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Artikel aus Mobile Times 35

In den Kloaken von Paris

Glasfaserkabel und mehr

Was im vorigen Jahrhundert in Infrastruktur geplant wurde, kann heute noch Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes haben. Darum sei es gestattet, darauf hinzuweisen, daß uns das, was heute versäumt wird, auch in hundert Jahren noch nachhängen wird. Bei der Stadterweiterung hat man jedenfalls die Lehren aus Paris noch nicht gezogen.


Die Planung der Abwasserkanäle im Paris des vorigen Jahrhunderts erweist sich im Zeitalter der Telekommunikation - und in der des Massenverkehrs - als enormer Vorteil. Können doch neue Leitungen in den großen Gewölben einfach an die Wand gehängt werden, kein Aufgraben ist nötig, weder zur Neuverlegung noch zur Reparatur. Daß die Trinkwasserleitungen, Stromleitungen, Rohrpost usw. auch noch Platz finden, verwundert da kaum noch.

Breitband macht mobil

Mobilfunk ohne Kabel ist nicht wirklich in der heutigen Größenordnung möglich, weil ja die Funkstationen irgendwie an das Netz angebunden werden müssen. Richtfunkstrecken sind zwar eine Alternative, aber von der praktischen Anwendung her unterscheidet sich eine Richtfunkverbindung nicht vom Kabel. Beides sind Punkt-zu-Punkt-Verbindungen.

Für die Breitbandfunknetze der Zukunft (Stichwort UMTS) braucht man natürlich erst recht breitbandige Kabelverbindungen, auch wenn man wohl die im Abstand von ca. 300 m zu errichtenden UMTS-Basisstationen teilweise über Richtfunk verbinden wird. In Paris wird das sicher kein Problem sein - legt man halt noch ein paar Kabel in den Kanal.

Kabel für das Internet

Klar, daß auch die neuen alternativen Netzbetreiber diese Möglichkeit nutzen. Die "City Of London Telecom", wohl besser unter dem Kürzel COLT bzw. Colt Telecom bekannt, nutzt die Möglichkeiten, die das Pariser Kanalnetz bietet, sehr intensiv. Ein Grund ist sicher auch, daß Colt immer mehr im Internet-Backbone-Bereich und im Internet-Service tätig wird.

Colt in Frankreich macht heute 25 - 30 % des Umsatzes mit dem Internet. In Paris startete man im vierten Quartal 1996, der Normalbetrieb begann dann im Juli 1997 und bereits im ersten (Rumpf-)Jahr erreichte man einen Umsatz von vier Millionen Francs. 1998 kam man auf 175 Millionen, 1999 auf 470 Millionen und für 2000 erwartet man einen Umsatz von über einer Milliarde Francs.

Internet-Gastgeber

Wie Claude Olier, Managing Director France, berichtete, hat Colt Frankreich momentan etwa 1.000 Großkunden und 3.500 Kunden aus dem Mittelstand.Tätig ist man in den vier Städten Lille, Marseille, Paris und Straßburg. Insgesamt sind in Frankreich momentan 550 Gebäude an Colt angeschlossen. Bis Jahresende soll im Zuge der Liberalisierung aus Colt Frankreich ein vollwertiger Telekom-Anbieter mit allen Diensten werden.

Olier wies vor allem darauf hin, daß sich die meisten Konkurrenten auf Long-Distance konzentrieren und dabei den Local Loop übersehen. "Dann müssen sie eben zu Colt kommen, wenn sie nicht zur Post gehen wollen".

Colt will auch Internet-Company sein. Dazu gibt es einen entsprechenden Expansionplan, der auch vor Österreich nicht halt macht. In Frankreich sind bereits Firmen wie Nestle, Compaq, caramail, Universal Studios und Xerox Kunden bei Colt.

Internet-Center

In Paris gibt es bereits mehrere Center, in denen vom Web-Hosting aufwärts alle Internetdienstleistungen angeboten werden. In Wien entsteht nun mit 7.000 m² derzeit eines der größten Colt-Internet-Zentren: 2.000 Racks werden in diesem neuen Center Platz finden. Colt sieht sich damit als ersten Full-Service-Anbieter., der gezielt drei Marktsegmente ansprechen will: 1. sogenannte dot.coms; 2. Corporate Markets und 3. ISPs

Das eigentliche Hosting beginnt etwa ab 20.000 Schilling je Monat und bietet ein Höchstmaß an Ausfallssicherheit. Auch Bandbreite ist kein Problem, denn der Kunde kann seine Bandbreite "dynamisch Aufdrehen."

Bisher hat Colt in Österreich rund 200 Millionen Schilling investiert. Schon jetzt werden hierzulande 60 Mitarbeiter beschäftigt. Gegen Jahresende sollen es schon etwa 100 Leute sein, die für die Colt-Kunden arbeiten.

Das Glasfasernetz wird sich bis dahin auf etwa sechzig Kilometer erweitert haben. Schon derzeit setzen rund 150 Businesskunden in Österreich auf Colt. Das Unternehmen konzentriert sich derzeit allerdings auf Wien und gibt (noch?) nicht bekannt, in welche Städte man expandieren wird.

Die rund 140 Gebäude, die in Österreich bereits angeschlossen sind, nehmen sich im Vergleich zu den 550 in Frankreich im ersten Moment sehr bescheiden aus, wenn man aber die Einwohnerzahlen vergleicht, dann liegt Colt in Österreich deutlich besser. Ob das an der weiter fortgeschrittenen Liberalisierung hierzulande oder an einem besseren Colt-Team liegt, wurde natürlich nicht diskutiert.

Diskret sind sie jedenfalls die österreichischen Colt-Männer. Außer der Österreichischen Kontrollbank - diedamit aber einverstanden ist - entschlüpfte ihnen kein Kundenname. Dafür dürfen sich Banken jetzt bereits über XETRA-Leitungen mit bis zu einem Gigabyte Bandbreite freuen.

fak


Musicalstoff und Museum

Als Victor Hugo 1862 seine "Les Misérables" schrieb, aus denen mehr als 100 Jahre später ein weltweit erfolgreiches Musical wurde, siedelte er einen wesentlichen Teil der Handlung in der Pariser Unterwelt an. Die Entstehung dieser unterirdischen Stadt geht auf Napoleon III und die Stadterweiterung ab 1850 unter dem Baron Haussmann zurück. Für das heutige Gesamtkonzept des dualen Netzes für trinkbares und nicht trinkbares Wasser war der Ingenieur Eugen Belgrand verantwortlich, der diese Ideen zum Teil aus London mitbrachte. Schon 1878 hatte das Netz eine Länge von 600 km erreicht. Heute umfaßt das Pariser Kanalnetz 2.100 km Galerien, in denen die beiden Wasserversorgungsnetze (trinkbar und nicht trinkbar), Druckluftleitungen, Telephonkabel und die Rohrpost Platz finden. Die Hauptaufgabe wird natürlich auch erledigt: Täglich werden alleine 1,2 Millionen Kubikmeter Abwasser abgeleitet.

Dieses Kanalnetz verfügt auch über ein eigenes Museum, das von Samstag bis Mittwoch zwischen 11.00 und 17.00 besichtigt werden kann.. Außer drei Wochen im Jänner ist es das ganze Jahr über geöffnet. Der Eingang befindet sich an der Alma-Brücke auf dem linken Ufer an der Ecke Quai d'Orsay und Place de la Resistance.

Nach dem Besuch dieses Museums kann man sich vorstellen, daß einst wirklich Menschen in dieser "Unterwelt" gelebt haben können.

MT




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