Globalstar einen gewaltigen Rückschlag: Bei einem Start mit einer ukrainischen Zenit-2-Rakete im ehemaligen sowjetischen Raumflughafen Baikonur (jetzt Kasachstan) gingen zwölf Satelliten im Wert von 180 Millionen Dollar durch eine Triebwerksfehlfunktion verloren, womit das Konsortium zwar keinen finanziellen Rückschlag erlitt - die Satelliten waren versichert - aber im Zeitplan nun fast hoffnungslos zurückliegt. Außerdem steigen natürlich jetzt die Versicherungsprämien für weitere Starts. Um wieder in den Zeitplan zu kommen will man Starts, die erst im ersten Quartal 1999 vorgesehen waren, schon im November und Dezember 1998 durchführen. Als Träger könnte man dann Soyuz- oder Delta-2-Rakten verwenden, die allerdings nur jeweils vier Satelliten in den Orbit bringen können.

An Satelliten fehlt es Globalstar vorläufig nicht: Noch warten 14 in Baikonur auf den Start, und 16 weitere stehen kurz vor der Endabnahme. Der Rest, der auf die ursprünglich bestellten 64 Trabanten noch fehlt, ist bereits im Bau. Die Nettorechnung sieht also so aus:

8 Satelliten im All
12 Satelliten verloren
14 in Baikonur
16 im Abschlußtest
14 im Bau
64 Satelliten bestellt

Gebraucht werden 48 + 4 (die Reserve kann auch nur vier Satelliten betragen), also 52, und das geht sich mit den noch vorhandenen bzw. im Bau befindlichen Geräten gerade noch aus. Ein weiterer Fehler - und bei vergleichsweisen Iridium-Starts gab es auch nicht nur einen Fehler - und der ursprüngliche Zeitplan ist endgültig Geschichte.

Die Geräte

Handy ist für die bisher präsentierten Geräte für Iridium (und auch für Globalstar) eine schlichte Untertreibung. Tatsächlich sind diese "Handys" schon wegen ihrer Antenne ziemlich unhandlich und brauchen sicherlich einen Handkoffer zum Transport. Kommen werden zunächst nur Geräte von Kyocera und Motorola. Motorola bietet ein All-in-one-Gerät an, das auf den Photos nur deshalb so handlich wirkt, weil die Satellitenantenne am Rücken des Handys zusammengelegt ist. Kyocera bietet demnächst sogar zwei Handys an. Die Split-Variante hat in der "Satelliten-Bodenstation" ein wirklich schnuckeliges GSM-Handy, das man herausnehmen und getrennt - dann allerdings ohne Satellitenkontakt - verwenden kann. Daneben wird es auch von Kyocera ein All-in-one-Gerät geben, das dann allerdings nur für Satellitenverkehr geeignet ist. Der von Motorola zu liefernde Pager wurde von uns ja schon mehrmals vorgestellt.

Die Unbekannten

Während wir gebannt auf das Gigantenduell zwischen Iridium und Globalstar starren, haben andere Betreiber das Rennen um einzelne Marktsegmenete aufgenommen. Ende September teilte etwa die in Virginia sitzenden Firma PSN (Personal Satellite Network), die bisher E-Mails und Faxe unter Verwendung der Orbcomm-Satelliten angeboten hat, mit, daß man erfolgreich E-Mail über Satelliten an TTY-Telephone gesandt hat. Damit können auch behinderte Menschen an der weltweiten Kommunikation teilnehmen.

Schon Ende August hatte Magellan, bisher vor allem als Lieferant von GPS-Handhelds bekannt, ein neues Gerät - ebenfalls ein Handheld - angekündigt, mit dem man E-Mails überall in der Welt senden und empfangen kann. Neben den eigentlichen GPS-Satelliten zur Positionsbestimmung werden die Orbcomm-Satelliten zur Nachrichtenübermittlung benutzt. Das Gerät mit der Bezeichnung GSC 100 soll 1.000 Dollar kosten. Die Aktivierungsgebühr wurde mit US$ 49,95 festgelegt und die monatliche Grundgebühr, die zehn Nachrichten und dreißig Abfragen beinhaltet, US$ 29,95. Darüber hinaus wird ein Cent pro Zeichen verlangt.

Da das Gerät auch ein echtes GPS darstellt, bietet es noch Zusatzleistungen wie z.B. die Speicherung von 200 Fixpunkten, zu der das GSC den Besitzer führen kann.

Noch früher war Globecomm mit der Präsentation eines Gerätes namens Explorer II, das ISDN über Satellit anbieten soll, auf dem Markt. Bereits im August kündigte man die Lieferung per Ende September an. Als Kommunikationsmedium dienen die Inmarsat-Satelliten. Das Inmarsat-B-Telephone wiegt 14 Kilogramm und kann praktisch alles, was man mit einem ISDN-Telephon auch tun kann.

Die noch kleineren Inmarsat-M-Telephone, die kaum größer als ein Notebook sind, sollen hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Preisfragen

Noch gibt es zu den Preisen der Satellitennetze nur Ankündigungen. Der niedrigste Iridium-Minutenpreis, den wir bisher finden konnten, lag unter vier Dollar, der höchste nahe bei zehn Dollar. Tatsächlich handelt es sich hier aber immer nur um Schätzungen oder Hochrechnungen. Tatsächlich würde Iridium damit kaum günstiger als die längst eingeführten Verbindungen über Inmarsat-M sein, die ja auch immer billiger werden. Der wesentliche Vorteil von Iridium gegenüber den bisherigen Systemen liegt derzeit nicht im Gewicht und nur teilweise in den Gebühren. Das Plus liegt wohl eher in der enormen Kapazität des Systems. Die Preisfrage wird sich wohl erst ernsthaft stellen, wenn Globalstar ebenfalls auf dem Markt - und damit ein veritabler Preiskrieg im Weltraum zu erwarten - ist.

Vorläufig heißt es jedenfalls einfach abwarten, wann es denn nun wirklich los geht. Wir werden sehen, ob der 1. November 1998 hält. oder ob wieder verschoben wird.

Franz A. Köttl


Verwendete Abkürzungen

GPSGlobal Positioning System
GMPCSGlobal Mobile Personal Communication per Satellite
ITUInternational Telecommunications Union
LEOLow Earth Orbit
TE.SA.M.TElecommunications par SAtellites Mobile, eine Partnerschaft von France Telecom und Alcatel
TTYTele-TYpewriter, hier ein Schreibtelephon



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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