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Artikel aus Mobile Times 32

Internetzugang immer dabei

Europa gilt zunehmend als Tummelplatz der Trendsetter im Mobilfunk. Jedenfalls dürfte hier der weltweit erste Markt sein, auf dem man ab 2002 das Haus nicht mehr ohne ein Handy der dritten Generation (3G) und weitere Internet-fähige Geräte verläßt.


Eine wesentliche Voraussetzung für ein Handy der dritten Generation (3G) und weitere Internet-fähige Geräte ist der General Packet Radio Service (GPRS). Von diesem Datendienst für GSM-Netze verspricht man sich revolutionäre Verbesserungen bei der mobilen Datenübertragung, da es erstmals möglich werden soll, ständig online zu sein und dabei Daten weit schneller als bisher senden und empfangen zu können.

Die wichtigsten Neuerungen des GPRS bestehen darin, dass er paketorientiert arbeitet, die Übertragungsgeschwindigkeit von 9600 bzw. 14400 bit/s auf über 100 kbit/s erhöht und den Einwählvorgang überflüssig macht, indem auch Laptops Internet-fähig werden. Die Breitbandfähigkeit würde radikale Veränderungen für mobile Internetsurfer mit sich bringen. Derzeit setzt der mobile Zugang zum Internet noch einen mit Handy verbundenen Laptop voraus, auch wenn man mit einigen Handys schon heute auf Low-Tech-Basis und mit niedrigen Zugangsgeschwindigkeiten ins Netz kommt.

Dabei soll GPRS die über digitale GSM-Mobilfunknetze verfügbaren Datendienste wie die leitungsvermittelte Datenübertragung oder den Short Message Service ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Auch werden damit in punkto Datenfähigkeit die Voraussetzungen bereitgestellt, die in 3G-Mobilfunknetzen in den nächsten Jahren voraussichtlich nachgefragt werden. Warum aber soll man sich für GPRS entscheiden, wenn die Einführung von EDGE, WAP and UMTS unmittelbar bevorsteht?

EDGE soll das Routen von Hochgeschwindigkeitsdaten in das jeweilige Netz effizienter machen und die Leistung und Übertragungsgeschwindigkeit von GPRS in Weitverkehrsnetzen (WANs) auf bis zu 384 kbit/s steigern. Eine Inbetriebnahme soll in den nächsten zwei Jahren erfolgen. GPRS könnte auch zur Kanalisierung von Verkehr nach dem Wireless Applications Protocol (WAP) dienen.

Das Wireless Application Protocol ist eine offene globale Spezifikation. Mobilfunknutzer mit Funkgeräten erhalten hierdurch einen einfachen interaktiven Zugang zu Online-Informationen und Diensten. Mit Hilfe von WAP können Mobilfunkgeräte rasch auf Webseiten zugreifen, die explizit für Mobiltelephone und mobile Endgeräte erstellt wurden, wobei auf dem Display des Mobiltelephons die Daten in optimierter Form dargestellt werden. Das WAP-Protokoll wird von den Herstellern bereits in Prototypen eingebaut. Im April kommen vermehrt WAP-Telephone in den Handel, nennenswert sind hier auch C35 und S35 von Siemens.

Für den nach Bandbreite lechzenden Web-Freak dürfte besonders interessant sein, dass in der weiteren Netzentwicklung GPRS zur Verwirklichung dieser Technologien einen notwendigen nächsten Schritt darstellt. Neben der heute auf mobilen Netzen verfügbaren typischen leitungsvermittelten GSM-Datenkommunikation, ist GPRS (General Packet Radio System) der Paketdatendienst der Zukunft und eine Erweiterung der WAP-basierten Dienste. Diensteanbieter mit einem ausgeprägtem Wunsch nach weiteren Mehrwertdiensten erhalten mit GPRS Investitionssicherheit, da GSM-Systemelemente bei der Integration von GSM- und UMTS-Basisstationen weiterhin verwendet werden und die beiden Netze auf gemeinsame Übertragungstechnik- und Netzmanagement-Ressourcen zugreifen können.

Ein perfekter Brückenschlag

Mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 115 kbit/s sind von GPRS in der Tat wesentliche Performance-Steigerungen bei Anwendungen wie Message-Übermittlung und Internet-Zugang zu erwarten. Noch wichtiger ist allerdings, dass sich GPRS als der beste Migrationspfad zu den dringend erhofften Geschwindigkeiten der 3G-Mobilfunktechnik im 2-Mbit/s-Bereich erweisen könnte, mit deren Realisierung in fünf Jahren vielfach gerechnet wird. Eigenen Aussagen zufolge sind die Betreiber des Global System for Mobile Communication (GSM), insbesondere in Europa, an einer Einführung mobiler Datendienste stark interessiert, da bei lukrativen Geschäftskunden ihrer Ansicht nach eine erhebliche Nachfrage nach einer Aufrüstung von deren langsamen Datenübertragungslösungen über Mobilfunk besteht. Ein etwaiger Verzicht auf GPRS wäre nach Auffassung der Mobilfunkbetreiber außerdem mit einem gewissen Risiko verbunden.

Ohne GPRS könnten weder die begehrten High-End-Kunden noch Know-how bei Billing oder Support im Mobildatenbereich gewonnen werden. Daher engagieren sich Betreiber weltweit für GPRS, sei es in Tests oder Pilot-Diensten.

Erste Anwendungen von GPRS

Die zunehmende Nachfrage nach mobilen Internet-basierten Diensten schafft auch die Notwendigkeit für höhere Geschwindigkeit im Mobilnetz. Durch den Einsatz von paketorientierten Datenübertragungstechnologien wie GPRS (General Packet Radio Service) können wesentlich höhere Datenraten als in herkömmlichen GSM-Netzen erzielt werden.

Die von Siemens anlässlich des GSM World Congress vorgestellte GPRS-Lösung basiert auf einer skalierbaren und massgeschneiderten ATM-Plattform. Mobile Internet Access (MIA) und schnelles mobiles Durchsuchen des Internets mit GPRS wurde anhand einer neuen Klasse von Base Transceiver Stations - den E(nhanced)-Micro BTS demonstriert.

Bislang wurde Siemens bereits von Mobilnetzbetreibern in Deutschland, Schweden, Polen, den Niederlanden, Thailand und Tschechien für die kommerzielle Implementierung der GPRS-Netztechnologie beauftragt. Darüber hinaus führt Siemens über zehn erfolgreiche Netzversuche mit unterschiedlichen Betreibern in Nordamerika, Asien, Afrika und Europa durch.

So dürfte der internationale Markt GPRS denn auch schneller als amerikanische Anbieter bereitstellen. Analysen zufolge sollen sich bis 2003 über 200 Millionen Teilnehmer in Europa mit einem Mobilgerät Daten aus dem Internet holen. Dies entspricht über 85% aller Handy-Besitzer. Außerdem werden nach Auffassung von Beobachtern nach 2001 keine Geräte mehr ausgeliefert, die nicht mit Hilfe eines Mikrobrowsers Internet-fähig sind.

Der Umsatz auf dem europäischen Markt für den Internet-Handel über Mobilfunk (M-Commerce) dürfte von 323 Millionen Dollar im Jahr 1998 auf 23,6 Milliarden Dollar im Jahr 2003 steigen. Dabei sollen in Italien im Bereich M-Commerce die höchsten Umsätze generiert werden (4,8 Mrd. Dollar), gefolgt von Deutschland (4,1 Mrd. Dollar) und Großbritannien (3,4 Mrd. Dollar).

Das Geld liegt auf der Straße

Sobald man die Marketing-Power des Mobilfunks voll erkannt hat, so eine Durchlander-Analyse, dürfte die Werbung beim M-Commerce der Hauptumsatzträger werden (5,4 Mrd. Dollar). Finanzdienstleistungen wie mobiles Online-Brokerage, mobile Zahlungsabwicklung und mobiles Online-Banking sollen mit 4,9 Mrd. Dollar zur zweitgrößten Umsatzquelle werden. Der Umsatz beim mobilen Shopping (Bestellungen, Reservierungen, Auktionen usw.) soll 3,5 Mrd. Dollar erreichen. Damit würde im Jahr 2003 ein Anteil von 60% am M-Commerce in Europa erreicht. Die verbleibenden 40% dürften auf Anwendungen wie Business-to-Business, Service, Entertainment und Sicherheit entfallen.

Anwendungen allerorten

GPRS eröffnet durch seine naturgemäße Symbiose mit dem Internet dem Benutzer auch mehr Freizeitmöglichkeiten wie die Beteiligung an Chat-Groups. Die "Informationsintensität", d.h. der mit jeder Nachricht übermittelte Informationsumfang, ist beim Chatten eher niedrig, da hier hauptsächlich Meinungen kundgetan und weniger Daten übertragen werden.

Ähnlich wie sich Chat-Groups im Internet als überaus beliebte Internetanwendung herausgestellt haben, nutzen immer mehr Gleichgesinnte - so genannte Communities of Interest - mobile Nonvoice-Dienste als Mittel zum Chatten und Kommunizieren. So können Handy-Benutzer mittlerweile Content aller Art abrufen, von Aktienkursen, Sportergebnissen, Wettermeldungen, Fluginformationen und Schlagzeilen bis hin zu Lottozahlen, Witzen, Horoskopen und Staumeldungen.

Visuelles vervollständigt das Bild

Diese Informationen müssen jedoch keineswegs nur aus Text bestehen. Es dürfen auch Karten oder Graphiken oder sonstige visuelle Informationen sein. Andere Möglichkeiten sind auf dem Laptop-Bildschirm angezeigte Standbilder wie Photos, Zeichnungen, Postkarten, Grußkarten und Präsentationen oder auch statische Webseiten. Mit GPRS wird es auch möglich sein, mit Hilfe einer an ein GPRS-Funkgerät angeschlossenen digitalen Kamera Bilder direkt ins Internet einzustellen und so Desktop Publishing nahezu in Echtzeit zu erzielen. Bewegtbilder eröffnen noch mehr Möglichkeiten. So können damit Tiefgaragen oder Baustellen überwacht oder Patientenbilder vom Rettungsfahrzeug in die Klinik übertragen werden.

Eine weitere denkbare Nutzung für Bewegtbilder sind Videokonferenz-Anwendungen, bei denen beispielsweise dezentral eingesetzte Außendienstmitarbeiter an einem normalen Meeting des Vertriebs teilnehmen können, ohne einen bestimmten Ort tatsächlich aufsuchen zu müssen. Längerfristig sind auch Multimedia-Anwendungen mit Sprache, Text, Photos und Graphiken vorstellbar. Derartige Anwendungen könnten für Katastrophenschutz- oder militärische Übungen eingesetzt werden, beispielsweise in der Brandbekämpfung oder Angriffsplanung, aber auch in den Bereichen Medizin, Werbe-Druckvorlagenerstellung, Architektur und Journalismus.

Durch die Bereitstellung ausreichender Bandbreiten ermöglicht GPRS auch Multimedia-Anwendungen wie Document Sharing. Des Weiteren können mobile Nonvoice-Dienste zur Erteilung und Kommunizierung von Aufträgen vom Unternehmensstandort an den Außendienst genutzt werden. Dabei kann man mit GSM-Nonvoice-Diensten jedoch nicht nur den betreffenden Auftrag vergeben, sondern auch den jeweiligen Servicetechniker oder Vertriebsmitarbeiter auf dem Laufenden halten. Noch einen Schritt weiter geht die Koordinierung von GPRS mit Satelliten-Positionierungssystemen, die zur Standortbestimmung mit Hilfe von mobilen Nonvoice-Diensten eingesetzt werden.

Wer einen Empfänger für das Global Positioning System (GPS) hat, kann sich über Satellit seine Positionsdaten senden lassen und damit seinen Standort feststellen. Mit Fahrzeugpositionierungsanwendungen kann man Fahrzeug-Ferndiagnosen vornehmen und gestohlene Fahrzeuge verfolgen.

Ähnliche Überwachungsmaßnahmen lassen sich auch für das eigene Zuhause realisieren. So wird das GPRS-fähige Handy allmählich immer mehr zu einer Fernbedienung wie schon heute bei Fernseher, Videorekorder oder Stereoanlage. Mit der demnächst zu erwartenden Omnipräsenz des Internet Protocol (IP) - wegen GPRS nicht nur in Handys, sondern auch in Haushaltsgeräten und Maschinen aller Art - können diese Geräte gezielt angesprochen und gesteuert werden. Für die Verwirklichung von Heimautomatisierungsanwendungen entscheidend wird Bluetooth sein, womit unterschiedlichste Geräte interoperabel werden.

Die Sicht des Betreibers

Bei GPRS wird eine Luftschnittstelle auf Paketbasis über das bestehende leitungsvermittelte GSM-Netz gelegt. Damit kann der Benutzer einen paketbasierenden Datendienst in Anspruch nehmen. Eine derartige Ergänzung einer leitungsvermittelten Netzarchitektur stellt eine ganz wesentliche Verbesserung dar. Trotzdem benötigt der Netzbetreiber für GPRS lediglich einige zusätzliche Infrastrukturknoten und Software-Upgrades in bestehenden Netzelementen.

Ein weiteres Merkmal der Paketvermittlung ist, daß GPRS-Funkressourcen nur in Anspruch genommen werden, wenn die Benutzer auch tatsächlich Daten versenden oder empfangen. Statt einen Funkkanal für einen bestimmten Zeitraum einem Benutzer fest zuzuordnen, kann die verfügbare Funkressource auf mehrere Benutzer aufgeteilt werden. Mit dieser effizienten Ausnutzung knapper Funkressourcen ergibt sich die Möglichkeit, daß eine große Zahl von GPRS-Benutzern die gleiche Bandbreite gemeinsam nutzen und dabei von einer einzigen Zelle versorgt werden. Die tatsächlich unterstützte Zahl der Benutzer hängt von der jeweiligen Anwendung und dem übertragenen Datenvolumen ab.

Wegen der Spektrumseffizienz von GPRS muß weniger Redundanzkapazität für Hauptverkehrszeiten vorgesehen werden. GPRS dürfte die Hauptverkehrskapazität eines GSM-Netzes erhöhen, weil gleichzeitig knappe Funkressourcen durch virtuelle Konnektivität effizienter zugewiesen werden, bisher leitungsvermittelt übertragener Datenverkehr zu GPRS migriert und die Belastung von SMS-Vermittlungsstellen und Steuerkanälen durch Verlagerung von bisher mit SMS abgewickeltem Verkehr zu GPRS mit Hilfe des durch die GPRS-Standards unterstützten GPRS/SMS-Interconnects gesenkt wird.

Sandra Guy & Andrew A. Beutmueller
Siemens AG


Abkürzungen

BSSBase Station Subsystem
GPRSGeneral Packet Radio Service
GSNGPRS Switching Node
HLRHome Location Register
IPInternet Protocol
ISPIndependent Service Provider bzw. Internet Service Provider
PLMNPublic Land Mobile Network
VPNVirtual Private Network



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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