MOBILE TIMES Archiv Startseite : Archiv : Heft 28 : Artikel

Artikel aus Mobile Times 28

Serie GSM (IV)

Geheimer geht's nicht.

GSM ist nicht nur digital um auf einem Frequenzband möglichst viele Gespräche unterzubringen, sondern auch um die Sicherheit von Gesprächen zu gewährleisten. Schließlich gilt das Briefgeheimnis auch für Telephonate.


In der letzten Folge haben wird die verschiedenen Codecs erörtert, mit denen die Sprache möglichst stark komprimiert wird. Dieses komprimierte Signal wird aber noch nicht ausgesendet. Denn zuvor werden diese Daten noch zwei Rechenschritten unterzogen: der Kanalcodierung, mit der Übertragungsfehler korrigiert werden können, und der Verschlüsselung, die GSM für unbefugte unabhörbar macht.

Wieviel Platz haben wir noch?

Jeder Sendekanal wird in sogenannte Rahmen zu je 20 ms aufgeteilt, die wieder in je acht Zeitschlitze von je 577 µs Dauer unterteilt sind, wodurch pro Kanal acht Telephonate gleichzeitig geführt werden können. GSM ist aber ein digitales Verfahren, also werden die Daten in einzelnen Bits übertragen, von denen jedes 3,692 µs dauert, womit wir auf 156¼ Bits pro Zeitschlitz kommen. Aber auch auf 264 kBit/s Bruttoübertragungsrate unter GSM. Davon steht für einen Teilnehmer nur ein Achtel zur Verfügung also eine Bruttobitrate von 33 kBit/s. Tatsächlich läßt man aber ein wenig Raum, damit sich die einzelnen Gespräche nicht vermischen, und nutzt nur 114 von den 156¼ Bits pro Zeitschlitz, womit sich pro Teilnehmer eine Datenrate von 22,8 kBit/s ergibt. Von den restlichen 42¼ Bits werden 26 für die Synchronisierung verwendet, während der Rest als Puffer freibleibt.

Wozu - könnte man fragen - haben wir uns so bemüht die Sprache zu komprimieren; auf 13 kBit/s für FR und 12,2 kBit/s für EFR? Die Antwort ist die Fehlerkorrektur. Datenübertragung über Kabel verwendet ein Kontrollbit für je acht Datenbits, was aber nur deshalb geht, da Kabel ein relativ störungsfreies Medium ist. GSM aber wird über Funk übertragen, weshalb mehr Korrektur nötig ist. Denn durch Millisekundenlange Funkausfälle, Reflexionen an Gebäuden und anderes können relativ leicht einzelne Bits verlorengehen. Aber das will man als Telephonierer natürlich nicht merken, weshalb eine intensive Fehlerkorrektur stattfindet.

Nehmen wir zum Beispiel FR: nach dem Codec haben wir alle 20 ms einen Block von 260 Bits zu übertragen, aber für unser Gespräch stehen 456 Bits alle 20 ms zur Verfügung, die sich aus den 22,8 kBit/s Datenrate ergeben. Diese 456 Bits werden in 8 Blöcke á 57 Bits zerlegt, die dann in die vorgegebene Struktur der Zeitschlitze hineinpassen. Wie aber kommt man von 260 auf 456 Bits?

Vergrößerung durch Falten

Von den 260 Bits die der Sprachcodec produziert sind nicht alle gleich wichtig. Durch Hörtests hat man festgestellt, daß sich die Bits ein drei Klassen unterteilen lassen: 50 Bits fallen unter Klasse Ia, bei der jedes einzelne Bit unbedingt für das Verstehen nötig ist; 132 Bits fallen unter Klasse Ib, bei der einzelne falsche Bits zwar als sehr störend empfunden werden, aber das Verstehen nicht beeinträchtigt ist; die restlichen 78 Bits schließlich fallen unter Klasse II, bei der einzelne falsche Bits nur bedingt störend sind, wobei das "bedingt" von Dingen wie dem Hintergrundlärm und der Tagesverfassung des Hörenden abhängt.

An die 50 Bits der Klasse Ia wird nun ein CRC von 3 Bit Länge angehängt. Ein CRC ist eine polynomiale Restklasse modulo 2, die sehr rasch berechnet werden kann, und sich mit einzelnen falschen Bits deutlich ändert, wodurch Fehler der 50 empfindlichen Bits leicht festgestellt werden können. Werden die 50 Bits als falsch erkannt, so werden sie verworfen, und durch eine angepaßte Version der 50 Bits aus dem vorherigen Übertragungsrahmen ersetzt. Da der Sprachcodec mit Vorhersagemodellen arbeitet, ist diese Methode relativ zuverlässig. Die dadurch erhaltenen 53 Bits werden zusammen mit den 132 Klasse Ib-Bits und einer 4-Bit langen Ausgleichssequenz gefaltet.

Bei der Faltung werden aus jedem Eingangsbit zwei Ausgangsbit gemacht, wobei die vorhergehenden 4 Bits als Basis für Kombination dienen. Damit ist auch erklärt wofür die 4 Ausgleichsbits nötig sind: das erste Bit hätte ja sonst keine 4 vorhergehenden Bits. Durch diese Faltung erhält man 378 Bits, welche die Information gleichsam doppelt enthalten. Durch den Faltungsmechanismus ist die Information aber über den gesamten Block verteilt, wodurch einzelne Fehlerbits sich von selbst ausgleichen. Daran werden nun die 78 ungeschützten Klasse II-Bits angehängt, wodurch sich die 456 Datenbits ergeben.

Gefunkte Bücher

Die 456 Datenbits werden in acht Blöcke zu je 57 Bits zerlegt, die nun auf die acht Zeitschlitze des Übertragungsrahmens aufgeteilt werden müssen. In jeden Zeitschlitz kommen zwar zwei Blöcke á 57 Bits, aber jedes Sprachmuster wird trotzdem über alle acht Zeitschlitz verteilt, indem in den ersten vier Zeitschlitzen jeweils der erste Block, und in den zweiten acht Zeitschlitzen der zweite Block belegt wird. Dieser Vorgang wird als "interleaving" bezeichnet - ein Ausdruck der aus der Druckereisprache kommt und das durchschießen von Büchern bezeichnet.

Wie weit ist der Weg?

Zur weiteren Korrektur gibt es schließlich noch die 26 Bits für die Synchronisation, die jeweils zwischen den beiden 57 Bit-Datenblöcken eines Zeitschlitzes gesendet werden. Denn das 900 Mhz-GSM-Signal wird an Gebäuden Fahrzeugen und ähnlichem reflektiert. Dadurch treffen beim Handy Signale mit unterschiedlich langen Wegen ein. Nun könnte man zwar sagen, daß das GSM-Signal als Radiowelle ohnehin mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, und daher die kurzen Distanzen auf der Erde kaum eine Rolle spielen - dem ist aber nicht so. Zwar legt das Signal in den 3,692 µs die ein Bit dauert stolze 1106 Meter zurück, und solche Distanzunterschiede kommen bei dem Vergleich von direkten Signalen mit solchen, die mehrfach reflektiert wurden, nur selten zustande. Doch schon viel kleinere Verschiebungen machen Probleme, wenn die unterschiedlichen Signale um einzelne Wellenlängen verschoben sind, oder "außer Phase", wie der Fachmann sagt.

Um herauszufinden, welches der verschiedenen Signale das gewünschte ist, und wie ein Signal durch die unterschiedlichen Wege verändert wird, benötigt man ein bekanntes Signal. Und die 26 Bit lange Synchronisationssequenz ist genau dieses bekannte Signal Hier steht ein immer gleich aussehendes Muster zur Verfügung, an dem sowohl das Handy als auch die Basisstation (die natürlich auch unterschiedlich lang laufende Signale ausgleichen muß) erkennen kann, welches Signal wie weit gelaufen ist, und welche Verschiebung es dabei mitbekommen hat.

Aus den Veränderungen der Synchronisationssequenz wird dann aus den empfangenen Signalen zurückgerechnet wie denn das ursprüngliche Signal ausgesehen hat. Und da dieses Signal in jedem Zeitschlitz gesendet wird, ist auch der Ausgleich bei schnell bewegten Handys - wie zum Beispiel beim Autofahren - möglich. Des weiteren können damit mehrere Signale, in denen womöglich unterschiedliche Bits fehlen sinnvoll zusammengesetzt werden.

Welche Fehler bleiben?

Trotz all dieser Korrekturmechanismen, ist auch das GSM-Signal nicht fehlerfrei, und das Gespräch via Handy nicht fehlerfrei. Und einige dieser Fehler liegen nicht am Netzbetreiber, sondern an der Physik, oder am GSM-Verfahren.

Ein Problem, das oft bemängelt wird ist das "Rauschen". Da GSM digital ist, kann es nicht rauschen, sondern es geht, oder es geht nicht. Hier wird oft das Komfortrauschen mißverstanden. Denn damit man nicht gleich glaubt, daß die Verbindung abgerissen wäre, wenn das Gegenüber nichts sagt, fügt das Handy dem Gespräch automatisch ein gleichförmiges Rauschen hinzu. Daher kann One gar nicht rauschfrei sein, auch wenn sie dies oft behaupten.

Das zweite oft angemerkte Problem ist das Knacken. Dieses kann mehrere Gründe haben. Entweder ist sind so viele der 50 Klasse I Bits verloren gegangen, daß das Handy den vorhergehenden Rahmen wiederholt. Meistens merkt man dies überhaupt nicht, das die Vorhersagealgorithmen des Sprachcodec relativ gut sind. Ist der Unterschied zwischen dem Ende des einen Rahmens und dem vorhergesagten nächsten aber zu groß, so interpretiert das menschliche Ohr diesen Unterschied als Knacken. Gehen bei sechzehn aufeinanderfolgenden Rahmen die 50 Klasse Ia Bits verloren - also nach 320 ms - so wird dies als abgebrochenes Gespräch interpretiert.

Es kann natürlich auch der Fall eintreten, daß bei der Übertragung sowohl ein Sprachbit als auch eines der vielen Kontrollbits so beschädigt werden, daß die Kontrollsummen wieder stimmen, und in der Sprache plötzlich relativ unsinnige Geräusche auftauchen. Auch diese Veränderungen interpretiert das Menschliche Ohr als Knacken, da die einzelnen Sprachmuster mit 20 ms kurz sind, insbesondere gemessen an der minimalen zeitlichen Auflösung des Ohres von 10 ms.

Sind Sie sicher?

Eine Frage die auch oft auftaucht ist die Sicherheit von GSM. Kann man es abhören? Die Antwort liegt in der Verschlüsselung. Denn während die Rechenoperationen von Sprachcodec und Kanalcodierung offen sind, und keine Schlüssel verwenden, gibt es dennoch einen weiteren Rechenschritt in der Signalbearbeitung.

Denn das gefaltete Signal, das in acht 57 Bit Blöcken auf die acht Zeitschlitze des Übertragungsrahmens aufgeteilt wird, wird währenddessen auch noch verschlüsselt. Und während alle anderen Rechenschritte auf die optimale Ausnutzung der Übertragungskapazität und die Korrektur von Übertragungsfehlern hin ausgerichtet sind, dient die Verschlüsselung einem anderen Zweck: der Sicherheit. Denn schließlich gilt das Briefgeheimnis auch für Telephonate.

Der Schlüssel dafür ist 128 Bits lang und ausschließlich auf der SIM-Karte sowie im Computer des Betreibers gespeichert. Wenn man bedenkt, daß häufig verwendete Verschlüsselungsalgorithmen in der Computerindustrie 64-Bit Blöcke und 56-Bit Schlüssel verwenden, und selbst "sichere" Systeme mit 64-Bit Blöcken und 120-Bit Schlüssel operieren, so sieht man, daß die 456-Bit Blöcke unter GSM eine weitaus höhere Sicherheit versprechen, die mit gängigen Computersystemen jahrzehntelange Rechenarbeit erfordert - und so wichtig kann ein Telephonat nicht sein, als daß man diesen Aufwand dafür treiben müßte. Da kann man mit anderen Methoden, wie dem Sitzen neben dem Telephonierenden, viel einfacher zu einem Ergebnis kommen.

Nachdem wir unser Sprachsignal jetzt einer schier endlosen Reihe von Umrechnungen, Komprimierungen, Codierungen und Verschlüsselungen unterzogen haben, haben wir nun endlich ein Signal, das bereit ist vom Handy ausgesendet zu werden. Aber damit das Gespräch auch an die optimale Basisstation und von dort an den gewünschten Teilnehmer weitergeleitet werden kann, muß noch einiges an Kommunikation zwischen dem Handy und der Basisstation erfolgen. Was genau unsere Telephone miteinander plauschen, kommt in der nächsten Folge in Mobile Times 29 (>>).

Michael Köttl


Verwendete Abkürzungen

CRCCyclic Redundancy Code
EFRExtended Full Rate
FRFull Rate
HRHalf Rate



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!