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Artikel aus Mobile Times 25
Alle reden von e-commerce, das neue Thema der IT-Welt, um das sich alles dreht. Eine Informationsveranstaltung jagt die andere, aber wird e-commerce ein Geschäft für Industrie, Handel und Gewerbe oder nur ein Geschäft für die IT-Hersteller?
IBM gab Anfang 1998 den Startschuß, und alle Großen und Kleinen machten mit. So konnte auf der Münchner "Systems" im Oktober beobachtet werden, daß das Thema e-commerce locker die stark forcierten Themen Euroumstellung und Jahr-2000-Problematik schlug. Jeder will wissen, wie er sein Geschäft übers Internet machen kann. Die bestellten Prognosen sind optimistisch bis euphorisch. Die warnenden Stimmen tauchen nur vereinzelt auf. Die Möglichkeit, Preisvergleiche weltweit durchführen zu können, könnte den serviceorientierten Klein- und Mittelbetrieben endgültig den Garaus machen. Was dann zählt, ist nur der Verkaufspreis. Beratung gibt es nicht, die Nähe eines Geschäftes spielt keine Rolle, das sogenannte Einkaufserlebnis, bestehend aus angenehmem Ambiente, freundlicher Bedienung und dem Gustieren-können (Probieren!) fällt weg. Wenn die Einkaufsentscheidung nur mehr der Preis bestimmt, werden die Städte bald anders aussehen: keine Geschäfte mehr mit ihren bunten Auslagen, kein Flanieren mehr in Einkaufsstraßen.
Aber noch ist das Internetgeschäft nur Zukunftsmusik. Nur 4,1 % der Österreicher verwenden momentan das Internet, wie Dr. Loisel von der IDC bei einer Präsentation der internationalen Softwarefirma Attachmate erläuterte. Das sind ca. 400.000 User in Österreich. In 10 Jahren werden eine Milliarde Internetuser weltweit erwartet. Für den Electronic-Commerce bedeutet das natürlich eine enorme Zielgruppe. Werden jetzt 17 Milliarden Dollar übers Internet umgesetzt, so glaubt man für das Jahr 2002 an 400 Milliarden Dollar, was aber nur 1 % des Welthandels ausmacht.
Trotz der optimistischen Prognosen diverser Wirtschaftsforschungsinstitute kann man eigentlich noch nicht wirklich von e-commerce sprechen. Zwar wird das Internet für Geschäfte genutzt, aber nur als Alternative zum Telefon, Fax oder Brief. Nur der Übertragungsweg der Bestellung ist ein anderer, der Geschäftsablauf als solcher hat sich nicht verändert. Geliefert wird per Post oder Paketdienst, bezahlt wird üblicherweise per Nachnahme, eventuell Kreditkarte oder über ein dem Lieferanten vorher bekanntes Geschäftskonto. Direktbezahlung übers Internet wird noch auf sich warten lassen. Die Pleite von digicash spricht Bände. Auf die elektronische Signatur warten wir noch immer, das Projekt von Mastercard und anderen, mittels Kartenlesegerät im PC die Zahlung durchzuführen, steckt noch im Probebetrieb.
Bis jetzt kann man nur von positiven Beispielen im Business-to-business-Bereich berichten. So verkaufen die Netzwerkfirma Cisco oder der Computerhersteller Dell erfolgreich im Internet. Bis zu zwei Drittel der Bestellungen kommen elektronisch. Im Massengeschäft sieht die Sache anders aus. Die vielzitierte virtuelle Buchhandlung amazon.com. hat zwar 3,1 Millionen Kunden, aber auch 17 Millionen Dollar Verlust. Gewinn schreibt da höchstens der Paketdienst. Das Internetgeschäft rechnet sich auch für die klassischen Versandhäuser kaum. Von 1000 Besuchern auf der Otto-Versand-Homepage bestellt nur die Hälfte. Karstadt erlebte überhaupt ein Debakel mit seinem ersten Internetauftritt. Die Moral aus der Geschichte lautet aus heutiger Sicht: Für Konsumgüter ist das Internet (noch) nicht.
Spezialisten werden aber mit dem e-commerce ihre Freude haben. Dieses Medium verhilft ihnen auf einfache Weise zu den weltweiten Kundenkontakten, ohne die sie sonst nicht überleben könnten. Und die Software-Branche weiß schon, warum sie e-commerce so forciert: Es ist für sie ein idealer Vertriebsweg.
Christine Köttl
Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003 Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times |