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Artikel aus Mobile Times 31

Wer wirklich die Macht hat: Marktführer und Marktbeherrscher

Schon wieder verschwindet eine Handymarke vom Markt. Es ist nun sicher, daß Bosch seinen Handybereich an Siemens verkauft. Vor nicht allzulanger Zeit hatte Bosch den dänischen Hersteller Dancall aufgekauft. Da Siemens jetzt viel offensiver am Handymarkt auftritt, braucht es wohl die Fertigungsstraßen von den Boschwerken. So wie Nokia die Fließbänder von AEG Matra für die Erweiterung seiner Kapazitäten gebraucht hat, und AEG damals vom Markt verschwunden ist. Es scheint also richtig zu sein, daß nur die ganz großen Anbieter überleben können. Und selbst das ist nicht so sicher, wenn man von den Problemen bei Ericsson hört, die in der Weltrangliste zwar den dritten Platz halten konnten, aber von 15% auf 12% im Jahr 1999 gefallen sind. Im gleichen Zeitraum stabilisierte Nokia seinen ersten Platz von 23% auf 30% der weltweit verkauften Handys.

Die Potenz großer Markenhersteller wird allerdings relativiert, wenn der Käufer nicht wirklich wählen kann, welches Gerät er bekommt. Wenn nämlich nicht der Händler ein breites Sortiment anbietet und der Kunde Handy und Netzbetreiber frei kombinieren kann, sondern der Netzbetreiber bestimmt, welche Geräte mit seiner SIM-Karte vertrieben werden. Damit erreicht die Vorselektion durch die Netzbetreiber ein bedenkliches Ausmaß. Damit wird bewirkt, daß die Produzenten die Netzbetreiber mit Spezialpreisen hart an der Verlustgrenze und anderen Sonderleistungen umwerben, damit ihre Geräte nur ja genommen werden. Marktanteile sind noch wichtiger als Gewinne, scheint es. Und so steuert der Netzbetreiber den Markt, indem er die berühmten Ein-Schilling-Handys unter das Volk wirft. Der Kunde kauft selbstverständlich die Sonderangebote, auch wenn er eigentlich ein anderes Gerät wollte. Bei diesem Spiel können die Markenhersteller nur verlieren, und mit ihnen der Fachhandel.

Die Abhängigkeit der Handyfirmen von den Netzbetreibern hat sich in Österreich besonders stark entwickelt, da eben nur drei Anbieter über den ganzen Gerätemarkt entscheiden. Außer ihren eigenen Shops haben die Netzbetreiber auch die Kontrolle über Handelsketten erlangt, indem sie dort Anteile erworben haben. Die Situation ist schon so schlimm, daß nicht wenige Hersteller sich freuen dürfen, wenn sie wo ein paar tausend Stück untergebracht haben. Einzig Nokia kann es sich erlauben, selbst über Stückzahlen und Liefertermine zu entscheiden. Die Nachfrage ist eben größer als die Zahl der lieferbaren Handys.

Aber ob den anderen der Befreiungsschlag gelingt, und sie wieder eigenständig am Markt agieren können, und sie sich aus der Geiselhaft der Netzbetreiber befreien können, ist mehr als fraglich. Die Strategie der Netzbetreiber ist es eben nun einmal, den Kunden zu suggerieren, daß das Handy (fast) gratis ist, zu zahlen sind nur möglichst viele Gesprächs- und Grundgebühren. Also: "Nimm die Handys, die ich Dir aussuche, andere bekommst Du sowieso nicht!"

Ihre
Christine Köttl




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