Startseite : Archiv : Heft 25 : Artikel
Artikel aus Mobile Times 25
UMTS hat noch lange nicht gewonnen. Wenn es nach der US-Regierung geht, sollte es überhaupt keinen bindenden internationalen Standard geben. Wenn doch, sollte der natürlich amerikanisch sein. Der Kampf hat sich längst von der technischen Basis entfernt und ist Teil des wirtschaftlichen Streites zwischen den USA und der Europäischen Union geworden.
Das Faktum, daß sich der US-Konzern Qualcomm weigert, wichtige Patente (gegen Bezahlung) den europäischen Konkurrenten zu überlassen, wenn diese sich nicht darauf verstehen, ihren Standard-Vorschlag so abzuändern, daß er mit dem Qualcomm-Vorschlag kompatibel ist, kennen Österreichs MOBILE TIMES-Leser ja schon aus dem letzten Heft. Ebenso ist bekannt, daß bisher Ericsson als einziger europäischer Hersteller einen Akt der Notwehr gesetzt hat und festlegte, daß man dann eben umgekehrt auch keine Patente durch Qualcomm nutzen lassen werde.
Inzwischen ist aber die Aufregung jenseits des großen Teiches noch mehr gewachsen, und man forderte von EU-Kommissar Martin Bangemann eine Klarstellung. Unterschrieben war der Brief von US-Außenminister Madeline Albright, US-Handelsminister William Daley, dem US-Handelsdelegierten Charles Barshefsky und FCC-Boß William Kennard.
Die erste Stellungnahme auf die Antwort kam vom Vorsitzenden der US-Fernmeldebehörde FCC und behauptete nicht mehr und nicht weniger, als daß die Suche nach einem einheitlichen Standard eine Reflexion des ursprünglichen monopolistischen europäischen Telekom-Umfeldes sei und wahrscheinlich dem Wettbewerb schaden wird.
In der Mobiltelephonie spricht man von Generationen, die nicht unbedingt logisch eingeteilt sind: Die erste Generation waren die analogen Mobiltelephone, die zweite Generation sind die digitalen Systeme und die dritte Generation sollen digitale Breitbandsysteme sein.
Während es in der ersten Generation keinen eindeutigen Weltmarktführer gab, hat sich in der zweiten Generation der europäische Standard GSM zum unbestrittenen Leader entwickelt. Der US-Standard cdmaOne, der auf CDMA basiert, kam über die USA fast nicht hinaus und ist auch dort nur einer von mehreren Standards, die eingesetzt werden (außerdem noch GSM, TDMA/D-AMPS und PACS). Flugs erklärte man das verspätetet System mit einigen Adaptionen zu einem System der dritten Generation und schlug es bei der ITU vor.
Neben dem europäischen Angebot UMTS (sowie den damit durchaus kompatiblen japanischen und koreanischen Vorschlägen) und mehreren, auf CDMA basierenden USA-Vorschlägen gibt es noch den Vorschlag der Chinesischen Akademie für Telekom-Wissenschaften (CATT), der den Vorteil hat, die von Qualcomm beanspruchten Patente nicht zu benötigen. Und nur der chinesische Vorschlag scheint bisher allen Ausschreibungsbedingungen der ITU zu entsprechen.
Damit wird das bisher Undenkbare langsam möglich. Siemens hat daraus bereits Konsequenzen gezogen und mit der CATT einen Vertrag abgeschlossen, der gemeinsame Entwicklung und Vermarktung vorsieht.
Noch ist der Evaluierungsprozeß in Genf nicht abgeschlossen, aber man kann im Lichte der letzten Ereignisse sicher damit rechnen, daß der zuständige stellvertretende Generalsekretär der ITU peinlich darauf achten wird, daß alle Vorgaben exakt eingehalten werden - er stammt schließlich aus China.
Die nächste ITU-Sitzung zum Thema findet am 31. März 1999 statt und soll Schlüsselelemente der dritten Mobilfunkgeneration definieren, denn der endgültige Standard soll spätestens am 31. Dezember 1999 festgelegt sein.
Franz A. Köttl
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |