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Artikel aus Mobile Times 32

Vom U-Boot zum Handy:

Handy-Stadt Flensburg

Flensburg, eine kleine Grenzstadt in Norddeutschland, beinahe verloren an der Ostsee, gerade noch nicht in Dänemark liegend, historisch für manche dadurch belastet, daß dort die letzte Regierung des Dritten Reiches ihren Sitz gehabt hat, ist einer der wichtigsten Handyproduktionsorte Europas.


In Mürwik, einem Ortsteil von Flensburg, befindet sich noch heute das Backstein-Gebäude, das während des zweiten Weltkriegs als Hauptquartier der deutschen U-Boot-Flotte gedient hat. Und wie es heute aussieht - jede Menge Antennen, Marinewache etc. - hat es wahrscheinlich schon wieder die gleiche Aufgabe. Weil 1945 Admiral Dönitz, der Kommandant der U-Boote, plötzlich Chef der Reste des Dritten Reiches wurde, machte er gleich seinen bisherigen Kommandoposten in Flensburg zum Regierungssitz So weit zur Vergangenheit von Flensburg.

Nicht sehr weit von diesem Haus entfernt befindet sich ein anderer Gebäudekomplex, der schon von der Architektur her in eine andere Zeit gehört: Ein Kindergarten, Sporträume mit Trainer und eine Fahne mit dem Motorola-Zeichen signalisieren etwas zukunftsträchtiges: ein Handy-Werk. So eingeschmiegt in die Landschaft, daß man fast meinen könnte, einen etwas großen Bungalow vor sich zu haben, obwohl die Hauptgebäude mehr als zwei Etagen haben.

Flensburg als Standort wurde wohl weder wegen seiner historischen Vergangenheit, noch wegen seiner logistischen Vorteile gewählt - ein Seehafen in der Nähe ist bei Elektronikprodukten heute kaum mehr ein Vorteil -, sondern wohl wegen der EU-Förderung für wirtschaftlich benachteiligte Gebiete, wie wir es auch letztes Jahr bei der Eröffnung des neuen Bosch-Werkes an der Nordspitze Dänemarks in Prenderup erlebt haben.

Produziert wird in Flensburg die gesamte Palette der Motorola-GSM-Handys und jede der Produktionsstraßen - wir haben in zwei Stockwerken insgesamt zwölf solcher Straßen gezählt, offizielle Angaben gab es aber keine - ist relativ leicht auf einen anderen Typ umzurüsten. Von den winzigen Handys der v-Serie bis zu den aktuellen Produkten der Timeport-Serie kommen alle Motorola-Handys, die es bei uns gibt, aus Flensburg.

Tag und Nacht in Betrieb

Seit Oktober 1998 laufen die zwölf Bänder und am 1. November 1999 stieg man auf Produktion "Round-the-clock" um. Ein gemeinsam mit den Mitarbeitern erarbeitetes Modell macht es möglich: Ein Angestellter arbeitet von 6.00 bis 18.00 durch. Ein zweiter von 18.00 bis 6.00 Uhr. Nach zwei 12-Stunden-Tagen haben beide zwei Tage frei. Dann folgen drei 12-Stunden-Tage und drei freie Tage. Nach zehn Tagen beginnt das Rad wieder von vorne. Natürlich ist die dortige (evangelische) Kirche nicht glücklich und der Schleswiger Bischof Knuth hat sich auch entsprechend geäußert. Aber für momentan 1.500 Menschen, die bei Motorola in Flensburg arbeiten, sieht die Sache wohl völlig anders aus.

Über zehn Millionen Handys

Durch diese Vollauslastung der Bänder hofft man, heuer die Produktion auf über zehn Millionen Stück steigern zu können. Über die Gesamtkapazität hält man sich bedeckt, doch dürfte sie - nach Zusammensetzen eines Puzzles von mehreren Informanten - bei über zwölf Millionen Stück liegen. Eine gute Basis für die erstrebte Vergrößerung des Marktanteiles in Europa. Nur zum Vergleich: die beiden Handy-Werke der auch nicht gerade kleinen Philips in Les Mans und in Singapur, haben im letzten Jahr zusammen insgesamt neun Millionen Handys produziert.

Kleiner Tip am Rande:

Flensburg kann als Urlaubsziel durchaus interessant sein, denn die Altstadt ist noch sehr hübsch. Die Nähe zu Dänemark - die Grenze läuft fast schon durch die Stadt, ein Teil der Einwohner spricht dänisch als erste Sprache, die dänischen Mobilfunknetze sind oft stärker als die deutschen zu empfangen - läßt es auch als Standort für Ausflüge in das südskandinavische Königreich durchaus geeignet erscheinen. Nach Süden ist es nicht weit nach Schleswig mit den Überresten von Haithabu, der einstigen großen Wikingerstadt und im Osten findet man Schloß Glücksburg, den Stammsitz des dänischen Königshauses.

In Flensburg selbst empfiehlt es sich - neben dem Flensburger Bier - auch einmal "Nordsee-Krabben" auf Schwarzbrot zu essen. In der Fußgängerzone gibt es einige kleine nette Lokale mit durchaus moderaten Preisen, wo man dieses "einheimische" Gericht bekommen kann.

Franz A. Köttl




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