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Artikel aus Mobile Times 23

Nachlese

Ars Electronica '98

Es ist schon eine gute Tradition, daß Siemens-Nixdorf den Prix Ars Electronica mit einer namhaften Summe sponsert, und somit das Linzer Festival in seinem Bestand absichert. Der Prix '98 wurde wieder mit kleinen Veränderungen in den Kategorien ausgeschrieben. Entsprechend der rasanten Technologieentwicklung verändern sich die Sparten. Als wesentlichste Erneuerung kam diesmal eine Sparte für unter 19jährige dazu. Als Freestyler möglichst offen gehalten, wollte man ausloten, welches kreative Potential in Jugendlichen steckt und wie gut ihr technisches Können schon ist. Ein ganz besonders reizvoller Beitrag von drei Wiener Schülern erhielt den Preis in dieser Kategorie: Titanic, ein computeranimierter Stummfilm, der absolute Katastrophenfilm voller Ironie und Witz. Die Projektionswand spiegelt sich in einem Wasserbecher, der Betrachter steht an einer Reling, die Illusionsebenen sind trotz der simplen Mittel vielfältig und anregend. Ein humorvolles Erlebnis der Extraklasse, das den Jugendpreis eindeutig verdient hat.

Dieser Beitrag ist so erfrischend, wenn man die großteils kopflastigen, theorieüberfrachteten Beiträge der erwachsenen Künstler dagegenhält. Es wurden teilweise technisch verblüffende Mittel eingesetzt, ohne erklärende Worte erschließt sich aber kaum das Subtile, Besondere.

In der unendlichen Weite der Relativitätstheorie verliert man sich in einem Filmprojekt der Gruppe tx-transform, wobei Zeit- und Raumachsen vertauscht werden. Jedes Filmbild zeigt den ganzen Raum, aber nur 1/24 Sekunde Zeit. tx-transform dreht das Ganze um: Jeder Filmkader zeigt die gesamte Zeit, aber nur einen Teil des Raumes, das heißt, der linke Teil des Bildes ist vorher, der rechte Teil ist nachher sichtbar. Diese Raumschnitten haben eine Reihe erstaunlicher visueller Effekte zur Folge: Häuser bewegen sich, Köpfe wachsen aus sich selbst heraus, fahrende Züge werden mit zunehmendem Tempo immer kürzer. Eine veränderte Welt für Science-Fiction-Fans.

Der werkstättenartige Charakter des Linzer Festivals zieht Medienkünstler aus aller Welt an. In lockerer Atmosphäre gelingt ein Ideenaustausch und ein internationaler Diskurs. Daß in Linz nun der mittlerweile bedeutendste Treffpunkt für New Media etabliert ist, weiß man zwar in Hollywood, in Österreich hat sich das aber noch nicht herumgesprochen. Die wirklich bedeutenden Dinge lassen wir lieber im Verborgenen blühen ...

Christine Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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