Mobile Times Artikel aus Mobile Times 1
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Auch im Haus ohne Schnur

Die Schnurlostelefonie ist ein faszinierendes Gebiet für Anwender und Hersteller.
Wie sich das Schnurlostelefon - speziell in Österreich - entwickelte lesen Sie im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie.


Als Ende der siebziger Jahre die ersten schnurlosen Telefone (in den USA legal, in Europa illegal) auf den Markt kamen, glaubte noch niemand so recht an den enormen Durchbruch dieser Geräte.
    Doch eine Bestandsaufnahme zeigt heute eindeutig, daß hier eine Marktlücke gefunden wurde, weil ein Kundenbedürfnis befriedigt wird: 15 % der Haushalte in den USA, knapp 10 % der Telefonhauptanschlüsse in Österreich sind heute mit schnurlosen Telefone ausgerüstet - Tendenz nach wie vor steigend. Wenn zur Jahrtausendwende nach Studienberichten 50 Millionen Europäer drahtlos kommunizieren, so haben die heutigen Standards bis dahin bereits ausgedient.
    Ständig neue technische Lösungen, eine Produktgeneration jagt die nächste, ermöglichen es, die laufend steigenden Bedürfnisse der Menschen nach noch mehr Mobilität zu befriedigen. So ist die fünfte analoge und erste digitale Generation dieser Geräte in Österreich bereits seit mehr als einem Jahr auf dem Markt und in den Labors laufen die Arbeiten für die nächsten Generationen auf Hochtouren. Damit rückt der "Personal Communicator" immer näher.

Filmische Inspiration

Inspiriert durch Filmszenen aus den USA - wo Geräte mit langen Antennen am Swimmingpool blitzen - und abgeschreckt von Berichten über Piraten, die mit schnurlosen Mobilteilen durch die Straßen fahren und über fremde Festteile nach "Freizeichen" suchen, um kostenlos auf fremde Rechnung telefonieren zu können, wurde Anfang der 80er Jahre eine europäische Lösung für ungebundenes Telefonieren gesucht und gefunden.
    Es waren Österreicher, die erkannten, daß hier nur ein Mehrkanalsystem mit automatischer Kanalverwaltung und entsprechendem Geräte-Kennungs-Austausch vor jedem Gespräch das hohe europäische Telefonniveau auch drahtlos garantieren kann.
    Auf Basis dieser Ideen entstand der sogenannte CEPT CT1 Standard (CT steht für Cordless Telephone, zu deutsch: Schnurlostelefon, CEPT ist die europäische Konferenz der Post- und Telegrafenverwaltungen), der 1983 neben den vierzig Frequenzpaaren und deren Verwaltung auch noch Sendeleistung, Empfindlichkeiten der Empfänger, Modulationsverfahren usw. als "Empfehlung" für die diversen Postverwaltungen festschrieb (Kenndaten siehe. Tabelle 1).
    Es dauerte zwei Jahre bis Ende 1984 die ersten Geräte den strengen Bedingungen der auf die CEPT Empfehlung aufgebauten nationalen Fernmeldetechnischen Anschaltbedingungen der Postverwaltungen genügten.
    Das Mobilset 210 war hier jenes Gerät, das erstmals einer größeren Personengruppe telefonische Verbindungen bei 900 MHz als Schnurlostelefon der ersten Generation ermöglichte, wenn auch noch etwas verrauscht und mit einfachen Leistungsmerkmalen.
    Es dauerte kein Jahr, bis die zweite Generation mit der Typenbezeichnung Mobilset 211 die erste ablöste, wobei durch den Einbau eines Kompanders die Gesprächsqualität sehr, durch Hinzufügen von Bilingualität und Internruf sowie erweiterter Kurzwahl der Komfort sprunghaft verbessert wurde, bei sinkendem Preis - versteht sich. Ein straffes Genehmigungsverfahren der Post sowie die unerwartet hohe Nachfrage nach den Geräten begünstigte den raschen Wechsel.

Europäisches Umfeld

Mit mehr oder weniger Erfolg bemühten sich die meisten europäischen Länder - mit Ausnahme Englands - die illegalen Importe amerikanischer Geräte durch das Anbieten von CEPT-Geräten zurückzudrängen.
    Allerdings versuchte man etwa in der BR Deutschland durch nicht dem Stand der Technik entsprechende Forderungen im Pflichtenheft und entsprechend lange dauernde Genehmigungsverfahren den Boom auf die Geräte der allerersten Generation etwas zu drosseln.
    Die Skandinavier waren etwas entschlossener, die Briten haben CEPT überhaupt nicht beachtet und haben die amerikanischen Geräte fernöstlicher Provenienz mit minimalen Auflagen (etwa Begrenzung der Störstrahlung und Kennungsaustausch beim Verbindungsaufbau) als UK-CT0 in großen Stückzahlen eingeführt.
    Parallel zu den Aktivitäten am Schnurlos-Telefon-Markt (so ziemlich alles, was in der Kommunikationstechnik Rang und Namen hat, wollte bei diesem Geschäft dabei sein) entwickelte sich der Mobilfunk - wenn auch in einer anderen Preisklasse - außerordentlich gut.
    Und mit dem Mobilfunk sowie dem Schnurlostelefonen und seinen Erfolgen begann der Run auf neue Netze, neue Frequenzen, neue Standards.
    GSM (Global System for Mobile Communication) sollte als paneuropäisches, digitales Cellular-Telefon die unterschiedlichsten, nationalen Mobilfunknetze ablösen und als europäischer Standard die Länder verbinden.
    Interessanterweise gestand man diesem Netz von Haus aus auch jene Frequenzen zu, die CEPT-CT1 "empfahl" (914/959 MHz).
    So war es die Deutsche Bundespostz (DBP), die als erste vom CEPT-CT1-Standard einen Ableger schuf, den sogenannten CT1+ Standard: nicht nur die Frequenzen wurden gewechselt, sondern bei dieser Gelegenheit auch noch die Kanalanzahl verdoppelt (siehe Tabelle 2).
    Zulassungen für Geräte nach dem "alten" Standard waren in der BRD noch bis 1991 möglich, der Betrieb von Geräten ist mit 31.12.1995 limitiert, um so vielleicht um die Jahrtausendwende das gesamte Band für den paneuropäischen digitalen Mobilfunk freizubekommen.
    Die Briten erkannten schon 1985, daß sie wegen der großen Verbreitung der UK-CT0-Geräte so rasch wie möglich einen neuen Standard brauchen, der größere Benutzerdichten ohne gegenseitige Störung ermöglicht.
    Auf den fahrenden CEPT-Zug wollte man nicht mehr aufspringen, die Gefahr einer Frequenzkollision mit einem bereits geplanten Netz (ETACS, GSM) sollte von Haus aus umgangen werden, und so war über Nacht ein neuer Schnurlos-Standard geboren:
    Angelehnt an die vierzig CEPT Kanäle hat man einen ersten "digitalen" Standard erfunden, der zur besseren Vermarktung gleich von Anfang an mit einem attraktiven, neuen Dienst kombiniert und als "Telepoint"-Standard deklariert wurde.
    Erste Geräte auf Basis dieses Standards, allerdings noch nicht mit der genormten Luftschnittstelle, dem sogenannten CAI (Common Air Interface) kamen 1989 in Großbritannien auf den Markt, mittlerweile ist diese Technik in einigen europäischen Länder offiziell eingeführt, zumTeil für Telepoint-Dienste wie z.B. in Frankreich, zum Teil als Business- oder Home-Applikation.

Innovation auf Österreichisch

Ungeachter der Verunsicherungen, die durch neue Standarddiskussionen in den Nachbarländern den Markterfolg der Schnurlostelefonie zusätzlich etwas dämpften, wurde in Österreich mit dem megaset 900A (A für Österreich, eine Österreichversion des für Deutschland entwickelten megaset 900) erneut Innovation sichtbar: modulare Technik, interne Antenne in Fest- und Mobilteil, taschengerechtes, prämiertes Design mit "Funktions-Klappe" und Akku-Kartuschen setzten neue Maßstäbe.
    Aber auch dieses Gerät, technologisch und preislich als Generation 2,5 bezeichnet, wurde rasch wieder überholt: Mobilset 320 war der Name für die dritte Generation.
    Erstmals mit Display, Internsprechmöglichkeit nach dem ankommenden Ruf (eine Minute zeitbegrenzt nach CEPT-Empfehlung) sowie erneute Preisreduktion ließen den Absatz nochmals nach oben schnellen: mehr als 100.000 Geräte bis Ende 1993 beweisen den Erfolg dieses Produktes.
    Aufbauend auf das Mobilset 320 entstand bereits 1989 ein weiteres Gerät: das Mobilset 1004. Das erste Teamtelefon mit einem Festteil und bis zu vier Mobilteilen, wobei ähnlich wie bei einer Heimtelefonzentrale Funktionen wie Sammelruf, Gesprächsweiter- und Rückgabe, Ruhe vor dem Telefon usw. realisiert wurden.
    Dieses Produkt wurde mittlerweile von dem derzeit neuesten Gerät dieser Kategorie, dem megaset 940A abgelöst und zwar nach dem Motto: noch moderner, noch bedienerfreundlicher und dennoch kostengünstiger.
    Die Möglichkeit für den Kunden, ein Set mit einem Festteil, einem oder mehreren Mobilteilen mit je einer Extra-Ladeablage zu erwerben und je nach Bedarf und Laune später Mobilteile nachzukaufen und selbst per PIN-geschützter Prozedur dazu konfigurieren zu können, macht mit diesen Geräte einen ersten Schritt in die schnurlose Mehrbenutzer-Anwendung, die vom Heim- und Bürobereich ausgehend die Richtung der drahtlosen Kommunikation umreißt:
    Jedem, der "dabei" sein will, seinen "Persönlichen" Mobilteil. Das Ziel war klar, aber wie soll es erreicht werden?

DI Josef Forer

2. Teil und Schluß in MOBILE TIMES Nummer 2 (>>)


Technische Daten

CEPT CT1CEPT CT1+UK CT2
Frequenzen:
Mobilteil zu Festteil:914 - 915 MHz885-887 MHz864-868 MHz
Festteil zu Mobilteil:959 - 960 MHz930-932 MHz
Kanalverwaltung:
Duplexverfahren:FrequenzduplexFrequenzduplexZeitduplex
Duplexabstand:45 MHz45 MHz2 ms Rahmenlänge
Multiplexverfahren:FrequenzmultiplexFrequenzmultiplexFrequenzmultiplex
Kanalraster:25 KHz25 KHz100 kHz
Kanalanzahl:40 Duplexkanäle
frei verwaltet
80 Duplexkanäle
1 Org. Kanal
40 Duplexkanäle
frei verwaltet
Modulation & Leistung:
Modulation:analoge FM, max. + 5 KHz HubFSK mit Gaußfilterung
Sprachcodierung:keinekeine32 kBit ADPCM
Bitrate:keinekeine72 kBit/s
Sendeleistung:max. 10 mWmax. 10 mWim Mittel 10 mW
Kriterium "Außer Reichweite":30 dBµV/m30 dBµV/m
Reichweite in Gebäuden:ca. 50 mca. 50 m
Reichweite im Freien:ca. 300 mca. 300 m
Kennungscodes:> 1 Million



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 18. Juni 2007
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