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Artikel aus Mobile Times 34

Serie WAP (1)

Warum WAP?

Sie haben sicher schon Meinungen gehört, die darauf hinauslaufen, daß WAP nur für eine kurze Übergangszeit "bis die Geräte leistungsfähiger sind" oder "bis UMTS kommt" aktuell sein soll. Warum diese Meinungen wahrscheinlich unfundiert sind, erfahren Sie in der ersten Folge unserer neuen Serie.


Zum Verständnis der Gründe, warum WAP nötig ist, müssen wir uns ein wenig in der Geschichte zurückbegeben und die Entwicklung des World Wide Web kurz anzusehen.

In den 80iger Jahren entstand im europäischen Forschungszentrum CERN das WWW, das primär dafür gedacht war, den Mitarbeitern dieser Institution das Durchlesen ("Browsen") der zahlreichen Dokumente und Daten, die die Institution angesammelt hat, zu erleichtern. Dazu wurde auf Basis der schon Jahre davor diskutierten SGML (Standardized General Markup Language) eine Seitenbeschreibungs- und Hypertext-Sprache namens HTML (Hypertext Markup Language) erstellt.

Von HTML zu XML

HTML ist im Prinzip eine Seitenbeschreibungssprache, die - bis zu einem gewissen Grad geräteunabhängig - dafür sorgt, daß die Seiteninhalte auf dem Bildschirm des jeweiligen Benutzers dargestellt werden können. HTML enthält auch Befehle, um Bilder einzubetten, Schriften farbig darzustellen und vor allem die Möglichkeit "Hyperlinks" - direkte Verbindungen zu anderen Dokumenten im Internet - einzubetten.

Im Internet sollen damit alle User auf alle Server zugreifen und ihr Angebot darstellen können. Damit das auch funktioniert gibt es auch eine Norm für HTML, die durch das sogenannte W3-Consortium (W3 steht einfach für WWW) festgelegt wird. Soweit die Theorie. In der Praxis hat sich nämlich vor allem durch den (erfolgreichen) Versuch Microsofts auch das Internet zu dominieren, eine Fülle von Dialekten entwickelt, die vor allem dadurch entstanden, das sowohl Microsoft als auch NetScape durch zusätzliche Features ihre jeweiligen Browser attraktiver als die des Konkurrenten machen wollten. Der Kampf gipfelte in der Einführung diverser Zusatzfeatures, die überhaupt nur mehr mit dem Browser des jeweiligen Herstellers nutzbar sind und teilweise sogar der HTML-Norm widersprechen.

Diese Probleme - und andere Gründe - haben dazu geführt, daß man eine neuere, präzisere Form von HTML entwickelt hat, die als eXtensible HTML bzw. XHTML oder kurz XML bezeichnet wird. XML ist weit strenger als HTML und läßt keine "privaten" Ausnahmen mehr zu. Dafür kann man mit XML eigene "Anwendungen" bzw. "Spezialsprachen" für bestimmte Zwecke (z. B. gibt es CML für chemische Formeln oder MathML für mathematische Formeln usw.) erstellen.

Von XML zum WML

Die Bildschirmdarstellung von HTML orientiert sich im wesentlichen an Standardbildschirmen. Daß das nicht immer genau stimmt, kann man sehr gut sehen, wenn man auf einem Notebook eine HTML-Seite, die eigentlich für einen Desktop-PC geschrieben wurde, ansieht. Wenn wir die Größenunterschiede zwischen einem Handy-Display und einem PC-Bildschirm betrachten, wird völlig klar, daß es zwar theoretisch möglich, aber wenig sinnvoll wäre, HTML-Seiten auf dem winzigen Display darzustellen.

Die Entwicklung von HTML steht übrigens inzwischen vor dem Projekt HTML-NG (Next Generation), die wohl auch WML (siehe später) umfassen wird.

Der Datentransport

Die Inhalte sind eine Sache, der Transport ist eine andere. Man muß sich das so vorstellen, daß eine Ladung Bücher nicht nur per Lastwagen oder Eisenbahn, sondern auch per Flugzeug, Schiff usw. transportiert werden kann.

Zum Transport der Internet-Seiten benutzt man das Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP). Darüber liegt im Schichtenmodell das Hypertext Transfer Protocol (HTTP), das es in Zeiten von Internet-Banking auch als "Secure HTTP" gibt. Die Verwendung von Secure HTTP merkt man meist dann, wenn ein Fenster aufspringt und mitteilt, daß man jetzt über eine sichere Verbindung arbeitet. HTTP merkt man sofort an, wo das Internet eigentlich herkommt: aus der Ausnutzung freier Kapazitäten auf Rechnern und Leitungen.

Diese Protokolle helfen zur besseren Ausnützung der Kapazitäten. Die Informationen werden nämlich in viele kleine Pakete zerlegt und diese dann auf die Reise geschickt. Vor dem Start weiß kein Paket, auf welchem Weg es zu seinem Ziel gelangen wird, sondern nur wo es am Ende ankommen soll. Der Weg wird erst unterwegs gefunden: Wo ein Weg frei ist, wird er vom Paket benutzt. Dadurch kann das Internet binnen sekundenschnelle auf die Verkehrsbelastung jeder einzelnen Leitung reagieren. Vorstellbar ist das wie ein Labyrinth, wo man auch weiß, wo das Ziel liegt, den Weg dahin aber erst suchen muß - nur daß es hier viele mögliche Wege zwischen Start und Ziel gibt. Einzelne Pakete einer Homepage in Österreich könnten durchaus auch über die USA marschieren, wenn gerade eine breitbandige Satellitenleitung zur Verfügung steht. Daher ist es auch notwendig, daß jedes Paket ziemlich viele Informationen mitbekommt, die dafür sorgen, daß das richtige Ziel auch tatsächlich erreicht wird.

In Funknetzen sieht die Situation völlig anders aus. Freie Kapazitäten sind meist nur ein Traum. Dagegen liegt der Weg, den die Datenpakete nehmen werden, von Anfang an fest: Pakete vom Handy können nur zur Basisstation gehen, und die Pakete von der Basisstation wiederum nur zu einem der Handys in der Funkzelle. Variabel ist nur die Menge der Pakete pro Zeiteinheit, die übermittelt werden können, denn je voller das Funknetz ist, um so weniger Kanäle können über High Speed oder GPRS jedem einzelnen Teilnehmer zugeteilt werden.

Damit man nun mehr von der kostbaren Bandbreite für tatsächliche Informationen verwenden kann, wurde begonnen, alle die Informationen, die für die Funkübertragung nicht notwendig sind, aus den Paketen zu entfernen. Das ist aber dann kein TCP/IP und HTTP mehr, sondern eben ein neues Transportprotokoll namens WAP, das Wireless Applikation Protocol mit seinem Transportprotokoll WTP. WAP ist weitgehend unabhängig von der verwendeten Mobilfunktechnologie und kann daher für GSM-900, GSM-1800, GSM-1900, CDMA IS-95, TDMA IS-136, CDPD, PDC, PHS, FLEX, ReFLEX, iDEN, TETRA, DECT, DataTAC, Mobitex und auch für die künftigen Systeme der sogenannten dritten Generation wie IMT-2000, UMTS, W-CDMA, Wideband IS-95 usw. verwendet werden. Spezialisten werden an der Aufzählung übrigens erkennen, daß WAP auch über aktuelle digitale Paging- und Bündelfunk-Systeme laufen kann.

Und was ist mit UMTS?

UMTS und andere Übertragungstechniken der Zukunft werden höhere Bandbreiten und damit eine schnellere Übertragung ermöglichen. Das Grundproblem der beschränkten Möglichkeiten bei der Funkübertragung ändert sich damit nur scheinbar, denn die erwarteten großen Teilnehmerzahlen werden weiterhin eine effiziente Nutzung des möglichen Spektrums erzwingen. Es wäre also ziemlich verschwenderisch, wenn man die neuen Frequenzen durch das dafür gar nicht gedachte TCP/IP bzw. HTTP verbrauchen würde. WAP ist nämlich durchaus auch für UMTS geeignet. Genau so, wie TCP/IP eigentlich auf allen Übertragungswegen benutzt werden kann, kann WAP ebenfalls fast überall verwendet werden. Allerdings nicht dort, wo es gilt, unbekannte, aber freie Wege zur Datenübertragung zu nutzen. Da bleibt TCP/IP unangefochten.

Die WAP-Entwicklung

Die ersten WAP-Angebote verwendeten WAP 1.0, das ausschließlich auf SMS - auch das ist möglich - basierte. Inzwischen sind viele Netzbetreiber, darunter alle in Österreich - bei WAP 1.1 eingestiegen. Das WAP-Forum selbst, also das eigentliche Normungsgremium, ist inzwischen bei Version 1.2. angelangt, die auch Farben vorsieht. Schon in der Version 1.1 sind Bilder im WBMP-Format möglich. Aber das ist eine andere Geschichte, die Sie in der nächsten Folge (>>) dieser Serie in MOBILE TIMES lesen werden.

Franz A. Köttl


Kürzel

CDMACode Division Multiple Access
CDPDCellular Digital Packet Data (AMPS)
DataTACData Total Access Communication
DECTDigital Enhanced Cordless Telephone
FLEXEin Paging-System
GPRSGeneral Packet Radio Service
GSMGlobal System for Mobile communication
HTMLHypertext Markup-Language
iDENIntegrated Digital Enhanced Network
MobitexEin Bündelfunk-System
PDCPersonal Digital Cellular
PHSPersonal Handyphone System
ReFLEXEin Paging-System
SGMLStandardized General Markup Language
TCP/IPTransmission Control Protocol/Internet Protocol
TDMATime Division Multiple Access
TETRATrans-European Trunked Radio Access
W-CDMAWideband-CDMA
WAPWireless Application Protocol
WBMPWAP Bitmap
WMLWireless Markup Language
WTPWireless Transaction Protocol
XMLExtensible Markup-Language



MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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