MOBILE TIMES Archiv Startseite : Archiv : Heft 29 : Artikel

Artikel aus Mobile Times 29

Spaceward Ho!

Mobile Kommunikation im entlegensten Winkel der Erde ist seit letztem Jahr Realität. Doch mittlerweile sind auch Mehrwertdienste und Breitbandverbindungen über Satellit möglich. Der Weltraum wird einmal mehr der Wilde Westen des 21ten Jahrhunderts.


Eines der ältesten und am besten entwickelten Satellitensysteme ist Inmarsat. Nachdem im letzten Jahr die dritte Satellitengeneration erfolgreich in den Orbit gebracht wurde - womit sich die maximale Datenrate durch Mobile ISDN auf 64 kbps erhöhte - wurde nun neue Software in das System gespeist, wodurch zusätzliche Dienste möglich werden, die diese Datenrate auch ausnutzen.

Die Grundlage dieser neuen Dienste ist die Implementierung des Internetprotokolls auf Inmarsat, womit neben bisherigen Mail-Anwendungen, nun auch Internetmail ebenso möglich wird, wie der Zugang zum WWW. Ein Paket mit MS Windows 95, MS Internet Explorer, Gratis-E-Mail-Account und Gratis-Internetzugang soll den derzeitigen Inmarsatkunden den Umstieg leichter machen.

Auf Basis des Internetprotokolls lassen sich dann die neuen Dienste aufsetzen: Die Implementation von WAP, die Inmarsat gemeinsam mit Ericsson durchführt; E-Commerce-Anwendungen werden mit PA Consulting realisiert, Videokonferenzen bedienen sich des Systems von Scotty, das ja schon an Inmarsat-M angeschlossen werden konnte, und eine MS Exchange Anbindung wird gemeinsam mit Netverk realisiert.

Paging via Inmarsat

Neu ist auch Inmarsat-D+, ein System das viel kleinere Endgeräte erlaubt als bisher. Denn während die bislang kleinsten Endgeräte die Größe eines Notebooks hatten, sind die neuen Inmarsat-D+ Geräte nur mehr so groß wie ein tragbarer CD-Player. Diese kleinen Geräte haben natürlich auch eine etwas reduzierte Leistung, denn sie können nur SMS mit bis zu 128 Zeichen oder vier verschiedene Alarmsignale übertragen. Sie können aber bis zu 40 Nachrichten speichern - womit auch zusammengesetzt Nachrichten möglich sind - und haben auch integrales GPS.

Die Anwendungen für dieses System sind vielfältig: die Ortung und Verfolgung von Frachtcontainern ist nur eine der möglichen Nutzungen. Doch auch als SMS-Terminal für Feldeinsätze, bei denen das Gewicht der Ausrüstung eine Rolle spielt, oder zur Datenerfassung an entlegenen Anlagen ist Inmarsat-D+ geeignet.

Globalstar ist gestartet

Will man mehr als nur Paging, so gibt es auch dafür etwas Neues, denn Globalstar, der zweite Betreiber eines weltweiten Satellitennetzes für mobile Telephonie, ist am 11. Oktober gestartet. Der Hauptunterschied zwischen Iridium, das ja letzten Herbst den Betrieb aufgenommen hat, und Globalstar ist das erwählte System: während Iridium unter GSM läuft, verwendet Globalstar CDMA - kein Wunder, ist doch einer der beiden Hauptbetreiber Qualcomm, das die Patente und CDMA hält. Auch die angebotenen Dienste sind ähnlich: neben normalen Gespräche ist auch Rufweiterleitung und SMS vorgesehen. Ab 2000 sollen Fax und Datenübertragung dazukommen.

Natürlich hat auch Globalstar - wie jedes Satellitennetz - nicht die Kapazitäten, die ein terrestrisches Netz aufweisen kann, weswegen man für Gebiete in denen es terrestrischen Mobilfunk gibt, auf Roamingabkommen mit den entsprechenden Betreibern zurückgreift - in Österreich sind dies die Mobilkom und max.mobil, die ab 1. November auch mit dem Verkauf der Endgeräte beginnen sollen. Vermutlich wird dies das R290 von Ericsson sein - ein Dualmode-Handy für Satellit und GSM 900, das mit nur 162× 62×39 mm und 350 Gramm deutlich kleiner und leichter ist, als die Iridium-Geräte - aber die große Ausklappantenne für die Kommunikation mit dem Satelliten hat es natürlich auch. Trotz der relativen Kleinheit verfügt es aber über ein eingebautes 9,6 kbps Modem (das derzeit leider nur mit GSM läuft), und gewährleistet im GSM-Modus 5 Stunden Gesprächszeit oder 75 Stunden Standby, und im Satellitenmodus immer noch 1,5 bzw. 6 Stunden - der Satellit ist eben 1414 km entfernt, während die nächste GSM-Basisstation 2 bis 3 km nahe ist.

Ein Problem steht Globalstar aber noch bevor: Iridium hat es im letzten Jahr nicht geschafft genügend Leute zu finden, die außerhalb der Zivilisation telephonieren wollen, und dafür auch noch bezahlen. Ob Globalstar da mehr Glück haben wird, ist derzeit noch fraglich. Außer Frage steht jedoch die Sinnhaftigkeit eines Satellitentelephons, denn nach dem Hurrikan Mitch und dem Lawinenunglück in Galtür war Iridium auch in der Türkei und in Taiwan nach den Erdbeben im vollem Einsatz. Kommunikation und Koordination wenn alle terrestrischen Einrichtungen zerstört sind, kann eben nur ein Satellitennetz liefern. Und um mit diesen Punkt auch noch Kunden zu gewinnen, hat Iridium die Gesprächsgebühren, die ursprünglich bei $ 3 pro Minute lagen um 65% gesenkt, und verzichtet nun auch auf Zeitzonen oder Entfernungszonen. Vielleicht sind sie Globalstar sogar dankbar, daß sie jetzt gestartet sind, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.

Ist Billiger auch Besser?

Ein dritter Bewerber um den Markt der Satellitentelephonie ist das von Boeing, Lockheed Martin und Arianespace unterstützte Ellipso, das - wie der Name schon sagt - mit Satelliten auf elliptischen Bahnen arbeitet. Diese haben - im Unterschied zu den Bahnen von Iridium und Globalstar - keinen fixen Erdabstand, sondern bewegen sich zum Teil auf zirkumpolaren Bahnen in einer Entfernung zwischen 633 und 7605 km, zum Teil auf äquatorialen Bahnen in einer Höhe von 8050 km. Durch diese Spezielle Anordnung benötigt das System weder 66 Satelliten wie Iridium, noch 48 Satelliten wie Globalstar, sondern nur 18 Satelliten, um die gesamte Erdoberfläche abzudecken.

Da auch die Intelligenz und ein Großteil der Elektronik in Bodenstationen steckt, und nicht in den Satelliten, ist das System zwei- bis viermal billiger, als die Konkurrenz, was sich dann in einem geplanten Minutenpreis von $0,35 für Mobiltelephone und $0,08 für fest installierte Anlagen niederschlägt. Zwar ist das verwendete System wie bei Globalstar CDMA, jedoch werden die Geräte größer sein müssen, da ja auch die zu überbrückende Entfernung größer ist. Außerdem geht die Marketingstrategie von Ellipso nicht als Ergänzung zu bestehenden, gutausgebauten Netzen, sondern vor allem in die Länder, die nur ein minimales Mobiltelephonnetz haben. Daher sind die Zielmärkte der ersten Ausbauphase auch die Ukraine und der Maghreb.

Internet statt Fernsehen

Immer mehr Menschen drehen nicht mehr den Fernseher auf, sondern surfen im Internet (oder "Internetz", wie Dr. Kurt Ostbahn so liebevoll sagt). Auch die Betreiber von Fernsehsatelliten stellen sich darauf ein. Astra, der derzeit 77 Millionen Haushalte in Europa mit Satellitenfernsehen versorgt, hat seine neue Satellitengeneration entsprechend ausgestattet, so daß ein interaktiver Betrieb mit hohen Bandbreiten möglich wird. Dabei muß man beachten, daß diese Bandbreiten nur auf den Rückkanal vorhanden sind. Der Hinkanal - also vom Endbenutzer zur Station - läuft zwar beim neuen Astra-System auch über Satellit (womit man sich die Telephongebühren spart), wird aber nicht die selbe Bandbreite haben.

Denn auf dem Hinkanal sind "nur" 144 - 2048 kbps vorgesehen, wobei die reale Datenrate von der Größe der Antennenschüssel abhängt. Warum von der Schüsselgröße? Nun, je größer die Schüssel ist, desto mehr von dem gesendeten Signal kommt tatsächlich beim Satelliten an. Wenn aber weniger Signal verlorengeht, benötigt man auch weniger Kontrollbits, um diese Verluste auszugleichen, womit mehr nutzbare Datenrate anfällt.. Während bei Kabelübertragungen etwa 10% Kontrollbits sind, sind das bei GSM schon 40% und bei Satellitenübertragungen bis zu 90%. "Bis zu", denn dank intelligenter Übertragungsprotokolle wird die Menge an Kontrollbits an die tatsächlichen Verluste angepaßt, womit man auf reale Datenraten zwischen 144 kbps bei einer 65-cm-Schüssel und 2048 kbps bei einer 120-cm-Schüssel kommt.

Der Rückkanal dagegen arbeitet nicht mit dem Internet Protokoll, sondern mit MPEG-2, einem Komprimierungsstandard, der eine Datenrate von 38 Mbps möglich macht. Geplante Anwendungen sind neben einem Internetzugang, der an Geschwindigkeit alles, was man bisher hatte, weit in den Schatten stellt, vor allem firmeninterne Verbindungen verstreuter Zweigstellen, Videovorträge, bei denen im Unterschied zu Videokonferenzen nur auf einer Seite ein bewegtes Bild benötigt wird, Notfalleinrichtungen, und schließlich Nachrichteneinspeisung. Derzeit wird dieses System nur von einem Satelliten über West- und Mitteleuropa bereitgestellt, aber in den nächsten Jahren sollen weitere hinzukommen, womit nicht nur der abgedeckte Bereich auf Osteuropa und Teile des nahen Ostens ausgedehnt wird, sondern auch die Zahl der gleichzeitigen Verbindungen mehr als verdoppelt wird.

Internet statt Telephon

Aus der anderen Richtung kommt Intelsat, eine Firma, die 143 Staaten dieser Erde gehört und seit 30 Jahren weltweite Telephonverbindungen erlaubt. Im Dezember sollen erste Schritte zur Privatisierung gesetzt werden, und Intelsat bereitet sich schon jetzt darauf vor. Denn mit der Zunahme an ozeanischen Glasfaserkabeln sind terrestrische Verbindungen vorhanden, wo man früher nur aufgeben, oder den Satelliten nutzen konnte. Auch gibt es drei Mitbewerber, die jetzt schon ähnliche Dienste wie Intelsat anbieten: PanAmSat/Hughes, ein Teil des Medienimperiums von Howard Hughes, Loral, die außerdem an Globalstar beteiligt sind, und GE Americom, die Weltraumtochter von General Electrics.

Neue Ideen sind also gefragt, will der ehemalige Monopolist überleben. Eine davon ist New Skies Satellites, die 1998 gegründet wurde, um sich Video- und Multimedia-Anwendungen zuzuwenden, wie zum Beispiel Satellitendirektverbindungen für Nachrichtensendungen, oder auch die Abstrahlung von Fernsehprogrammen für Haushalte - ein Markt der in Europa schon 43% des Gesamtumsatzes von Intelsat ausmacht.

Ein weiteres ist IDS (Internet Distribution System), bei dem oft abgefragte Internetinhalte auf einem Warehouse-Server in Kanada gespeichert werden, um dann via Satellit an die lokalen Internetprovider verteilt zu werden, wodurch sich die Downloadzeiten für den Endanwender reduzieren - ein Service das die Swisscom, die deutsche Telekom und auch die Telecom Italia schon aufgegriffen haben, aber noch nicht die Telekom Austria.

Man sieht: Während Intelsat für die Zukunft gerüstet ist, hinkt Österreich leider wieder einmal hinten nach.

Michael Köttl




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
Text © 1999 by Mobile Times; HTML © 2001-2003 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!