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Artikel aus Mobile Times 25

Was passiert, wenn etwas passiert

Villepinte, 10 Uhr 57

Man sitzt friedlich im Zug zum Flughafen, in wenigen Minuten wird man einchecken und nach Hause fliegen. Da fragt einer ganz aufgeregt nach dem Weg. Die Hilfsbereitschaft wird teuer ...


Einen Supertest der ungewollten Art haben wir kürzlich in Paris gemacht: Was passiert, wenn im Ausland das Handy weg ist? Welch ein Glück im Unglück: MOBILE TIMES hatte natürlich drei Handys mit - schließlich gibt es in Österreich ja drei Netzbetreiber und man will über alle Netze erreichbar sein - das bekannte Objektivitätsgebot.

Der Tathergang ist leicht erklärt: Der linke Arm ruht auf dem Gepäckstück, die Bahn hält in der letzten Station vor dem Flughafen, die Türen gehen auf. Plötzlich klopft einem rechts jemand auf die Schulter, man dreht sich hin, gibt eine freundliche Antwort - dreht sich zurück und das Gepäckstück ist weg. Man läuft dem Ablenker, der natürlich sofort durch die offene Tür verschwunden ist, nach - aber das nützt natürlich nichts. Große Hilfsbereitschaft beim Schalterbeamten am Bahnhof, dann die lapidare Mitteilung, daß die Polizei nicht daran denkt, wegen einer solchen Lapalie zum Bahnhof zu kommen.

Da beginnt man dann nachzurechnen, was diese Lapalie eigentlich wert ist: drei Handys im Wert von 7.000 bis 9.000 Schilling, ein Psion-Organizer samt Lederetui und Ersatzakkus sowie Batterien, dazu eine durchaus gute Zoom-Kamera und der aufladbare elektrische Rasierapparat. Alleine die gestohlene Elektronik ist samt Zubehör gut und gerne 30.000 Schilling wert. Dazu kommen noch Kleinigkeiten wie Wäsche, Kleidung, Zeitschriften und was halt noch so in einem kleinen Koffer drin ist. Von Kreditkarten, Flugtickets usw. wollen wir hier gar nicht reden. Im Endeffekt bleibt mir das französische Geld und der Reisepaß, weil beides in der Brusttasche steckt - selbst die Kopfdeckung und die Handschuhe sind weg. Wenigstens die getrennte Aufbewahrung bestimmter Dinge hat sich bewährt.

Die Schwierigkeiten beginnen erst

Als erste Aktion muß wohl ein Polizeiprotokoll her. Dazu muß man zu einer Polizeistation, die sich am Pariser Großflughafen Charles de Gaulle natürlich nicht im Passagierbereich, sondern beim Kontrollturm befindet. Irgendwie kommt man da auch hin und versucht jetzt - mein Französisch ist sicher nicht sehr perfekt - auf dem internationalen Großflughafen einer der größten Städte Europas einen Polizisten zu finden, der entweder Englisch oder Deutsch beherrscht. Nach längerem Suchen wird auch einer gefunden, dessen Englischkenntnisse in etwa meinen Französischkenntnissen entsprechen, und in drei verschiedenen Sprachen radebrechend schaffen wir es - nur durch einen Epilepsieanfall eines Schalterbeamten unterbrochen - ein Protokoll zu erstellen.

An einer Verfolgung der Handys hat man kein Interesse. IMEI und ähnliches sind für die Polizei in Frankreich Fremdworte.

Mit dem Protokoll in der Hand kommt man dann - die Irrwege um als Normalbürger vom Kontrollturm wieder in den Normalbereich des Flughafens zurückzukommen zu schildern erspare ich mir hier - zur Air France. Die will für das Ersatzticket rund 600 Schilling, die ich aber nicht bezahlen kann. Kreditkarten etc. sind ja weg. Man erbarmt sich aber sehr bald meiner Probleme und stellt mir tatsächlich ein Ersatzticket aus. Tröstend erzählt man mir, daß am Flughafen Charles de Gaulle und seiner Umgebung derartige Trickdiebstähle an der Tagesordnung sind: Autos werden vor Hotels gestohlen, während das Gepäck ausgeladen wird, Leuten wird die Handtasche geklaut, während sie einchecken usw.

Die Karten sperren

Wie sperrt man Karten aus Paris, wenn man kaum Geld hat? Ein paar Münzen hat man auf jeden Fall und sucht also ein Münztelephon. Das gibt es aber nicht. Es sind ausschließlich Telephone für Kredit- oder Wertkarten vorhanden. Ein Geschäft am Flughafen verkauft auch solche Karten - die billigste kostet 50 Francs, also rund hundert Schilling. Dann ruft man daheim an und teilt mit, daß alles gestohlen ist und man veranlassen möge, daß die Kreditkarten, die SIM-Karten und die Eurocheque-Karten gesperrt werden.

A1 reagiert mit einem Rückruf beim Anrufer und sperrt dann die Handynummer.

max.mobil. sperrt sofort nach dem Anruf.

One verlangt vom Anrufer ein Paßwort, das der in diesem Fall natürlich nicht kennt und auch nicht eruieren kann. Im speziellen Fall konnte das Problem aber mit Hilfe der Pressestelle gelöst werden.

Bei Diners und Visa scheint es keine Probleme mit der Sperre gegeben zu haben und auch nicht bei den Eurochequekarten. Die Banken sperren sicherheitshalber auch gleich die Eurocheques, in Wien weiß man ja nicht, ob die auch gestohlen sind, waren sie zum Glück nicht.

Neue Karten einsammeln

So richtig geht der Tanz aber erst los, wenn man beginnt, die Ersatzkarten ausstellen zu lassen. Bei allen drei Netzbetreibern ist es üblich, daß für eine Sperre eine Gebühr eingehoben wird. Diese Gebühr wird rückerstattet bzw. gutgeschrieben, wenn man eine Diebstahlsmeldung vorlegt.

Die Dame bei der Mobilkom kopierte die französische Meldung und akzeptierte sie, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß sie ja nicht Französisch kann. Die Ausstellung der neuen Karte im Mobilkom-Center Wien dauerte etwa fünfzehn Minuten, benutzbar war sie eine halbe Stunde nach Ausstellung. Bei der nächsten Rechnung wird man mir 253 Schilling für die neue SIM-Karte in Rechnung stellen.

Der Betreuer im max.shop. auf der Kärntner Straße war so schnell, daß die Neu-Ausstellung höchstens fünf Minuten gedauert hat. Er konnte auch sofort Online die Sperrgebühr löschen und gab dann einfach die Diebstahlsmeldung wieder zurück. Keine Kopie erforderlich. Für die neue SIM-Karte wird keine Gebühr eingehoben.

Das Problem kam dann nach dem Einschalten zutage: Zu der Nummer gibt es eine Twin-Card, und mit der neuen Karte ist die alte Twin-Card nicht verlinkt. Das kann nur die max.technik., die mit E-Mail informiert wird und die Neuverlinkung innerhalb 24 Stunden herstellt. Nach drei Tagen - zugegeben, es liegt ein Wochenende dazwischen - zeigt das Handy-Display noch immer die lapidare Meldung "Begrenzter Betrieb". Nach zweimaliger Urgenz funkt dann max. wieder auf allen Kanälen. Aber wie gesagt - das war ein Sonderfall.

Zu One können wir derzeit noch wenig sagen - kein Wunder: Die passenden Dual-Band-Handys sind ja abhanden gekommen. Die Ersatzbeschaffung dauert natürlich ein wenig, und als das Handy mit der neuen SIM-Karte versehen wurde - die alte war noch die "historische" Testkarte, die aus Bequemlichkeit noch nicht ausgetauscht war -, funktionierte das Prozedere wie angekündigt.

Fazit: "Normalfälle" sind bei den "alten" Netzbetreibern offensichtlich kein Problem. Der "neue" kann ja nichts dafür, daß wir kein passendes Handy zur Hand haben. Aber auch das wäre wohl kein Problem: Nach einigen Tagen ruft der Kundendienst von Connect an und bietet ein Ersatzgerät zum gleichen Preis wie bei einer Neuanmeldung. Man hilft also dem Kunden, den Schaden zu begrenzen.

Was wir momentan noch nicht wissen: Wie wirkt sich der Diebstahl tatsächlich auf der nächsten Rechnung aus? Grundsätzlich dürften ja nicht mehr an Gesprächsstunden zu finden sein, als zwischen Diebstahl und Meldung vergangen sind. Wir werden sehen.

Schnelle Kreditkarten

Visa ist sensationell: Innerhalb von 48 Stunden ist die Ersatzkarte im Haus. Ein ungläubiger Anruf bestätigt: Das ist tatsächlich schon die Ersatzkarte, die man sofort verwenden kann. Diners braucht kaum länger: einen Posttag nach Visa ist man auch mit Diners wieder voll im Geschäft.

Lauscher

Jeder, der sich ein wenig mit GSM beschäftigt, weiß, daß man Handys orten kann, daß man sogar Bewegungsprofile erstellen kann - kurz: daß man den Dieb eines Handys eigentlich immer finden könnte - wenn man wollte. Tatsächlich stellt sich heraus, daß die Netzbetreiber und die Polizei (nicht nur in Frankreich!) offensichtlich entweder absolut uninformiert oder - was wahrscheinlicher scheint - absolut uninteressiert sind, diesen Bereich, der ja unter die "Kleinkriminalität" fällt, ernsthaft zu bearbeiten. Man wartet lieber, bis aus Dieben Räuber und aus denen vielleicht auch Totschläger werden. Die "Zero-tolerance-Policy" in New York, die zu einem radikalen Rückgang der Straftaten geführt hat, wird in großen Teilen Europa ja für faschistisch gehalten.

Das Erzwingen der Einhaltung von Gesetzen, die ja - so nehme ich einmal an - von demokratisch legitimierten Parlamenten gemacht wurden, wird als undemokratisch angesehen.

Den Bestohlenen beruhigt es vermutlich sehr, daß sein Handy erst dann abgehört wird, wenn es sich in den Händen eines Schwerkriminellen befindet. Denn - so viel haben wir auf Befragen schon erfahren - bei den Mobilfunkbetreibern tummeln sich täglich bis zu zehn Kriminalbeamte, die - bewaffnet mit richterlichen Abhörverfügungen - Gespräche abhören oder abhören wollen.

Franz A. Köttl

Im nächsten Heft: Wie sehen die Rechnungen aus?


Damit wenig passiert, wenn es doch einmal passiert:


GSM-System-Sicherheit

1. IMEI

Die IMEI ist die "International Mobile Equipment Identity", die für jedes Handy einmalig ist. Sie wird bei jedem Kontakt zwischen Netz und Handy übermittelt und würde die Lokalisierung eines gestohlenen Gerätes ermöglichen.

2. IMSI

Die IMSI ist die "International Mobile Subscriber Identity" - ein ein wenig irreführender Name, denn die IMSI ist eigentlich die einmalige Identitätsnummer der SIM-Karte, die ebenfalls beim Kontakt zwischen Netz und Handy übermittelt wird.




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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