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Artikel aus Mobile Times 32

Serie Mobile Datenübertragung (III)

Mehr Speed am Datenhighway

Was bedeutet eigentlich Datenübertragung? Was kann man damit machen? Und vor allem: Wie geht das denn nun? Diese Fragen wollen wir versuchen in unserer Serie zu beantworten.


In der letzten Folge (>>) haben wir das Übertragungsprotokoll WAP geschildert. Doch WAP ist nur ein Protokoll das über dem eigentlichen Übertragungsweg liegt. Der eigentliche Übertragungsweg ist SMS, USSD, CSD oder GPRS. Von diesen wäre GPRS am schnellsten - wäre deshalb, weil es noch nicht implementiert worden ist. Was aber implementiert worden ist, ist eine Weiterentwicklung von CSD oder GSM-Daten unter dem Namen HSCSD.

Mehr Tempo durch neue Kodierung

Der Trick, der verwendet wird, um mit HSCSD schnellere Datenübertragung zu verwirklichen, ist im Grunde genommen relativ simpel. Denn bei GSM steht zwar für jeden Anwender eine Übertragungsrate von 22,8 kBit/s zur Verfügung, aber davon werden aber bei Datenübertragung nur 9,6 kBit/s genutzt - der Rest wird für Fehlerkorrekturbits verbraucht, damit die Daten auch komplett und sicher ankommen.

Jedoch werden bei Sprachübertragung (also dem normalen Telephonieren und eigentlichen Zweck von GSM) schon seit Beginn des GSM-Standards 13 kBit/s verwendet, was leicht dadurch erklärt wird, daß das menschliche Ohr Fehler verzeiht, die bei Datenübertragung unverzeihlich sind. Was liegt also näher, als auch für Datenübertragung mehr von den maximal möglichen 22,8 kBit/s zu verwenden?

Durch eine neue Kodierung der Daten mit den Kontrollbits kann bei HSCSD die effektive Datenrate von 9,6 kBit/s auf 14,4 kBit/s gesteigert werden. Das verringert naturgemäß die Menge an verfügbaren Kontrollbits, was dann dazu führt, daß die maximale Entfernung von der Basisstation schrumpft. Denn je weiter man von der Basisstation entfernt ist, desto mehr Bits gehen bei der Übertragung verloren, und desto mehr von den Kontrollbits werden tatsächlich genutzt um diese Übertragungsfehler auszugleichen. Wenn man nun über weniger Kontrollbits verfügt, dann kann man auch weniger Fehler ausgleichen, und man muß schon in geringerer Entfernung zur Basisstation einen Abbruch der Verbindung zur Kenntnis nehmen.

Ich bin viele

Normalerweise hat man bei GSM pro Teilnehmer einen Zeitschlitz zur Verfügung. Da jeder Kanal in acht sich wiederholende Zeitschlitze unterteilt wird, können gleichzeitig acht Personen pro Kanal telephonieren oder Daten übertragen. Bei HSCSD kann aber ein Teilnehmer mehrere Zeitschlitze in Anspruch nehmen, so als ob er mehrere Personen wäre. Dadurch steigert sich die tatsächliche Datenrate, die man zur Verfügung hat, auf Werte wie sie bisher nur im Festnetz vorkamen.

In der Praxis wird man natürlich nicht jedem Teilnehmer die maximal mögliche Zahl von Zeitschlitzen zuordnen, da ja dadurch die Zahl an Teilnehmern pro Funkzelle absinkt. Man wird also jedem Teilnehmer je nach Bedarf und je nach Auslastung des Netzes einen oder mehrere Zeitschlitze zuordnen. Und das Schöne dabei ist, daß diese Zuordnung auch mit dem alten Kodierungsschema für 9,6 kBit/s funktioniert, was auch in funktechnisch schwierigen Gegenden wie Gebirgen, wo man jedes einzelne Fehlerkorrekturbit benötigt wie einen Bissen Brot, hohe Datenraten möglich macht.

Asymmetrisch oder symmetrisch?

In der Fernsehwerbung hört man in letzter Zeit immer wieder von ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line), was soviel wie "Asymmetrische Digitale Teilnehmer Leitung" bedeutet. Was eine Leitung zu einem Teilnehmer ist, ist ja logisch, und auch "Digital" ist einsichtig; was aber bedeutet das "Asymmetrisch"?

Nun, asymmetrische Übertragung bedeutet, daß man in einer Übertragungsrichtung mehr Kapazität zur Verfügung hat als in der anderen Richtung. Ein Beispiel wo das sinnvoll wäre, ist zum Beispiel das Surfen im Internet, wo man nur kleine Datenmengen vom eigenen Computer an die jeweiligen Webseiten schickt (nämlich die Anfragen diese Seite zu schicken), während in der Gegenrichtung von der Website zum eigenen Computer große Datenmengen unterwegs sind - nämlich der Inhalt der Webseiten. Für HSCSD bedeutet das etwa, daß man einen Zeitschlitz für die Verbindung vom Handy zum Internet bereitstellt, aber drei Zeitschlitze für die Verbindung vom Internet zum Handy. 1+3 ist dabei auch die Grenze heutiger HSCSD-fähiger Handys. Zukünftige Geräte mit simultaner Empfangs- und Sendemöglichkeit können bis zu 2+5 nutzen. Derzeit ist ausschließlich die Nokia Datacard 2.0 auf dem Markt erhältlich.

HSCSD kann aber auch symmetrischen Betrieb durchführen, wobei dann für die Verbindung vom Handy zur Basisstation gleich viele Zeitschlitze zur Verfügung gestellt werden wie bei der Übertragung von der Basisstation zum Handy. Diese Art des Betriebes ist nicht nur beim eigentlichen Telephonieren üblich, sondern auch beim Lesen und Senden von E-Mails oder zukünftigen Bildtelephonen. Schon mit heutigen Handys kann man hier 1+1 oder 2+2 nutzen, und die nächste Generation verspricht die Nutzung von drei bis fünf Zeitschlitzen.

Durchsichtig oder Undurchsichtig?

Im Jargon der Techniker heißt das dann natürlich "Transparent" und "Non-Transparent" und bedeutet, wie schnell die Daten unterwegs sind. Das sollte man jetzt nicht mit der Datenübertragungsrate verwechseln, die ja schon angibt, wie schnell die Daten unterwegs sind, denn eine durchschnittliche Datenrate ist nicht das selbe wie die Datenrate zu jedem beliebigen Zeitpunkt.

Wenn man eine Datei aus dem Internet holt, dann kann man manchmal mitschauen, wie sich die aktuelle Datenübertragungsrate laufend verändert - mal schneller und mal langsamer - was aber alles nichts macht, solange die Gesamtübertragungsrate unseren Erwartungen entspricht. Diese Art der Geschwindigkeitskontrolle nennt man non-transparent. Das Netzwerk stellt hier eine zusätzliche Fehlerkorrektur zur Verfügung, hat dann aber natürlich keine Ressourcen mehr um die Übertragungsgeschwindigkeit zu kontrollieren, was dann eben zu einer variablen Datenrate und einer variablen Verzögerung führt.

Beim Surfen und Mailen via HSCSD wird man diesen Übertragungsmodus anwenden, da hier wie im Festnetz nur die Gesamtgeschwindigkeit interessant ist, und man lieber zusätzliche Kontrollmechanismen hat, um die Korrektur einzelner Fehlerbits sicherzustellen.

Wenn man aber telephoniert, dann muß die Datenrate zu jedem Zeitpunkt gleich sein, denn sonst hat man eine halbe Minute Stille, und in der nächsten halben Minute Gespräch mit doppelter Geschwindigkeit - und das ist natürlich unbrauchbar.

Daher verwendet man bei transparenter Datenübertragung die Ressourcen des Netzwerks nicht für zusätzliche Fehlerkorrektur, sondern zur exakten Kontrolle der Datenübertragungsrate zu jedem Zeitpunkt, um eine konstante Datenrate und eine konstante Verzögerung zu erzielen. Diesen Übertragungsmodus wird man bei Bildtelephonie mittels HSCSD anwenden, denn das menschliche Ohr kann über einzelne fehlende Töne hinweghören, und auch das Auge über einzelne nur Bruchteile von Sekunden dauernde Fehlpunkte im Bild leicht hinwegsehen. Eine variable Gesprächsgeschwindigkeit ist aber nicht im Bereich dessen was die menschlichen Sinnesorgane ausgleichen können.

Welche Anwendungen sollen kommen?

HSCSD bietet eine unkomprimierte Datenrate von bis zu 57,6 kBit/s, was sechsmal schneller als der im Moment vorhandene Datendienst CSD ist. Das bietet neben der Möglichkeit viele Dinge, die man jetzt schon kann, schneller und damit billiger zu machen, auch neue Möglichkeiten - die Chance Dinge zu tun für die GSM bis jetzt nicht schnell genug war, was insbesondere Datendienste betrifft, die in Echtzeit ablaufen sollen.

Zunächst einmal verwendet HSCSD die eine Protokollierung, die eine Weiterentwicklung von CSD ist. Daher können alle Anwendungen, die schon bisher für GSM entwickelt wurden, auch weiterhin verwendet werden - nur schneller.

Festnetz unterwegs

Die maximalen Datenübertragungsraten von HSCSD sind mit den Geschwindigkeiten von Festnetzanschlüssen vergleichbar. Daher können sie auch alle Dinge leisten, die bisher nur ein Festnetzanschluß leisten konnte: E-Mail und Internetzugang mit vernünftigen Geschwindigkeiten und damit zu erträglichen Kosten - auch wenn man unterwegs ist. Auch der Zugang zum firmeneigenen LAN, von jedem Punkt der Erde aus, der schon mit GSM versorgt ist, wird mit einer Geschwindigkeit möglich, bei der viele Festnetzmodems nicht mehr mithalten können.

Doch die größte Stärke von HSCSD liegt in neuen Anwendungen, die von den höheren Datenübertragungsraten vollen Nutzen machen. Insbesondere die Übertragung von Bildern auf das Handy ist die große Zukunftshoffnung, für die viele Anwendungen erdacht werden. Eine davon ist Fernsehen am Handy als Alternative zu Schlagzeilen via SMS. Doch mit der selben Technik kann man auch die Bilder von Alarmkameras auf das Handy übertragen, damit man immer weiß was los ist, egal wo man gerade ist.

Hat man schließlich zwei Handys, die neben einem Bildschirm auch noch eine Kamera haben, so kann man sich gegenseitig bewegte Bilder zuspielen, was man dann am besten als Bildtelephonie bezeichnet. Wenn man dann nur schwarz sieht, weiß man, daß der Gesprächspartner gerade nicht präsentabel ist.

Und - um den Bogen zum Anfang zu schließen - auch als Trägermedium von WAP ist HSCSD schneller als jede andere derzeit verfügbare Variante - egal ob SMS oder GSM-Daten.

Und wenn wir schon bei der Verfügbarkeit sind:

Wann kommt HSCSD?

Schon seit Anfang 1999 führen Firmen wie Nokia die ersten Netzwerkinstallationen durch um vorhandene GSM-Netze auf HSCSD-Tauglichkeit aufzurüsten. Zur gleichen Zeit begannen auch die Tests für die ersten HSCSD-fähigen Handys zu laufen, die gegen Ende 1999 auf den Markt kamen. Seit Anfang März kann man mit ONE bzw. i-ONE und einer Nokia Datacard schon ganz regulär dabei sein.

Und das Schönste dabei ist: man muß als Kunde nichts neu erlernen, denn HSCSD ist von der Benutzung her nichts anderes als CSD - also die altgewohnten Daten via GSM - nur schneller.

Michael Köttl


TESTLAUF:

Von ONE wurde uns zu Testzwecken eine Nokia Datacard 2.0 und die passende SIM-Karte - die muß nämlich auch wissen, worum es geht - zur Verfügung gestellt. Die ersten Versuche verliefen vielversprechend: die theoretischen Vorteile von HSCSD (hohe Geschwindigkeit) zeigten sich ebenso wie die Nachteile (Abbruch, wo sonst ein Gespräch problemlos möglich ist).

In der Praxis fällt auch auf, was man vielleicht in der ersten Euphorie nicht bedenkt: HSCSD funktioniert natürlich nur in Netzen, die es installiert haben. Sonst landet man wieder bei den altbekannten 9,6 kbps. In Deutschland etwa gibt es High-Speed derzeit nur bei E-Plus. Will man also HSCSD auch im Ausland nutzen, dann sollte man beim Einbuchen unbedingt beachten, in welches Netz man einsteigt. Dann ist man als Österreicher derzeit mit ONE am schnellsten mobil am Datenhighway unterwegs.


Mögliche Datenraten

Zahl der benutzen ZeitschlitzeMaximale Datenrate
mit alter Kodierungmit neuer Kodierung
1 Schlitz9,6 kBit/s14,4 kBit/s
2 Schlitze19,2 kBit/s28,8 kBit/s
3 Schlitze28,8 kBit/s43,2 kBit/s
4 Schlitze38,4 kBit/s57,6 kBit/s
5 Schlitze48,0 kBit/s72,0 kBit/s

Abkürzungen

ADSLAsymmetric Digital Subscriber Line
CSDCircuit Switched Data
GPRSGeneral Packet Radio Service
GSMGlobal System for Mobile Communication
HSCSDHigh Speed Circuit Switched Data
SMSShort Message Service
USSDUnstructured Supplementary Services Data
WAPWireless Application Protocol



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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