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Artikel aus Mobile Times 23
Mit einem neuartigen Kunststoff-Film, der Flüssigkristallanzeigen (LCDs) in Elektronikgeräten heller und damit besser lesbar macht, sorgen Werkstoffwissenschafter der ETH Zürich international für Furore. Auch bei ihrer zweiten Entdeckung liegt der Schlüssel zum Erfolg in der speziellen Filmzusammensetzung: Ein photophysikalisches Phänomen soll künftig bei Benützern von LCD-Anzeigen für besseren Durchblick sorgen.
Ohne Digitalanzeigen gäbe es heute die Display-Industrie nicht: LCDs leuchten in Uhren, Handys, auf Tachometern in Fahrzeugen, von den Bildschirmoberflächen in mobilen Computern ganz zu schweigen. Die meisten Digital-Displays sind Flüssigkristallanzeigen (Liquid Crystal Displays - LCDs) und haben einen gravierenden Nachteil: Sie sind oft nicht hell genug. Nur ein Fünftel des benutzten Lichtes erreicht den Betrachter. Der Rest verflüchtigt sich als unerwünschte Wärme und verkürzt so massiv die Betriebsdauer batteriebetriebener Geräte. Forscher des Departements für Werkstoffwissenschaften der ETH Zürich (ETHZ) sorgen mit einem neuen Konzept für Flüssigkristallanzeigen in der Öffentlichkeit und in Industriekreisen für Aufsehen. Sie haben fluoreszierende Kunststoff-Filme entwickelt, welche die lichtschluckenden Elemente in konventionellen LCDs ersetzen und damit zu helleren und effizienteren Vorrichtungen führen können. In Vol. 392, No. 6673, 19. 3. 1998, des renommierten Wissenschaftsmagazins "Nature" gehen sie noch einen Schritt weiter.
Der erste Coup gelang dem ETH-Team unter Leitung von Dr. Christoph Weder aus der Fachgruppe Polymertechnologie mit einem neuartigen Kunststoff-Film, der auf effiziente Weise die Lichtwellen ausrichtet (Polarisation) und ihnen gleichzeitig als Filter die gewünschte Farbe verleiht. Der Film ist eine spezielle Zusammensetzung aus Polyethylen und einem halbleitenden Kunststoff. Das Besondere an den neuen Filmen ist das Herstellungsverfahren. Die Filme werden mechanisch verstreckt. Die Kunststoffmoleküle des Films richten sich so entlang der Zugrichtung aus und lassen nur eine bestimmte Sorte Lichtwellen vorbeiströmen. Die Folge davon: Das vom Film abgestrahlte Fluoreszenzlicht ist stark polarisiert, hat die gewünschte Farbe und kann ohne weitere Verluste in Flüssigkristallanzeigen verwendet werden. Noch nicht beantwortet wurde die Frage, was mit dem restlichen Licht passiert, das durch den Polarisierungsvorgang herausgefiltert wurde. Bisher mußte dieses durch ein kompliziertes Spiegelsystem rezykliert werden - oder es war verloren.
Nun legen die ETH-Forscher auch für dieses Problem eine vielversprechende Lösung vor. Die Idee fanden sie in der Natur: In der Fotosynthese bei Pflanzen läßt sich ein eleganter Energietransferprozesß beobachten: Das Blattgrün fängt das auf die Pflanze eintreffende Licht auf, verändert es aber selbst nicht, sondern transportiert es lediglich zu einem Verarbeitungszentrum, wo chemische Bausteine zum Aufbau der eigentlichen Synthese beitragen. Analog dazu suchten die Materialwissenschafter nach Filmbestandteilen, die einen solchen Lichttransfer ohne Energieverlust erlauben. Bisher bestand der Film aus dem Trägermaterial Polyethylen, dem fluoreszierende Moleküle hinzugefügt wurden. Diese Moleküle sind sehr steif und formen beim Verstrecken des Films die Struktur, die das durchströmende Licht optimal in eine Polarisationsrichtung ausrichtet. Nun enthält der Film einen entscheidenden Zusatz: spezielle Moleküle, die sogenannten "Sensibilisatoren", die zusammen mit den fluoreszierenden Molekülen für einen bahnbrechenden fotophysikalischen Effekt sorgen.
Die nicht ausgerichteten Sensibilisator-Moleküle nehmen das auf den Film eingestrahlte UV-Licht optimal auf, verändern aber nicht dessen Wellenstruktur, sondern übertragen es äußerst effizient zu den ausgerichteten, fluoreszierenden Polymermolekülen. Diese lenken das Licht in eine bestimmte Richtung und strahlen somit stark polarisiertes, farbiges Licht ab. Diesen neu entdeckten Vorgang nennen die Forscher Polarisierender-Energie-Transfer-Effekt. Er verdoppelt die maximal erreichbare Effizienz der bisherigen ETH-Kunststoff-Filme und macht damit auch die besser lesbaren Leuchtanzeigen noch heller. "Wir sind stolz, daß mit unserer Pionierarbeit auf dem Gebiet der fluoreszierenden Leuchtanzeigen ein wichtiger Fortschritt gelungen ist. Zugleich liefert die universitäre Grundlagenforschung eine alternative Lösung zur Leuchtanzeigentechnologie auf elektrolumineszierender Basis, den sogenannten LEDs", stellt Prof. Paul Smith, Leiter der ETH-Fachgruppe Polymertechnologie, fest.
Zur Zeit suchen die Wissenschafter unter anderem nach der Film-Zusammensetzung, die das komplizierte Zusammenspiel von fluoreszierenden Polymermolekülen und den Sensibilisatoren optimiert. Denkbar ist auch eine Synthese, welche die zwei Substanzen zu einem hocheffizienten Polymermolekül kombiniert. Auch die Pixel-Herstellung des Films (das heißt die Unterteilung in kleinste Einheiten für großflächige Leuchtanzeigen) ist ein noch zu lösendes Problem. Schließlich wollen die Forscher den Emissionsfarben wie Rot, Grün und Blau noch mehr Reinheit und Brillanz verleihen, damit diese in einem Vollfarbendisplay wirkungsvoll eingesetzt werden können. "Das Projekt ist noch jung, und wir sind auch noch jung. Die Voraussetzungen nach unserem doppelt gelungenen Start sind sehr gut, sodaß diese Technologie eine Chance hat, auf dem Markt zu bestehen", prognostiziert der Nachwuchsforscher Christoph Weder. Auch hier hat die ETH Zürich vorgesorgt: Sie hat weitreichende Patente auf ihre Grundlagenerkenntnisse angemeldet.
Friedrich W. Klappert
Weitere Informationen:
Dr. Christoph Weder,
Institut für Polymere,
UNO C14,
Universitätstrasse 41, 8092 Zürich,
Tel. 01/632 33 37,
Fax 01/632 11 78,
E-Mail: weder@ifp.mat.ethz.ch
Traditionelle Digitalanzeigen mit Hintergrundbeleuchtung funktionieren so, daß das von der Hintergrund-Beleuchtung erzeugte Licht durch einen Film, den sogenannten Polarisator, gelenkt wird. Dieser polarisiert das Licht, das heißt er läßt nur Lichtwellen mit einer bestimmten Schwingungsrichtung passieren, während entgegenlaufende Wellen herausgefiltert werden. Dabei gehen etwa 60 Prozent des Ausgangslichts verloren. Das vom Polarisator durchgelassene Licht trifft anschließend auf die eigentliche Flüssigkristallzelle, die in Segmente oder "Pixel" unterteilt ist. Zusammen mit dem nachfolgenden Analysator wirkt diese als optischer Schalter. Je nach Schaltzustand eines Segments kann das Licht austreten oder es wird blockiert; durch den Kontrast heller und dunkler Segmente entsteht schließlich das angezeigte "Bild". Oft sind diese Anzeigen noch mit Farbfiltern versehen, die dem ursprünglich weißen Licht die gewünschte Farbe verleihen, dabei aber nochmals 80 Prozent des übriggebliebenen Lichts zurückhalten.
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1998 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |