MOBILE TIMES Archiv Startseite : Archiv : Heft 25 : Artikel

Artikel aus Mobile Times 25

Viren einmal anders

Der mobile Zugang zu Datenbanken ist nach wie vor ein Problem. Umgebaute Computerviren können nun statt zu schaden mobilen Menschen helfen.


Computerviren sind der Alptraum jedes Computeranwenders, und einige Firmen verdienen Millionen damit - manche böse Zungen sagen sogar, diese Firmen würden die Viren schreiben. Doch nun gibt es Anwendungen, die sich das Prinzip der selbständigen Programme zunutze machen: die "Mobilen Agenten".

Wenn man einen Virus betrachtet, so kennzeichnen ihn vor allem seine Selbständigkeit, mit der er ohne Benutzereingaben handelt, und seine enorme Mobilität - teilweise sogar über Plattformgrenzen hinweg - und schließlich eine gewisse Intelligenz, mit der er auf äußere Einflüsse reagiert. Was den Viren fehlt, ist die Kooperativität: Sie sind selbstsüchtige Gesellen, deren einzige Ziele die Vermehrung und die Bewirkung von Schaden sind. Das ist der Punkt, in dem sich Agenten von Viren unterscheiden. Ihr Ziel ist Kooperation, nämlich die Ausführung eines Anwenderbefehls.

Mobilität

Die praktischen Anwendungen sind einfach erklärt: Selbständigkeit bedeutet, daß der Anwender bei einer Anfrage an das Netzwerk nicht länger warten muß, bis sein Resultat zurückkommt, sondern seinen Agenten losschickt, und dann etwas anderes machen kann. Das senkt natürlich auch die Belastung des Netzwerks, da der Anwender nicht an einer offenen Leitung steht, sondern die Leitung aufmacht, seinen Agenten losschickt und die Leitung dann wieder freigeben kann. Für den mobilen Anwender bedeutet das, daß er sich unterwegs in sein Firmennetzwerk einwählt, seinen Agenten mit einer Abfrage losschickt und dann die Verbindung wieder lösen kann. Bedenkt man die Kosten einer Telephon- oder GSM-Leitung, die über längere Zeit offen wäre, so ist klar, was für eine Ersparung das bedeutet.

Eine schon im Handel befindliche Anwendung dieses Prinzips sind die "Mobile Agents" von Oracle, die als Mittelglied zwischen mobilem Anwender und Netzwerk fungieren. Die Agenten können entweder im Netzwerk verbleiben und den Außendienstmitarbeiter über bestimmte Änderungen wie zum Beispiel Lagerbestände oder aktualisierte Kundeninformationen informieren, oder aber als Bindeglied fungieren und so die Datenübermittlung sicherer machen. Wenn einmal die Verbindung abreißt, muß man nicht alles noch einmal senden, sondern der Mobile Agent sendet den Rest automatisch, sobald wieder eine Verbindung vorhanden ist.

Intelligenz

Doch Agenten sind nicht nur beweglich, sondern auch intelligent. Daher können sie Informationen nicht nur abfragen, sondern auch filtern. Bei den "Neugents" von Computer Associates repräsentiert jeder Agent ein kleines neuronales Netzwerk, das aus der Beobachtung von Daten selbsttätig lernt. Aus dem Gelernten kann der Neugent dann Prognosen über die zukünftige Marktentwicklung erstellen oder auch deren Anomalien aufzeigen.

Von diesen Softwareagenten gibt es auch eine Variante zum verbesserten Netzwerkmanagement namens "Unicenter TNG Neugents", die - wiederum nach einer Einlernphase - Systemprobleme schon in ihrem Entstehen erkennen können. Der Netzwerkadministrator erspart sich das manuelle Verfassen von Überwachungsrichtlinien und bekommt im Ernstfall alle notwendigen Informationen sofort zugespielt, wodurch sich die Ausfallszeiten verringern, was besonders bei kritischen Systemen ein enormer Vorteil ist.

Intelligente Netze

Seit 1995 die "Mobile Agent Facility" standardisiert wurde, hat sich also schon einiges getan. Doch es wird noch mehr geschehen, denn während es vor zwei Jahren gerade zwanzig Projekte zu dem Thema gab, sind es derzeit schon sechzig - darunter ACT auf europäischer Ebene und MOTIV von Siemens. Ziel ist es, neben dem Bereitstellen und Filtern von Information und der Steuerung und Überwachung von Netzressourcen - was es ja schon auf dem Markt gibt - weitere Anwendungen für Softwareagenten zu finden.

Dabei wird vor allem an die Verbesserung der Telekommunikation gedacht. Dabei denkt man an eine Änderung des Grundschemas, auf dem Kommunikation basiert. Das Grundschema der Telephonie ist Leitungsvermittlung, also das Zuweisen einer freien Leitung von A nach B, ebenso wie GSM auf Zellenvermittlung - der Zuteilung einer Funkzelle für ein Mobiltelephon - basiert, und LAN oder Internet auf Paketvermittlung, dem Transport eines Datenpaketes von A nach B. Das neue Grundschema soll "Aktive Paketvermittlung" sein, bei dem Sprache, Bilder und Daten nicht nur in gleichartigen digitalen Paketen transportiert werden, sondern diese mit Hilfe von Softwareagenten, die über das gesamte Netz verteilt sind, intelligent an ihr Ziel gebracht werden. Denn in Wirklichkeit will man ja nicht mit einer bestimmten Adresse kommunizieren, sondern mit einem bestimmten Menschen, der eben zufällig unter einer Adresse zu erreichen ist.

Michael Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!