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Artikel aus Mobile Times 33

Serie Mobile Datenübertragung (IV)

Pakete statt Leitungen

Was bedeutet eigentlich Datenübertragung? Was kann man damit machen? Und vor allem: Wie geht das denn nun? Diese Fragen wollen wir versuchen in unserer neuen Serie zu beantworten.


In der letzten Folge (>>) haben wir den Übertragungsmodus HSCSD geschildert. Doch noch ein weiteres System zur schnelleren Datenübertragung mit dem Handy befindet sich derzeit kurz vor der Implementierung: GPRS

Sind Pakete schneller?

Wenn man telephoniert oder über CSD Daten überträgt, so bekommt man eine Leitung zugewiesen, die man dann alleine benutzen kann. Wenn man gerade schweigt, oder eine Seite liest, die man gerade heruntergeladen hat, so überträgt man zwar keine Daten, aber belegt dennoch eine Leitung, wodurch sonst niemand diese Leitung nutzen kann. GPRS verspricht nun diese "Leerzeiten" zu nutzen.

Die Idee ist eigentlich relativ einfach: statt daß man eine Leitung belegt, werden die Daten in einzelne Pakete zerlegt und immer dann, wenn gerade ein Zeitschlitz nicht belegt ist, wird ein Paket in diesen Zeitschlitz hineingesteckt. Zunächst verliert man dabei aber an Übertragungskapazität, denn normalerweise schickt man seine Daten in vorgegebene Zeitschlitze auf einem vorgegebenen Kanal - eben die zugewiesene "Leitung" - und der Empfänger weiß, von wem diese Daten kommen. Bei GPRS muß jedes Paket eine Adresse erhalten, die markiert von wem das Paket ist, und an wen es geschickt werden soll.

Pakete an allen Orten

Der Gewinn gegenüber den 9,6 kBit/s von CSD kommt daher, daß man nicht auf die normalen Datenbits beschränkt ist. Denn je besser die Verbindung ist, desto weniger Fehlerkorrekturbits benötigt man. GPRS kann zur optimalen Nutzung der vorhandenen Ressourcen auch in die Bereiche, in denen normalerweise solche Kontrollbits stehen, Datenpakete hineinschicken.

Außerdem versucht GPRS den gesamten Kanal zu nutzen. Denn normalerweise hat man bei GSM pro Kanal acht sich wiederholende Zeitschlitze zur Verfügung, womit gleichzeitig acht Personen pro Kanal telephonieren oder Daten übertragen können. GPRS versucht aber seine Pakete auf alle acht Zeitschlitze zu verteilen, wodurch man theoretisch die achtfache Übertragungsrate bekommen kann.

Maximal, wenn man dauernd alle acht Zeitschlitze belegt, und auf alle Kontrollbits außer den Paketadressen verzichtet, kommt man auf bis zu 171,2 kBit/s, was man in Praxis natürlich nicht realisieren wird. Denn schon jetzt sind die Funkzellen der Betreiber oft überlastet, und bei solch einer Überlastung einer Person alle acht Zeitschlitze eines Kanals zu überlassen ist unmöglich. Die sieben anderen würden sich da schön bedanken. Wenn man also nur einen Zeitschlitz zur Verfügung hat, so käme man dann auf theoretisch mögliche 21,4 kBit/s (von insgesamt vorhandenen 22,8 kBit/s) - aber auch nur dann, wenn man absolut störungsfreie Übertragung und optimale Sicht auf die Basisstation hat.

Kleinere Pakete sind schneller

Wenn Geschwindigkeit nicht das Hauptargument ist: warum dann GPRS? Erstens hat das Netzwerk als Ganzes einen gewissen Gewinn an Geschwindigkeit. Denn während eine Person wartet, daß der Server antwortet, kann ja eine andere Person ihre Pakete abschicken. Das bedeutet, daß theoretisch mehr Benutzer pro Zelle tätig sein können, womit Engpässe und Verbindungsabbrüche, wie sie in Ballungszentren zur "Stoßzeit" oft vorkommen vermindert werden. In Praxis hängt das freilich davon ab, wieviele Daten jeder einzelne tatsächlich übertragen möchte.

Insbesondere kann GPRS auch kleinere Pakete verwenden, von denen dann mehrere in einen Zeitschlitz passen. Solche kleinen Pakete treten vor allem bei Anwendungen wie "Zahlen mit dem Handy" auf, wo man ja nur den Betrag und die Identifikation übertragen muß. Man denkt aber auch daran GPS-Ortsbestimmungen, die derzeit mit SMS verwirklicht werden können über GPRS abzuwickeln, um die Beanspruchung der überlasteten SMS-Zentren zu verringern.

Die offene Leitung ist billiger

Der zweite Vorteil ist, daß GPRS virtuelle Verbindungen unterstützt. Da eine Verbindung keine Leitung blockiert, kann man verbunden sein sobald man das Handy eingeschaltet hat. Wenn man etwas möchte, muß man nicht erst eine Verbindung zum Server aufbauen, sondern schickt ohne weitere Umstände einfach seine Pakete ab. Natürlich werden die Netzbetreiber in ihren Statistiken die Benutzer, die nur verbunden sind ohne tatsächlich etwas zu tun auch mitrechnen, wenn sie verkünden, wieviele Leute pro Zelle sie versorgen.

Das ist aber auch für den Kunden billiger, denn für eine Verbindung auf der nicht passiert, kann der Netzbetreiber ja keine Gebühr verlangen. Das bedeutet, daß man erstmals nicht für die Zeit bezahlt, die man eine Leitung belegt, sondern für die Datenmengen, die man tatsächlich über diese Leitung schickt. Am Ende könnten sogar Tarife nach amerikanischem Vorbild stehen, wo man eine fixe Monatsgebühr hat, und sonst nichts mehr zahlen muß.

Das ganze Internet unterwegs

Der dritte und vielleicht größte Vorteil ist die Kompatibilität mit dem Internet. Denn das Internet verwendet schon lange Paketvermittlung statt Leitungsvermittlung. Die einzige Leitung die man tatsächlich in Anspruch nimmt, ist das kurze Stück zum Internet Provider. Nun verwendet GPRS aber IP als Trägerprotokoll, genauso, wie dies auch das Internet tut. Daher wird jeder Dienst, der im Internet verfügbar ist (FTP, HTTP, Chat, E-Mail, Telnet, ...) auch über GPRS verfügbar sein. Nicht umsonst hat Microsoft hat eine Kooperation mit Ericsson abgeschlossen, um einen vollwertigen Web-Browser auf das Handy zu bringen, der nicht nur WAP 1.1 sondern auch richtiges HTML unterstützt.

Denn bei WAP hat man im Moment das Problem, daß man zur Zeit nur auf Spezialangebote von Netzbetreibern und Banken zugreifen kann. Jedoch sind weiterführende Links ins WWW nicht verwendbar, da WAP-Handys die HTML-Seiten, die hinter diesen Links stehen, nicht verstehen.

Außerdem gibt es viele Anwendungen, bei denen kleine Datenmengen über das Internet verteilt werden, wie etwa bei der Steuerung von Häusern. Die erste Mikrowelle mit Web-Browser war zwar noch eine Kuriosität. Wenn man aber mit dem GPRS-Handy die Heizung und das Backrohr anstellen kann, so daß es warm ist und der Braten genau dann fertig ist, wenn man heimkehrt, und wenn man im Supermarkt den Inhalt des heimatlichen Kühlschranks abfragen kann, dann stellt das doch einen Zugewinn an Lebensqualität dar - natürlich nur, wenn die Geräte im Haus alle mit dem Internet verbunden sind.

Der Starke ist am Mächtigsten in Gesellschaft

GPRS ist aber nicht alleine selig machend. Damit man die Möglichkeiten von paketvermittelter Datenübertragung optimal ausnützen kann, müssen auch die anderen Dienste mitspielen, um die Fähigkeiten einzubringen, über die GPRS nicht verfügt.

Am einfachsten ist es den Mangel an Speicherung und Weiterleitung von Information zu beheben. Denn die Speicherung und Weiterleitung von Daten ist die Hauptaufgabe von SMS-Zentren. Wenn man jetzt noch bedenkt, daß man SMS über GPRS senden kann, was die stark beanspruchten Signalkanäle entlastet, so sieht man, daß die beiden sich optimal ergänzen.

Eine weitere Eigenschaft von GPRS, die einen Mangel darstellen kann, ist die Tatsache der Paketvermittlung. Zwar haben wir erörtert, daß die Paketvermittlung die Kerneigenschaft von GPRS ist, aber das birgt auch einen Nachteil in sich: Die Pakete reisen ja alle auf getrennten Wegen, und werden erst beim Empfänger wieder zusammengesetzt. Dadurch ist die Übertragungsgeschwindigkeit zu jedem beliebigen Zeitpunkt nicht konstant, da je nach der Anzahl der gerade freien Zeitschlitze einmal mehr, und einmal weniger Pakete auf die Reise geschickt werden. Beim Laden von Internetseiten spielt das keine Rolle, da man hier nur an der Gesamtgeschwindigkeit interessiert ist, aber Videoübertragung ist das sehr wohl wichtig. Daher wird GPRS auf HSCSD als Unterstützung für solche Dienste nicht verzichten können.

EDGE ist die Grenze von Morgen

Ein weiteres Manko von GPRS ist die Geschwindigkeit. Zwar verbessert die Paketvermittlung die Nutzung der vorhandenen Ressourcen, aber viel ist da nicht mehr zu holen. Und während die Zahl der Nutzer ständig steigt, sind die Kanäle pro Funkzelle konstant - und das Resultat sind mehr und mehr Gesprächsabbrüche und mehr und mehr Fälle, wo man trotz Empfang keine Verbindung bekommt, weil einfach kein Kanal frei ist.

Doch eine mögliche Lösung ist schon unterwegs. EDGE soll die möglichen Datenraten über GSM verdoppeln. Der Hauptunterschied zwischen EDGE und bisherigem GSM ist das Modulationsschema mit der die Bits auf die 900 oder 1800 MHz Trägerfrequenz aufmoduliert werden. Während GSM hier GMSK verwendet, steigt EDGE auf 8-PSK um (was nur zufällig nach der Post klingt). Der Vorteil davon ist - neben der verdoppelten Übertragungsrate -, daß 8-PSK auch das Modulationsschema ist, daß das zukünftige UMTS verwenden wird. Daher müssen die Netzbetreiber, die eine UMTS-Lizenz erhalten, nur einmal und nicht zweimal umstellen, um das zu realisieren. Außerdem kann 8-PSK sich automatisch an die jeweiligen Übertragungsbedingungen anpassen, und stellt nahe der Basisstation höhere Übertragungsraten zur Verfügung, als in Gebieten mit schlechtem Empfang. Jedoch ist diese Umstellung aufwendiger als GPRS oder HSCSD, die beide nur die "höher" liegenden Schichten des GSM-Protokolls betreffen. Wir werden daher darauf noch ein wenig warten müssen.

Wann kommt GPRS?

GPRS jedoch soll schon bald kommen. Die Testphase war 1999, und schon diesen Sommer soll während der Expo 2000 der Probebetrieb im Netz von D1/T-Mobil aufgenommen werden. Anfang 2001 sollen dann GPRS-taugliche Handys auf den Markt kommen, und im Laufe des Jahres 2001 sollen dann auch die Netzbetreiber mit dem kommerziellen Betrieb von GPRS beginnen. Wir werden sehen, wer in Österreich der Schnellste ist.

Michael Köttl


Abkürzungen

8-PSKeight-Phase-Shift Keying
CSDCircuit Switched Data
EDGEEnhanced Data rates for GSM Evolution
FTPFile Transfer Protocol
GMSKGaussian Minimum-Shift Keying
GPRSGeneral Packet Radio Service
GSMGlobal System for Mobile Communication
HSCSDHigh Speed Circuit Switched Data
HTMLHyperText Markup Language
HTTPHyperText Transfer Protocol
IPInternet Protocol
SMSShort Message Service
UMTSUniversal Mobile Telephone System
WAPWireless Application Protocol
WWWWorld Wide Web



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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