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Das Hirn in der Tasche

Filofax - eines der Zauberworte des vergangenen Jahrzehnts. Ohne dieses ziemlich unhandliche, schwere, wichtig aussehende schwarze Ding unter dem Arm war man einfach Niemand. Noch schlimmer aber als das damit verbundene Image ist die Abhängigkeit von diesem Mega-Kalender. Die Abhängigkeit ist geblieben, aber heute wiegt das zweite Hirn kaum 30 Dekagramm, ist nur halb so groß wie ein Taschenbuch und kann auf Wunsch sogar sprechen.


Ich hatte lange Zeit eine kühle Distanz zu den elektronischen Notitzbüchern, was wahrscheinlich auch darin lag, daß ich immer sehr stolz auf mein prächtiges Gedächtnis war und mir lediglich Datum und Uhrzeit eines Termins in einem kleinen Taschenkalender vermerkt habe. Thema und Inhalt des Treffens waren in meinem Kopf.
    Daß auch meine grauen Zellen mit zunehmendem Alter auf kurze Distanz manche Daten schneller löschten als mir lieb war, merkte ich spätestens, als ich das erste Mal wichtige Unterlagen zu einem Termin vergessen hatte. Also wurden auch diese Dinge im Taschenkalender vermerkt, wobei ich sehr bald an die Grenzen der beschreibbaren Fläche stieß.
    Und schon war ich stolzer Besitzer eines Filofax, sogar bezahlt vom Arbeitgeber. Stunden, wenn nicht Tage vergingen, bis ich mir klar darüber war, welchen Vermerk ich wo eintragen muß, damit ich ihn keinesfalls vergesse: Monate, Tage, Stunden im voraus. Aber was ist, wenn ich nicht rechtzeitig nachschaue, mich verblättere oder, Gott behüte, vergesse den Termin oder die Daten richtig einzutragen? Und dann mußte ich das unhandliche Ding auch noch ständig überall hin mitschleppen. In die Jackentasche paßte es längst nicht mehr, selbst das Schließen des Aktenkofferdeckels machte Probleme.
    Im Dezember 1993 aber sollte alles anders werden. Ich kam ich in den (wie mir jetzt klar ist) Genuß eines Testgerätes der Marke Psion 3a. Ein elektronischer Termin- und Datenverwalter, der mich fortan überall hin begleiten sollte. Nach der Gürtel/Hosenträger-Methode habe ich einige Zeit beide Systeme nebeneinander benützt. Doch sehr bald hat sich herausgestellt, daß der elektronische Winzling seinem papierenen Mitstreiter weit überlegen war.
    Es hat sogar Spaß gemacht, die Daten vom Katalog in den Rechner zu übertragen. Dabei hat sich auch gleich die Gelegenheit zum längst fälligen Update ergeben - ist doch gerade die große Umstellung der Post auf das digitale System und damit verbunden eine große Anzahl von Nummernänderungen im Gange.
    Trotz früherer Ressentiments gegenüber elektronischen Terminüberwachern, war mir der kleine Kerl sofort sympathisch. Sehr griffsicher durch die gerippte Oberfläche und dank der rundlichen Formen ist er bis dato kein einziges Mal dem richtigen Schlitz der diversen Jakett-Brusttaschen entglitten.

Das mobile Büro

Die Handhabung des Psion 3a ist herzlich einfach. Es gibt zwar ein über 300 Seiten starkes Handbuch, welches die vielfältigen Möglichkeit des Geräts sehr gut erläutert, aber die wichtigsten Funktionen erklären sich selbst. Zwischen dem Display und dem Tatstaturblock befindet sich eine Symbolleiste mit den Hauptfunktionen des Rechners. Per Fingertip kann man sich ins System einloggen, auf Daten zugreifen, einen Text eingeben, Termine abrufen oder mit der Taschenrechnerfunktion die Chancen auf bessere Zeiten ausrechnen. Sogar die Telefonvorwahl vom eingegebenen momentanen Aufenthaltsort aus in über 400 Großstädte der Welt lassen sich per Ikon ermitteln. Darüberhinaus steht auch eine Excel-ähnliche Tabellenkalkula-tion für unterwegs zur Verfügung. Im Uhren-Symbol sind alle wichtigen Termine erkennbar, an die der Rechner per Signalton erinnern soll.
    Diese Symbolleiste erlaubt nicht nur den direkten Einstieg ins gewünschte Programm, es ist auch möglich, per Knopfdruck in jede beliebige andere Datei zu wechseln. Dabei merkt sich das Gerät, wo der letzte Ausstieg war und landet letztlich wieder dort, wo man die Applikation, wann auch immer, verlassen hat. Kein Blättern, kein Suchen - nur der Druck aufs Knöpfchen.
    Die gespeicherten Daten sind zwischen den Applikationen
    - Daten (Datenbank),
    - Word (Textverarbeitung),
    - Agenda (Terminplan) und
    - Tabelle (Tabellenkalkulation)
beliebig abrufbar. So ist es etwa möglich zu einem Brief, den man in der Textverarbeitung verfaßt hat, die passende Adresse aus der Datenbank einzufügen. Über ein entsprechendes serielles oder paralleles Druckerkabel, das als Zubehör für den Psion erhältlich ist, läßt sich dieser Brief auf einem beliebigen Drucker zu Papier bringen. Das erlaubt echte Büroarbeit unterwegs, unter Ausnützung von Warte- oder Reisezeiten in Bahn, Bus oder Flugzeug (Bordpersonal unbedingt um Erlaubnis fragen - ich hatte nie Probleme). Die eingegebenen Texte lassen sich über optional erhältliche Anschlüsse und einen kleinen Software-Zusatz problemlos in die diversen Textverarbeitungsprogramme (wie WinWord, AmiPro, WordPerfect usw.) übernehmen, was speziell für Journalisten sehr wichtig ist.

Der Wecker spricht

Wer großen Wert auf Individualität beim Erinnern an einen wichtigen Termin legt, kann sogar einen kurzen Text ins Gerät sprechen und abspeichern, der zum gegebenen Zeitpunkt verbal an das Ereignis erinnert. Der Psion spricht zu seinem Herrn. In dringenden Fällen kann man den kleinen Computer sogar als Diktaphon mißbrauchen. Hier ist allerdings auf den verfügbaren Speicherplatz zu achten, weil die Spracheingabe ziemlich viel davon braucht.
    Der kleine Helfer kann sich aber nicht nur mit seinem Herrn verständigen; er spricht auch die digitale Sprache der Telefone. So ist es möglich, den Psion zum Wählen von Telefonnummern zu verwenden. Dabei hält man die Unterseite des Gerätes zum Telefonhörer und nach dem Aufrufen der gewünschten Telefonnummer aus der Datenbank drückt man einfach auf das Symbol Telefon-Wahl. Das funktioniert natürlich nur bei Telefonen mit Tonwahl, die aber im Zuge der Digitalisierung des Telefonnetzes bereits weit verbreitet sind.

Zur Datensicherheit

Natürlich ist man auch mit dem elektronischen Notitzbuch nicht davor gefeit, es irgendwo zu vergessen oder gar zu verlieren. Mit dem Psion 3a besteht aber, im Gegensatz zum Filofax aus Papier, die Möglichkeit, unerlaubten Zugriff auf die Daten zu verhindern. Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, einzelne Applikationen durch die Eingabe eines Codewortes vor Mißbrauch zu schützen. Ein Systemcode sperrt sogar sämtliche Funktionen des Rechners für nichtautorisierte Benützer. Auf den als Extra erhältlichen Speichererweiterungskarten (in einem Psion-eigenen Format) lassen sich für die wichtigsten Daten Sicherheitskopien anlegen, sodaß für den Fall der Fälle immer eine Kopie der wertvollen Daten vorhanden bleibt.
    Denn eine Gefahr ist zweifellos immer vorhanden. Bei einem Stromausfall durch leere oder defekte Batterien, der die Lebensdauer der Sicherungsbatterie überschreitet, sind alle Daten im Psion futsch. Daher hat es sich im praktischen Einsatz bestens bewährt, etwa einmal täglich einen Blick auf den Batteriezustand zu werfen. Das dauert mit einem Knopfdruck lediglich ein paar Sekunden und beruhigt ungemein.
    Sehr beruhigend ist auch die Tatsache, daß der kleine Rechner mit zwei einfachen 1,5 V Mignonzellen funktioniert, die überall und jederzeit erhältlich sind, auch an Wochenenden etwa bei Tankstellen. Außerdem ist der Stromverbrauch so gering, daß selbst bei intensivem Gebrauch frühestens alle drei Monate ein Batterietausch fällig wird.
    Ich habe erstmals nach vier Monaten gewechselt, der zweite Satz reichte für fünf Monate und das dritte Paar wird mir noch immer mit "gut" gemeldet. Wer ganz sicher gehen will und oft stationär mit dem Psion arbeitet, kann natürlich auch ein Netzgerät benutzen um die Batterien zu schonen.

Handling

Was den Psion 3a so angenehm von der Konkurrenz unterscheidet ist zweifellos seine Ergonomie. Irgendwie haben es die Psion-Techniker geschafft, 58 Tasten auf 16 × 6 cm so geschickt anzuordnen, daß selbst klobige Herrenhände noch problemlos zutasten können. Mit ein wenig Übung habe ich ein Zwei-Daumen-Schreibsystem gelernt, das es erlaubt, auch im Stehen relativ zügig Texte einzugeben.
    Ein weiteres Plus der Anordnung ist zweifellos die Tatsache, daß die Tasten nicht mit Funktionen überbelastet sind. Nur fünf von ihnen müssen vier Funktionen (vornehmlich mathematischer Natur) ausführen. Die Anordnung ist übersichtlich und leicht verständlich, sodaß nur selten ein erläuternder Blick ins Handbuch nötig wird, weil man wenig gebrauchte Funktionen halt rasch wieder vergißt.
    Mit 45 × 128 mm ist der Schirm verhältnismäßig groß. Er bietet ein sehr gut lesbares Flüssigkristall-Display, auf dem die Schrift durch Zoomen in vier verschiedenen Größen dargestellt werden kann - je nach dem wieviel Information auf den Bildschirm soll. Dabei ist es völlig egal in welcher Applikation man sich gerade befindet.

Resumeé

Die Informationsflut unserer Tage ist kaum noch kanalisierbar. Ob wichtige Mitteilungen oder dringende Termine, alles will verwaltet und nach Möglichkeit auch ausgeführt werden. Gerade in kommunikationsintensiven Berufen, wo es viel zu organisieren gibt, ist es schon schwierig geworden, den Überblick zu bewahren. Deshalb hat uns die moderne Elektronik mit Geräten wie dem Psion 3a ein Werkzeug in die Hand gegeben, das es uns erleichtern soll, die persönliche Organisation im Griff zu behalten. Dazu ist es aber nötig, daß das Werkzeug nicht mehr Aufmerksamkeit verlangt als die damit verwalteten Abläufe. Einfache Handhabung, intelligente und logische Programme und nicht zuletzt ein ergonomisches Handling prädestinieren den Psion 3a für diese Funktion.

Roman F. Mörtel


Technische Daten:

Abmessungen:165 × 85 × 22 mm
Bildschirm:480 × 160 Pixel (Grafik); max. 80 Zeichen und 25 Zeilen
Speicher:1 MB ROM, 512 k RAM
Prozessor:16 Bit NEC V30H 7,68 MHz (80C86 kompatibel)
Stromversorgung:2 Batterien Typ AA (Mignon)
1 Standard Lithium Batterie Typ CR 1620 3V zur Datensicherung während eines Hauptbatteriewechsels

Add On

Der Psion 3a hat sich in den letzten Monaten Europas wohl erfolgreichstem Organizer entwickelt. Kein Wunder, daß immer mehr Anbieter Zusätze, Software und Erweiterungen für den britischen Pocketrechner anbieten.
    Österreichisch und wahrscheinlich daher ganz besonders interessant ist ein CD-ROM, die Koch Media herausgebracht hat. Die unter dem Titel "Psion Serie 3/3a Shareware Volume 1" herausgegebene CD enthält rund 400 Programme für den Psion bzw. für seine Kommunikation mit dem PC. Neben den Programmen enthält die CD auch Tips und Tricks sowie Adressen von Userclubs.
    Der deutsche Softwareanbieter Sofline, in Österreich durch Update vertreten, hat in seinem jüngsten Katalog eine Psion-Anbindung für das Organisationspaket teamWorks 3.0 aufgenommen, das dem Pocketrechner Zugang zu allen relevanten Informationen im Bürosystem gibt.
    Auch der Psion-Importeur Hayward hat eine Reihe von Softwarepaketen für seinen kleinsten Computer im Angebot: Bei den Hardware Add-Ons ist der seit August 1994 verfügbare Speicher mit vier Megabyte das interessanteste Produkt, weil man damit die Kapazität insgesamt auf solide acht Megabyte erhöhen kann. Auch die Spielepackungen oder Hugh Johnsons´s Wine Guide werden ihre Interessenten finden. Aus dem Angebot der mehr praktisch orientierten Software sind etwa der Berlitz Translator oder der englische Spell Checker und Thesaurus erwähnenswert.




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 18. Juni 2007
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