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Artikel aus Mobile Times 26

GPRS & EDGE

Während man bei der ITU noch darum ringt, endlich das Mobilfunksystem der dritten Generation aus der Taufe zu heben, bekommt GSM immer mehr Eigenschaften des gedachten Systems: Breitbandübertragung, Paketvermittlung für Daten usw.


Die Datenübertragungstechniken, die heute verwendet werden, kann man einfach als Paketvermittlung zusammenfassen: Kleine Datenpakete werden unabhängig voneinander über alle möglichen Wege gesandt und am Ziel wieder zur ursprünglichen Nachricht zusammengesetzt. Im Prinzip ist die GSM-Sprachübertragung auch eine paket-orientierte Übertragung, die aber auch Elemente einer Fixleitung hat. Die gegenwärtige Datenübertragungsrate im GSM beträgt die bekannten 9.600 bps. Derzeit werden verschiedene Systeme bereits auf 14.400 bps hochgerüstet, und mit der Einführung der Datenkompression nach V.42 wird sich diese Übertragungsrate noch einmal verdoppeln. Damit ist aber innerhalb der bisherigen GSM-Technik der Gipfel erreicht.

Eine weitere Steigerung der Datenübertragungsrate wird bei einigen Netzbetreibern noch im Laufe dieses Jahres durch die Einführung von HSCSD (High Speed Circuit Switched Data) erreicht, die theoretisch Übertragungsraten von 56 kbps ermöglichen soll. Vermutlich wird man den Kunden eine Datenrate von 38.400 bps anbieten, weil das für die meisten Anwendungen ausreicht. Die nächste Spitze aber wird die Einführung von General Packet Radio Service (GPRS) sein, das Datenraten von über 100 kbps ermöglicht.

Bevor aber GPRS eingeführt wird, dürfte es in einigen Bereichen noch zu einer Zwischenlösung kommen, die als "direct IP access" bezeichnet wird und eine Methode bezeichnet, die dafür sorgt, daß der Ruf bereits beim Netzbetreiber über einen Router zum Internet geführt wird und auf die Benutzung des öffentlichen Telephonnetzes verzichtet wird. Damit wirkt der Netzbetreiber für den Kunden wie ein Internet-Provider, bei dem man sich ja auch einwählen muß.

GPRS wird Übertragungsraten von bis zu 384.000 bps ermöglichen und damit GSM schneller als das derzeitige ISDN-Netz machen, das ja nur 64.000 bps oder 128.000 bps bzw. bei Mitbenutzung des Signalisierungskanals 144.000 bps als oberste Grenze ermöglicht.

Wie GPRS funktioniert

GSM benutzt bekanntlich 200 kHz breite Kanäle, die in acht Zeitschlitze unterteilt sind. Aus diesen physikalischen Grundlagen ergibt sich die begrenzte Übertragunsgeschwindigkeit von 9,6 bzw. 14,4 kbps. GPRS benutzt nun zwar dieselben Kanäle, aber nach einer anderen Methode. Bei Sprachübertragung oder auch der heutigen Datenübertragung bleiben in einem Kanal nach Abzug der für das Übertragungsprotokoll und für die Fehlerkorrektur nötigen Bits noch ungefähr 13 kbps für die Sprache bzw. 14 kbps für Daten übrig. GPRS kann jetzt bis zu acht GSM-Schlitze gleichzeitig benutzen. Eine einfache Rechnung ergibt: 8 × 14,4 = 115,2, also eine Rate von deutlich über 100 kbps.

Technisch läuft das so ab, daß ein GPRS-Ruf von der Base-Station nicht über das Mobile Switching Center (MSC) mit dem Sprachnetz verbunden wird, sondern direkt zu einem "Serving GPRS Support Node", kurz SGSN. Die Aufgabe des SGSN entspricht ungefähr der des MSC für den Sprachverkehr. Darüber hinaus aber kommuniziert der SGSN mit einem GGSN (Gateway GPRS Support Node). Der GGSN steht in direkter Verbindung mit dem Internet, kommuniziert mit X.25-Netzen und auch mit privaten Netzen.

Der Grund, warum GPRS nicht nur das IP (Internet-Protocol), sondern auch X.25 unterstützt, liegt darin, daß gerade in Europa X.25-Netze sehr weit verbreitet sind. Lange vor dem Internet definierte X.25 Kommunikationsprotokolle, die dann die Basis für das damals größte paket-vermittelte Datennetz der Welt bildete. In der heutigen Praxis heißt das, daß jede existierende X.25- oder IP-Anwendung direkt über eine GSM-Verbindung arbeiten kann.

Ein anderer Vorteil von GPRS ist, daß die Verbindung nur einmal aufgebaut werden muß: Wenn keine Daten übertragen werden, fallen auch keine Leitungskosten an. De facto wird das gesamte Mobilnetz zu einem LAN im Internet. Wie die Netzbetreiber aber die Abrechnung durchführen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Möglich wäre eine Abrechnung nach übertragenen Datenmengen, aber auch eine Bandbreitenbereitstellungsgebühr, denn bei der Herstellung der Verbindung gibt man auch die gewünschte Bandbreite bekannt, die von einem Kanal bis eben zu acht Kanälen reichen kann.

Was man zur Nutzung von GPRS braucht, ist natürlich entweder ein GPRS-taugliches Mobiltelephon, das man an einen Laptop oder Handheld anschließt. Die Funktion des Handys kann auch eine PC-Card mit GPRS-Funktion übernehmen - ähnlich den GSM-Karten, die derzeit von Compaq, Ericsson und Nokia angeboten werden. Mobiltelephone mit WAP-Microbrowsern, wie sie auf der heurigen CeBIT vorgestellt wurden, sind natürlich ebenso denkbar wie spezielles GPRS-Equipment.

GPRS dürfte noch heuer wenigstens als Versuchssystem implementiert werden. Zumindest Connect hat hierzulande schon entsprechende Absichten für Herbst angekündigt. Daß die anderen Netzbetreiber kaum zurückstehen werden, darf man als gegeben annehmen.

International hat T-Mobil bereits Lieferverträge über GPRS (mit Alcatel und Ericsson) abgeschlossen, und One2One in Großbritannien steht kurz vor der Vertragsunterzeichnung.

GSM-TV: EDGE

Das Kürzel EDGE steht für "Enhanced Data rate for GSM Evolution" und kündigt eine Technologie an, die es ermöglichen wird, theoretisch Datenraten von bis zu 384 kbps zu erreichen. Im Gegensatz zu GPRS ist allerdings EDGE im Moment noch nicht fertig genormt. Nach dem Zeitplan soll es bis Ende 1999 so weit sein. Der besondere Charme von EDGE liegt auch darin, daß es auf GPRS aufbaut, das nicht nur für GSM-, sondern auch für TDMA-Netze nach IS-136, wie sie AT&T in den USA betreibt, geeignet ist. EDGE wird also auch in beiden Welten zuhause sein.

Die Funktionsfähigkeit der neuen Technologie führte Ericsson bereits mehrfach vor - auch in bewegten Fahrzeugen. Eindrucksvoll war für uns vor allem, wie schnell der Aufbau einer Internet-Seite erfolgt: Wir haben uns das in Stockholm angesehen und verschiedene österreichische Sites aufgerufen, die bestimmt nicht auf einem Proxy-Server in Schweden gelegen sind.

Franz. A. Köttl


Abkürzungen:

bpsBit pro Sekunde
EDGEEnhanced Data rate for GSM Evolution
GGSNGateway GPRS Support Node
GPRSGeneral Packet Radio Service
GSMGlobal System for Mobile communication
HSCSDHigh Speed Circuit Switched Data
IPInternet Protokoll
IS(Amerikanischer) Industrie-Standard
ISDNIntegrated Services Digital Network
ITUInternational Telecommunication Union
kbpsKilobit pro Sekunde
LANLocal Area Network
MSCMobile Switching Center
SGSNServing GPRS Support Node
TDMATime Division Multiple Access
WAPWireless Application Protocol



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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