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Artikel aus Mobile Times 23

Electronic Commerce:

Es wird einmal sein ...

Geisterte vor einiger Zeit der Begriff Multimedia durch die Branche, und wurde vom hoffnungsfroh Erwarteten ein zum Überdruß vernommenes Reizwort, so scheint jetzt "Electronic Commerce" diese Rolle zu übernehmen. Das Geschäft über das Internet wollen alle machen, und keiner tut's.


Bis auf gewisse Spezialgebiete gibt es noch keine wirkliche Geschäftsabwicklung über das Internet. Man kann, statt zum Telephon zu greifen, auch via E-Mail bestellen, und, wenn man gutgläubig ist, auch noch seine Kreditkartennummer mitschicken.

Die Gutgläubigkeit bezieht sich jetzt nicht auf Sicherheitsstandards des Internets, da es ja tatsächlich sehr unwahrscheinlich ist, daß in dem Datengewirr ausgerechnet eine Kreditkartennummer irgendwo aufgeschnappt wird. Attacken sind eher im Netzwerk des Händlers, der Bank etc. zu befürchten. Das hat aber mit dem eigentlichen Kaufvorgang nichts zu tun.

Kein Recht?

Gutgläubig ist man vor allem in bezug auf die Rechtssicherheit des Geschäftsvorgangs. Es gibt noch keine verbindlichen Sicherheiten für den Konsumenten und auch nicht für den Händler. Weder national noch international kann man sich auf sein Recht berufen. So wird in der EU zwar daran gearbeitet, und sobald es die elektronische Signatur gibt, dürfte einer Lösung nichts mehr im Wege stehen, nämlich der Lösung des Problems der eindeutigen Identifizierung der Geschäftspartner.

Denn jetzt sind Sie einem Mißbrauch Ihres Namens völlig hilflos ausgesetzt. Und auch dem Händler erwächst aus solchen Juxgeschäften ein Schaden. Sie können aber auch schwer reklamieren, wenn ein Produkt fehlerhaft ist. Man ist auf das Goodwill des Händlers angewiesen, besonders dann, wenn schon mittels Kreditkarte bezahlt wurde.

Neue Probleme ergeben sich, führt man elektronisches Geld ein, um den Zahlungsverkehr ans Internet anzupassen. Die Visionen klingen gut: Man hätte nun endlich die Möglichkeit, auch kleine Beträge zu kassieren. Kreditkarten werden ja erst ab einigen hundert Schilling akzeptiert. Damit würde die Informationsabfrage im Internet endlich auf eine lebensfähige Basis gestellt.

Konventionell ...

Jetzt muß man ein konventionelles Abonnement bestellen, um einen Reuters-Dienst oder vom Economist Bestimmtes zu erfahren. Diese Internetabos bewegen sich zwischen 30 und 50 US$ pro Jahr. Auch wenn man diese Infodienste nur selten konsumieren will, muß man ein Jahresabo bezahlen.

... statt "Pay per View"

Es wäre schon fein, wenn "Pay per View" Wirklichkeit würde und man eben nur dann ein paar Groschen pro Seite bezahlen muß, wenn man die Infos wirklich braucht.

CyberCash ist eine Marke

An der Lösung dieses Problems arbeiten mehrere Softwarefirmen, die virtuelles Geld namens "CyberCash", "MilliCent", "NetCash" oder "eCash" forcieren wollen. Die holländische Softwarefirma DigiCash ist mit ihrem Projekt "eCash" schon ziemlich weit vorgeprescht. In jedem Land hat sie eine große Bank als Partner gewonnen, so arbeitet sie in Österreich mit der Bank Austria, in der Schweiz mit der Credit Suisse zusammen. DigiCash ist auch in Amerika und Australien aktiv, rechnet sich damit also gute Chancen aus, ihr System durchzusetzen - wenn genügend Händler mitmachen. Aber da gibt es noch viel zu tun.

Kinokarten im Internet

In Österreich ist ein Projekt ziemlich weit gediehen, bei dem Kinokarten über das Internet bestellt und mit eCash bezahlt werden können. Die Abholung an der Kinokasse vor der Vorstellung läuft wie gewohnt.

Aus Australien führte DigiCash ein Projekt vor, bei dem Pferdewetten über das Internet getätigt werden können. Das Glücksspielgewerbe dürfte großes Interesse an diesem zusätzlichen Verkaufsweg haben, nicht ganz die seriöse Referenz, die uns vorgeschwebt ist.

Völlig anonym

E-Cash hat nämlich den Vorteil, ein völlig anonymes Zahlungsmittel zu sein, wie eben echtes Bargeld auch.

Das Bargeld wird vom Girokonto über ein elektronisches Depot auf die Computerfestplatte oder einen mobilen Datenträger wie ein ZIP-Laufwerk geladen.

Jede virtuelle Münze erhält dabei von der Bank eine Signatur vergleichbar mit der Seriennummer auf Geldscheinen. Diese wird beim Zahlungsvorgang in Sekundenschnelle vom Bankserver aus überprüft, und damit ist das virtuelle Geld als echt bestätigt.

Vom Händlerdepot kann das virtuelle Geld wieder in reales Geld auf dem Bankkonto umgewandelt werden. Die Zertifizierung jeder Münze durch die Bank soll Mißbrauch verhindern, zum Beispiel eigenes Generieren von virtuellem Geld.

Zusätzliche Sicherheit verspricht die Gültigkeitsbeschränkung auf ein Jahr, dann muß das virtuelle Geld neu zertifiziert werden. Und da jede Münze eine eigene Signatur hat, verspricht die Bank, daß auch bei einem Festplattencrash das Geld wieder auferstehen kann. Was steht der rasanten Verbreitung von E-Cash also noch im Wege?

Einerseits ist das sicher die Gebührenseite: Momentan ist ja alles noch fast gratis, aber ab 1999 werden für Händler wie für Kunden pro Wechseltransaktion Gebühren fällig, und eine fixe Monatsgebühr ist auch noch vorgesehen.

Diese Politik ist sicher einer Verbreitung nicht sehr förderlich. Andererseits ist auch hier die Gesetzeslage noch völlig offen:

Wie wird zwischen den Banken abgerechnet?

Wer legt die Wechselkurse fest?

Schließlich ist das Internet ja international. Und wie schon festgestellt, international ist noch gar nichts geklärt. Und außerdem gibt es auch andere Zahlungssysteme, die möglicherweise genausogut, wenn nicht günstiger sind.

Smartcardlösungen sind möglicherweise vorzuziehen, weil ja aufbauend auf die Bankomatkarte, die ja jetzt schon als Quick-Card verwendet wird, dieses System schon verbreitet ist. Es stellt sich wahrscheinlich als billiger heraus, sich einen Kartenleser zu kaufen, falls man noch keinen PC mit Lesefunktion besitzt, und so internetfähig zu bezahlen.

Handy statt Geldbörse?

Vorläufig ist noch alles offen, die Vision "Electronic Commerce" steckt noch in der Vorbereitungsphase. Die Auguren rechnen damit, daß in zwei Jahren das Geschäft so richtig losgeht, und man will eben vorbereitet sein. Aber wer weiß, dann gibt es vielleicht schon Handys, deren SIM-Karte so aufgemotzt ist, daß so viele Smartcardfunktionen drauf sind, daß wir gar nichts anderes mehr brauchen. Prepaid-Karte könnte dann einen neue Bedeutung erfahren: Zum Internetshopping genügt dann unser Handy, und bezahlen können wir sofort, denn das Geld liegt auf dem Handy.

Christine Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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