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Artikel aus Mobile Times 30

Konvergenz im Zeichen der Dienstleistungen

Das Netz der Netze kommt

Während der Festnetzmarkt heute vor allem durch Preiskämpfe gekennzeichnet ist, zeichnet sich die nächste Schlacht am Telefonmarkt ab: Der Kampf um den Kunden entbrennt nun mit den Waffen der Innovation durch Konvergenz und Mehrwert. Ein Bericht über das kommende Schlaraffenland Telekommunikation.


"Konvergenz ist für den Kunden. Doch der Kunde kennt seine Wünsche zur Zeit noch gar nicht. Konvergenz wird diesen nachkommen und sie damit erst entwickeln", erklärt Dr. Helmut Schönthaler von der UTA. Mögliche Bedürfnisse werden durch das Zusammenwachsen von Festnetz und Mobilfunk geweckt und befriedigt: Der Ruf nach einer einzigen Telefonnummer, die unabhängig von Raum und Zeit existiert, wird ebenso stark sein, wie persönliches Erreichbarkeitsmanagement: Anrufer sollen auf einen integrierten Anrufbeantworter umgeleitet werden können.

Ein einziges, netzübergreifendes Endgerät mit einfacher Nutzung und Bedienung, einfache und bequeme Verkaufsabwicklung und Inbetriebnahme des Services werden gefragt sein.

Wege zur Konvergenz

Zwei Arten von Konvergenz sind in Diskussion: "Fixed Mobile Conversion" (FMC) wird dabei die größte Erfolgswahrscheinlichkeit vorausgesagt. Dipl.-Ing. Christian Stangier von der Deutschen Telekom formuliert das Ziel von FMC: "Sprache ist das Abfallprodukt im Festnetz, die Datenübertragung wird zum Hauptprodukt. Im Mobilfunk wird jedoch die Sprache zum Hauptprodukt." Daher wird FMC auch oft mit "Fixed Minute Capture" erklärt - der Mobilfunk nimmt dem Festnetz Gesprächsminuten weg.

Die zweite Möglichkeit von Konvergenz wird als "Fixed Mobile Substitution" (FMS) bezeichnet. Speziell die hohen Zuwachsraten im Internet- und Multimediabereich sind Wachstumsmotoren für den Mobilfunk. Durch die Hochrüstung der GSM-Netze (mittels HSCSD, GPRS und UMTS) kommt es zu einer uneingeschränkten Mobilität und somit zu einer Verdrängung des Festnetzes.

Da der Mobilfunk nun hohe Datenübertragungsraten und Sprachdienste anbieten kann, sehen die Konsumenten im Besitz eines Festnetzanschlusses keinen Sinn mehr - dieser Trend ist bereits heute etwa in Finnland zu beobachten.

Wollen das die Kunden?

Neben den oben genannten Bedürfnissen, die durch Konvergenz geweckt werden sollen, haben die Kunden bereits heute klare Wünsche. Untersuchungen des vierten deutschen Mobilfunkbetreibers VIAG Interkom haben ergeben, dass 60 Prozent der Telefonierer ihren Festnetzanschluss - bei gleicher Qualität und gleichen Preisen im Mobilnetz - kündigen würden, außerdem 70 Prozent dieselbe Nummer in beiden Netzen bevorzugen und sich darüber hinaus 60 Prozent ein einziges Telefon wünschen.

VIAG Interkom sieht daher eine große Akzeptanz für Konvergenzprodukte, insbesondere aufgrund der hohen Zuwachsraten im Mobilfunk (80 Prozent der deutschen Haushalte werden im Jahr 2001 ein Handy besitzen) und wegen der hohen Kündigungsbereitschaft (30 Prozent der Mobilfunkkunden werden ihren Festnetzanschluss bis 2001 gekündigt haben).

Daher messen internationale Marktforschungsinstitute der Konvergenz große Erfolgschancen bei: Bis 2001 sollen 20 Prozent des TK-Umsatzes mit Konvergenzprodukten erwirtschaftet werden, wobei die Konvergenz in den nächsten vier Jahren in Westeuropa eine Penetration von 23 Prozent erreichen soll. "Wir werden versuchen, uns bei den Wachstumsraten am Mobilfunk zu orientieren.", erklärt Christian Stangier gegenüber Telekommunikations-Special.

Konvergenz heute

Während in Österreich das Thema Konvergenz dem Mobilfunk hinterherhinkt, setzen die Deutschen erfolgreich auf die Konvergenz-Strategie:

VIAG Interkom stellte bereits dieses Jahr auf der CeBIT das Produkt "Genion" (damaliger Arbeitstitel: "Homezone") vor. Es ersetzt das Festnetz (FMS), denn der Kunde verwendet nur noch sein GSM-Handy, ist jedoch nach wie vor auch unter der bekannten Festnetznummer erreichbar, um Anrufer wegen höherer Gesprächskosten nicht abzuschrecken (Der Angerufene bezahlt zwei Schilling als Weiterleitungsgebühr).

Ein einheitliches Tarifsystem, eine Schnittstelle und eine Grundgebühr zeichnen das Produkt darüber hinaus aus. Technisch wird "Genion" durch die intelligente Nutzung der Mobilfunkzellen realisiert: Jeder Kunde kann einen bestimmten Bereich im VIAG-Netz als seine "Home-Zone" festlegen. Innerhalb dieser 300 Meter umfassenden Zone können Gespräche zu günstigen Festnetzpreisen geführt werden, wobei jedoch der Bedienkomfort des GSM-Netzes nicht verloren geht. Unterwegs wird innerhalb des VIAG-Netzes zu GSM-Tarifen gesprochen, wo die eigene Netzversorgung nicht ausreicht, steht das D1-Netz der Deutschen Telekom zur Verfügung.

Ganz im Gegensatz zur Strategie der Deutschen Telekom, die ja in erster Linie ehemaliger Monopolist am Festnetzmarkt ist: Sie setzt mit ihrem neuen Produkt "T-ISDN mobil" auf die Verbindung von Festnetz und Mobilfunk (FMC): Auch hier ist der Kunde unter seiner Festnetznummer überall erreichbar (Es fallen zwischen 3 und 6 Schilling an Weiterleitungsgebühr an). Ein integrierter Anrufbeantworter steht zur Verfügung, der kostenlos abgefragt werden kann, und es werden günstige Tarife für Gespräche innerhalb der Familie oder Firma angeboten.

Technisch basiert das Produkt auf der Verschmelzung von DECT, dem digitalen Standard für Festnetz-Schnurlostelefone, und dem Mobilfunkstandard GSM: Innerhalb der häuslichen DECT-Funkversorgung wird das Gespräch über das Festnetz vermittelt, außerhalb wird dieses per GSM-Netz übermittelt. Das Endgerät, ein Ericsson TH688, funkt in beiden Netzen, wodurch etwa das GSM-Telefonbuch auch im Festnetz verwendet werden kann. Nachteil: Sobald man das Haus verlässt, bricht ein Gespräch, das innerhalb des Hauses begonnen wurde, aufgrund der DECT-Begrenzung von 300 Metern ab.

Bei VIAG Interkom gelten für Gespräche, die innerhalb der "Home-Zone" begonnen wurden, Festnetztarife auch außerhalb dieser Begrenzung - zu Abbrüchen kommt es nicht.

Strategien für Österreich

Diese in Deutschland sehr erfolgreichen Lösungen sind nicht 1:1 auf Österreich übertragbar: Hier sind diese aufwendigen Produkte nicht notwendig, da die Mobilfunktarife bereits größtenteils unter den Festnetztarifen liegen, und sich selbst diese für die Netzbetreiber bereits nahe am Nullsummenspiel befinden.

Deshalb setzen die Telekomanbieter auf andere Strategien: Der dritte Mobilfunkanbieter One und der alternative Netzbetreiber Priority Telecom, der die Gespräche über das Fernsehkabelnetz der Mutterfirma Telekabel weiterleitet, launchten vor kurzem "Take Two". Dieses Produkt ist kein "echtes Konvergenzprodukt", kombiniert jedoch Mobilfunk und Festnetz in einem Paket.

Die einheitliche Nummer bleibt bestehen, jedoch ist der wahre Vorteil gegenüber getrenntem Kauf von beiden Netzen die Ersparnis bei den Grundgebühren: Festnetz und Mobilfunk kosten gleich viel wie ein Festnetzanschluss bei der Telekom Austria.

Auch die Telekom-Tochter Mobilkom blieb nicht untätig und brachte "A1 MultiRing" auf den Markt: Der Kunde kann drei Nummer bestimmen, die automatisch nacheinander angerufen werden sollen, wenn die Hauptnummer (das Handy) nicht erreichbar ist. Nimmt der Kunde das Gespräch am Festnetz entgegen, bezahlt er Weiterleitungsgebühren.

Außerdem bieten die Handybetreiber max.mobil und One auch Festnetz-Services an und ermöglichen so die gemeinsame Abrechnung von Gesprächen über beide Netze. Weitere Anbieter haben für die kommenden Monate neue Konvergenzprodukte angekündigt.

Das Aus für das Kupferkabel?

Ob nun Konvergenz letztendlich das Festnetz überflüssig machen wird, kann schwer beantwortet werden. Die bisherigen Markterfahrungen zeigen jedoch, dass zwar einige wesentliche Trends in diese Richtung weisen, andererseits besonders ehemalige Monopolisten, die ihren "ganzen Reichtum in der Erde haben" und nach wie vor sehr einflussreich sind, entschieden dagegenarbeiten werden. Und das haben auch die alternativen Netzbetreiber erkannt: "Es gibt immer noch Kunden, die der Telekom Austria das Geld hintragen für Services, die woanders weitaus günstiger zu haben sind. Wir von der UTA betrachten daher die Telekom Austria als unseren Hauptkonkurrenten.", formuliert Dr. Schönthaler seine Ziele für die Zukunft und ergänzt, "Die Sprache geht mobil - da ist Österreich ja beispielgebend. Deshalb werden wir in den nächsten Monaten mit einem der vier Mobilfunkanbieter kooperieren." Also Konvergenz ja, Mobilfunk ja - aber keinesfalls ohne Festnetz!

Martin Kotynek-Friedl




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