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Artikel aus Mobile Times 24
Wie schon letztes Jahr (Mobile Times 18, Seite 18), haben wir auch heuer auf der HIT den Besuchern die Möglichkeit gegeben, ihr Handy auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Hier lesen Sie die Resultate dieses einzigartigen Massentests.
Jeder hat sich schon einmal die Frage gestellt: Rauscht das Netz, oder ist das Handy schuld? In den meisten Fällen ist es zwar das Netz - aber nicht immer. Denn bei Handys kommen - wie bei jedem anderen Produkt auch - zwei Faktoren zum Tragen: zum einen der Widerspruch von kleinem Preis und hoher Qualität; zum anderen unterliegen Handys genauso wie jedes andere Produkt einem Alterungsprozeß.
Bei der Preisgestaltung kann man sich den Unterschied zwischen einem Gerät um fünfzehntausend und einem um eintausend Schilling schon denken. Natürlich ist ein Teil des Preisunterschiedes auch in unterschiedlichen Gesprächszeiten, Gewichtsdifferenzen und Anzahl der Funktionen enthalten. Aber ein Teil des Preisunterschiedes liegt auch in der Qualitätskontrolle. Ein VW Käfer war deshalb teurer als ein Skoda gleicher Leistungsfähigkeit, weil er eine bessere Qualitätskontrolle hatte und seine Funktionen viel länger ausüben konnte. Ähnlich sieht es bei den Handys aus. Der Unterschied ist, daß elektronische Bausteine weltweit in wenigen Werken hergestellt werden, und daher enthalten auch Handys mit "geringer Qualität" die selben Bausteine. Nur der Zusammenbau und die Endkontrolle waren billiger. Daher kann man auch billige Geräte in sehr guter Qualität finden - man muß nur oft genug umtauschen. Besonders bei Philips scheint es deutlich billiger zu sein umzutauschen, als zu kontrollieren. Es gab oft Besucher, die meinten: "Das ist jetzt das fünfte Fizz, aber das geht ausgezeichnet."
Der zweite Punkt, der die Gesprächsqualiät beeinflußt, ist der Alterungsprozeß. Dieser ist bei elektronischen Bauteilen zwar nicht so spektakulär wie die Abnutzung von mechanisch beanspruchten Teilen, die dann einfach brechen, aber sie findet genauso statt. Am besten kann man das bei den Ergebnissen von Nokia 2110 und Nokia 8110 sehen. Beide Geräte waren letztes Jahr unter den Besten, schnitten heuer allerdings wesentlich schlechter ab - ganz einfach, da die Geräte, die jetzt in Umlauf sind, schon älter und damit abgenutzt sind. In ein paar Jahren wird das wieder anders aussehen. Denn dann werden nur mehr die Geräte vorhanden sein, die sich gut gehalten haben, wie das bei AEG der Fall war. Es gab zwar nur mehr ein Gerät, das den Weg bis zum Test gefunden hat, dieses schnitt aber sehr gut ab.
Gemessen haben wir wie letztes Jahr mit einem GSM-Tester 4103S der Firma Wavetek, der gerade für die Messe zwei wesentliche Vorteile hat: erstens ist es kompakt und leicht transportabel; zweitens kann man direkt einen Drucker anschließen - schließlich möchten die Messebesucher ihr Ergebnis gleich mitnehmen können. Da der Test selbst nur wenige Minuten dauert, für uns optimal.
Der Phasenfehler des GSM-Signals, der die Abweichung des GSM-Synchronsignals in Grad angibt. Dabei werden zwei Werte gemessen: die maximale Abweichung, die höchstens 22,5° betragen darf, und das quadratische Mittel der Phasenabweichung, das maximal 7,5° sein sollte. Wenn der Phasenfehler zu groß ist - also Handy und Sendestation "außer Takt sind" - dann verstehen die beiden einander nicht mehr.
Der Frequenzfehler des GSM-Signals, der die Abweichung des Handys von der Frequenz des ihm zugewiesenen Sendekanals angibt. Dieser Frequenzfehler ist auf 115 Hertz in beide Richtungen festgelegt. Weicht das Handy stärker als dieses Maß von dem zugewiesenen Kanal ab, ist nicht nur die Verbindung zur Basisstation weg, sondern man stört auch andere Handys in derselben Funkzelle.
Die Burst-Länge, die für die Aufteilung der Zeitschlitze wichtig ist. Damit bei GSM mehrere Leute gleichzeitig in einer Funkzelle sprechen können, gibt es mehrere Kanäle. Diese werden weiter unterteilt in Zeitschlitze. Während eines Gespräches werden die Informationen immer in diesen 553 Mikrosekunden langen Zeitschlitzen untergebracht, so daß auf einem Kanal bis zu acht Leute gleichzeitig sprechen können. Die Basisstation verteilt aber die Zeitschlitze und Kanäle regelmäßig neu, weshalb es in Ballungsgebieten dazu kommen kann, daß man mitten aus einem Gespräch rausfliegt, weil kein Zeitschlitz mehr frei ist. Ein anderer Grund könnte aber auch sein, daß das Handy die Länge des Zeitschlitzes nicht einhalten kann - und genau das wird hier gemessen.
Die Empfangsleistung des Gerätes. Diese kann man natürlich nicht direkt messen, ohne das Handy aufzuschrauben. Aber im Betrieb meldet das Handy seine Sendeleistung ständig an die Basisstation. Wenn ich jetzt mit einer genau definierten Leistung an das Handy sende und weiß, welche Dämpfung der Sendeweg hat (normalerweise macht man das mit einem Kabel), dann weiß ich auch, wieviel Leistung beim Handy ankommen sollte, und kann daher sagen, ob seine Rückmeldung in Ordnung ist oder nicht.
Wenn das Handy mehr Leistung meldet, als wirklich vorhanden ist, so hat man den Fall "Warum bekomme ich mit drei Balken kein Netz?", meldet das Handy zuwenig Leistung, so kann es vorkommen, daß das Handy glaubt, es wäre kein Netz vorhanden, obwohl noch ein bißchen Leistung vorhanden ist. Wenn man Glück hat - also das Handy an eine noch brauchbare Leistung glaubt -, so kann man mit nur einem Balken Anzeige tadellose Gespräche führen.
Die Sendeleistung des Gerätes. Diese wird dem Handy in der Praxis von der Basisstation vorgeschrieben. Und zwar richtet sich die Basisstation danach, wie stark das Handy meldet, daß es die Basisstation empfängt. Je schwächer das Handy die Basisstation empfängt, desto stärker muß das Handy senden. Im Test haben wird dem Handy unabhängig von dem, was es meldet, drei unterschiedliche Sendeleistungen vorgeschrieben und gemessen, wie stark das Handy wirklich sendet.
Wenn das Handy schwächer sendet, als es eigentlich sollte, dann versteht die Basisstation das Handy nicht mehr, und man bekommt keine Verbindung. Wenn das Handy zu stark sendet, kann man andere Gespräche stören (was meist nur dann auffällt, wenn jemand anderer das eigene Gespräch stört), und die Akkus werden schneller leer als eigentlich notwendig.
Die Bitfehlerrate. GSM ist ein digitales Signal, wird also in einzelnen Bits übertragen. Bei dieser Messung werden dem Handy einige tausend Bit zugespielt und wieder zurückgeschickt. Man sieht dann, wieviel Prozent davon das Handy richtig oder falsch erkannt hat. Im Idealfall sollte das natürlich null sein, doch erlaubt sind bis zu 0,03 % (oder 0,3 ‰, was etwas strenger ist als beim Autofahren) Fehler bei normaler Sendeleitung, und 2,4 % Fehler bei schlechter Sendeleistung.
Eine zu hohe Bitfehlerrate kann zweierlei bewirken: Wenn Steuerbits verlorengehen, dann kann die Verbindung abbrechen, da das Handy eine Anweisung der Basisstation falsch verstanden hat oder falsche Codes an die Basisstation sendet. Wenn Gesprächsbits verloren gehen, dann rauscht und knackst es, weil ja Teile des Gespräches falsch übermittelt werden.
Auf den Graphiken haben wir den erlaubten Bereich Grün-Gelb schattiert, wobei grün das Optimum wiedergibt und gelb der Rand des erlaubten Bereiches ist, rot ist der verbotene Bereich - was dort liegt, gehört repariert. Die Meßergebnisse sind blaue Balken, wobei der Mittelwert ein dunkler Strich ist. Wichtig ist vor allem, wo der Mittelwert liegt. Die Länge des Balkens gibt die Streuung wieder: Ein kurzer Balken bedeutet, daß alle Geräte ähnliche Meßwerte haben, während ein langer Balken anzeigt, daß es bei diesem Modell sehr gute und sehr schlechte Geräte gibt.
Detailliert ausgewertet wurden nur solche Modelle, bei denen mindestens fünf Geräte getestet wurden, da sonst ein einzelnes defektes Gerät das Bild zu sehr verzerrt hätte. Zusätzlich haben wir noch einen Mittelwert über alle Geräte gebildet.
Bei den Geräten von Ericsson fällt zunächst die etwas höhere Phasenabweichung auf, die allerdings nicht dramatisch ist. Auch noch nicht dramatisch ist die etwas größere Burst-Länge der Modelle 628 und 688 und die zu hoch angegebene Empfangsstärke der Modelle 337, 338 und 788. Uns fiel schon letztes Jahr auf, daß diese Modelle von Ericsson das "Ich habe drei Balken und bekomme keinen Empfang"-Phänomen am öftesten produzieren.
Was allerdings dramatisch ist, ist die Bitfehlerrate der Modelle 628 und 788. Die einfachste Erklärung für das 628 wäre "Billigmodell", was allerdings im Widerspruch zu der sehr guten Sendeleistung steht. Es kann aber auch "Billiglackierung" sein. Denn es gibt immer mehr Handys, die nachträglich bunt lackiert werden. Dabei kann es zu Problemen kommen: So hatten wir ein Nokia 8110, bei dem das Lösungsmittel des Lacks den Akku ruiniert hatte, und ein Ericsson 788, wo der Lack in das Gewinde der Antenne gekommen war und so die etwas hohe Bitfehlerrate bei -102 dBm Sendeleistung erklärt.
Das Motorola 8700 ist - wie schon letztes Jahr - unser Sorgenkind, denn es besticht durch einen sehr guten Analogteil (was man an den guten Werten bei Phasenfehler und Frequenzfehler sieht) aber einen miserablen Digitalteil, was man bei der Bitfehlerrate, die über jedes Maß und Ziel hinausschießt, deutlich bemerkt. Ein gutes Gerät, aber nur bei gutem Empfang; sobald der Empfang schlechter wird, steigt die Fehlerrate inakzeptabel hoch an.
Bei den Geräten von Nokia kann man anhand von fast vier Generationen von Handys den Alterungsprozeß sehr gut sehen. Die neuen 5110 und 6110 bieten sehr schöne Meßwerte. Beim 3110 merkt man an der Bitfehlerrate bei schlechtem Empfang schon erste Alterserscheinungen, während das 8110 diese auch schon bei gutem Empfang zeigt. Das Nokia 2110 dagegen ist bei der Bitfehlerrate noch sehr gut - was aber auch an der ausgereiften Software liegt -, während die Sendeleistung schon sehr stark in die Knie geht. Gerade die Geräte dieser Generation - wie etwa auch das Ericsson 337 - scheinen aber weniger Alterserscheinungen zu zeigen als neuere Geräte. Das liegt wahrscheinlich daran, daß damals die Stückzahlen noch kleiner und die Generationenfolge langsamer waren, und man daher gründlicher entwickeln und testen konnte.
Beim Philips Fizz merkt man am besten, was Massenware mit guten Komponenten bedeutet: Die Mittelwerte liegen meist im grünen Bereich, nur die Streuung ist relativ hoch, da man eben sehr gute und sehr schlechte Geräte vorfindet; einige haben sogar die Kommunikation mit dem Meßgerät überhaupt verweigert. Aber solange kostenloser Umtausch billiger ist als gründliche Qualitätskontrolle, wird sich daran nichts ändern.
Bei Siemens stellte sich während dem Test nur die Frage: Wie universal ist ein universeller Koaxialstecker? Denn wir hatten natürlich auch einen solchen mit dabei, da viele Gerätestecker innen gleich, aber außen unterschiedlich sind, damit man neues Zubehör kaufen muß. Dieser Mini-Koax-Stecker funktionierte beim Sony CMD-1000X und CMD-Z1, aber nicht bei CMD-2000X, und ebenso bei Siemens S4 und S6 aber nicht S10 - vermutlich weil die Steckertiefe unterschiedlich war, und unser Stecker daher keinen richtigen Kontakt bekam. Von den Meßwerten her gibt es bei Siemens eigentlich nur einen Punkt, zu dem man etwas bemerken kann: die angezeigte Empfangsleistung ist etwas zu hoch. Sonst aber ein durch und durch unauffälliges Gerät. Deutsche Gründlichkeit, wie immer ...
Michael Köttl
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |