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Artikel aus Mobile Times 34

HSCSD in der Praxis

Wie im Festnetz

Seit einigen Wochen ist bei Connect der Betrieb von HSCSD-Geräten möglich.Wir haben es uns natürlich nicht nehmen lassen, eine der ersten Nokia Data Card 2.0 im ONE-Netz zu testen und waren ziemlich verblüfft, wie flott GSM-Data in der Praxis sein kann.


Die ersten Tage des Tests waren zuerst einmal enttäuschend, denn die Geschwindigkeit, die wir erreichten, war zwar etwas flotter, aber alles andere als berauschend. Doch wenige Tage nach Testbeginn erreichte uns ein Anruf, daß die Bluekite-Software, die ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesamtinstallation wäre, eingetroffen sei. Und siehe da, sobald auch diese Software installiert war, legte unser Notebook so los, wie wir das ursprünglich erhofft hatten.

Neue Bedienung

Ein wenig Umlernen war allerdings nötig. Bis dahin hatten wir das Icon am Bildschirm angeklickt und NetScape oder der Internet Explorer erledigten die Einwahl und den Aufruf der Startseite. Jetzt mußten wir das Bluekite-Icon in der Taskleiste anklicken, und erst sobald eine Verbindung stand, den Browser starten.

Das hat auch einen praktischen Sinn, denn die Bluekite-Software sorgt im Falle einer "Leitungsunterbrechung" dafür, daß die Verbindung wieder hergestellt wird. Dafür muß man ihr beim ersten Start regelmäßig das Paßwort verraten, denn das merkt sie sich nur während einer Session.

Aber wir greifen vor, denn eigentlich muß man ja zuerst das Nokia Card Phone installieren. Dieser Teil fiel bei uns zwar weg, weil es schon bei Beginn des Tests installiert war, wir wollen Ihnen den Vorgang aber keineswegs vorenthalten, denn schließlich könnte es sein, daß sie keinen freundlichen Händler haben, der das für Sie erledigt.

Card Phone Installation

Wie heute üblich, liegt dem Card Phone eine CD bei, die für Windows 95, Windows 98 und Windows NT 4.0 geeignet sein soll. Für Windows 95 und Windows 98 können wir das bestätigen. NT haben wir nicht ausprobiert. Der Ablauf ist der gleiche, wie man ihn schon von vielen Windows-Installationen kennt: Alle Windows-Programme schließen, alle entfernbaren Datenträger und alle PCMCIA-Karten herausnehmen, dann die Nokia-CD in das Laufwerk einlegen und über die Systemsteuerung die neue Software installieren. Die CD sollte zwar selbst starten, tat sie aber nicht, weil aufgrund unserer Grundinstallation bei uns das längst keine CD mehr tut bzw. tun darf.

Das Card Phone könnte man natürlich auch ausschließlich über das in Windows vorhandene Hyper-Terminal steuern, aber das ist eine wenig elegante Methode. Die mitgelieferte Software ist langfristig weit angenehmer.

Was es mit der Warnung auf sich hat, daß man das Card Phone auf keinen Fall in den PCMCIA-Slot stecken darf, bevor das Installationsprogramm danach fragt, haben wir nicht ausprobiert.

Die Applikationen

Was es beim Handy gibt, das gibt es hier auch. Beim Start gibt man einmal die PIN ein und wartet dann, bis in einem Fenster, das sich "Monitor" nennt, der Name des Netzbetreibers auftaucht.. Besonders gespannt ist man - bei Datenübertragung ist das doch viel wichtiger als bei Sprachtelephonie - wie viele Pünktchen, die hier den Strichen entsprechen, wohl angezeigt werden. Je mehr, um so besser der Empfang.

Programme

Außer diesem Monitor, den man auch wegschalten kann, besitzt das Card Phone ein sehr schönes Programm, das aus fünf Anwendungen besteht:

Kontakte: Damit kann man seine Kontakt-Informationen verwalten, also Namen, Telephonnummern etc.

Messages: Das ist ein SMS-Programm, mit dem man SMS erstellt, sendet, archiviert usw.

Dialler: Das Wahlprogramm, mit dem man auch Sprachanrufe machen kann. Dazu braucht man allerdings die als Zusatz erhältliche Sprechgarnitur (Ohrhörer + Mikrophon). Eine Verwendung des Notebook-Lautsprechers bzw. des Notebook-Mikrophones (soweit vorhanden) ist nicht vorgesehen.

Call Register: Ein Logbuch aller erhaltenen und gemachten Anrufe, sowie eine Liste versäumter Anrufe.

Settings: Die Einstellungen für die einzelnen Applikationen sowie die Sicherheitseinstellungen (PIN-Abfrage etc.)

Praktisches

Was unsere Leser sicher am meisten interessiert, ist wohl, wie schnell das Gesamtsystem denn nun wirklich ist. In der Praxis stellt es sich wie ein Modembetrieb am normalen Festnetz dar. Die Geschwindigkeit ist einem der heute üblichen 56k-Modems durchaus vergleichbar. Wohlgemerkt, wir reden hier von der realen und nicht von der theoretischen Übertragungsgeschwindigkeit.

Ein Unterschied zum Festnetz besteht allerdings darin, daß es gelegentlich zu Verbindungsabbrüchen kommt, die in vielen Fällen zwar durch die Bluekite-Software aufgefangen werden (sie stellt, während man eine Seite liest, im Hintergrund die Verbindung wieder her), aber eben nicht immer, denn wenn so ein Abbruch etwa gerade während des Suchens einer Seite erfolgt, dann erhält man die Meldung, daß die Seite nicht gefunden wurde. Kein Wunder, denn Off-line kann der beste Browser keine Seite im Netz finden.

Besonders gravierend ist das Problem allerdings nicht: die längste dauernde Verbindung im Test dauerte ohne Unterbrechung rund vier Stunden und dann haben wir sie selbst beendet. Es kann aber auch vorkommen, daß eine Verbindung nach wenigen Minuten abreißt. Ausschlaggebend ist meist die Empfangsfeldstärke, obwohl das Card Phone 2.0 relativ gutmütig ist.

Technisches

Das Nokia Card Phone 2.0 ist momentan das einzige Gerät am heimischen Markt, das HSCSD unterstützt. In Deutschland bietet die Firma NovaMedia auch schon ein Modem für HSCSD an, und Nokia hat angekündigt, mit dem 6210 auch ein HSCSD-Handy zu liefern. Andere Hersteller werden bald folgen. Zumindest solche (wie Ericsson), die ihren Netzwerkkunden eine Aufrüstung auf HSCSD anbieten.

ONE ist derzeit in Österreich der einzige Netzbetreiber, der HSCSD implementiert hat. Daher kann man auch nur von ONE eine SIM-Karte bekommen, die HSCSD versteht.

Wenn man die Liste der aktiven HSCSD-Netzbetreiber in Europa betrachtet, entdeckt man sehr schnell, daß Netzbetreiber im 1800er-Bereich, solche in dünn besiedelten Ländern, oder in Ländern mit geringer Handy-Dichte die Vorreiter für High-Speed sind. Der Grund ist einleuchtend: High-Speed belegt mehr als einen GSM-Kanal. In den 1800er-Netzen stehen - ebenso wie in den dünn besiedelten Gebieten - genügend Kapazitäten zur Verfügung. Der Nachteil, daß für die Flächendeckung weit mehr Basistationen nötig sind, den die Betreiber von 1800er-Netzen in Kauf zu nehmen haben, verwandelt sich bei HSCSD in einen Vorteil, denn die Betreiber in den 900er-Netzen haben oft schlicht keine freien Kapazitäten mehr, um High-Speed einzuführen. Sie warten daher meist gleich auf GPRS, das ja seine Pakete in "Löcher" stopfen kann. Die oft gelieferte Erklärung, daß man auf GPRS wartet, "weil GPRS schneller ist", erweist sich damit als eher fadenscheinig, denn in der Realität - und das ist auch z. B. die Meinung der britischen Orange - wird man auf Dauer beides brauchen: die kontinuierliche Übertragungsmöglichkeit mit HSCSD und die Paketvermittlung von GPRS. Vergessen wir nicht, daß HSCSD im Vergleich zu einem einfachen GSM-Kanal tatsächlich "breitbandig" ist, während es bei GPRS von den freien Kapazitäten pro Zeiteinheit abhängt, wie schnell das System wirklich ist.

Die Nokia Data Card 2.0 kann in beiden Frequenzbändern (900 und 1800) arbeiten. Sie ist also ein echtes Dual-Band-System. Die maximale Kanalzahl, die diese Karte benutzen kann, wird in den Unterlagen nirgends angegeben, doch kann man aus den Angaben der Übertragungsleistungen (je Kanal 9,6 oder 14,4 kbit/s, Verdoppelung auf 28,8 kbit/s, bei Downloads maximal 43,2 kbit/s) errechnen, daß in der Richtung zum Sender (Upload) ein bis zwei Kanäle und in der umgekehrten Richtung (Download) maximal drei Kanäle unterstützt werden. Die tatsächliche Kanalzahl kann - je nach Netz und Basisstation auch kleiner sein, den HSCSD wird durch eine Softwareänderung in der Basisstation (wenigstens in Nokia-Netzen) installiert und große Netzbetreiber wie etwa E-Plus in Deutschland können gar nicht auf einen Schlag die Software in allen Basisstationen ändern.

Daher kann die Data Card natürlich auch in "gewöhnlichen" GSM-Netzen zur Datenübertragung eingesetzt werden. Hier erreicht man aber nur die bekannten 9,6 bzw. 14,4 kbit/s als Übertragungsgeschwindigkeit.

Preisliches

Da High-Speed die benutzten Kanäle voll ausnutzt, ist es natürlich nicht einfach, die Gebühren für HSCSD von den normalen Nutzungsgebühren im GSM-Netz zu trennen. Die meisten Netzbetreiber, die HSCSD eingeführt haben, multiplizieren daher auch einfach die normale Minutengebühr mit der Zahl der verwendeten Kanäle. Eine Ausnahme dürfte derzeit E-Plus sein, wo man für HSCSD vorläufig die gleichen Minutentarife wie für normale Gespräche angesetzt hat. One hat in Österreich derzeit einen Minutentarif von öS 3,- festgelegt - drei Kanäle eben.

Surfing

Natürlich wird man als Normalanwender im Internet mobil nur dann surfen, wenn man dringend gezielt nach Informationen sucht. Denn bei aller Liebe zum Mobilfunk geht zielloses Surfen ganz schnell ins Geld. Aber das ist ja auch gar nicht der Hauptzweck von High-Speed, sondern, wie es die Werbung mit der Versteigerung der Marylin Monroe-Locke recht plastisch vor Augen führt, es geht um die Geschwindigkeit. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bei einem Kunden und brauchen noch dringend eine Information aus dem Firmenrechner, um das Geschäft abzuschließen. Bisher hieß es warten und so mancher Kunde, der kurz vor einem Abschluß stand, verlor die Geduld und der Auftrag war aufgeschoben, wenn nicht gar ganz verloren. Das verbessert sich jetzt ganz deutlich. Auch für das Abrufen von E-Mails braucht man jetzt deutlich weniger Zeit als früher, was das Ausnutzen von Umsteigepausen auf Flughäfen und Bahnhöfen erleichtert und bei kurzen Aufenthalten überhaupt erst ermöglicht.

Wir waren jedenfalls während des Tests so begeistert, daß wir immer nur auf dem mobilen Rechner "Internetten" wollten, denn der Vorteil der Flexibilität ist ja nicht nur auf Reisen, sondern auch im Büro gegeben. Dafür sollte man sich aber bei den derzeitigen Kommunikationspreisen eventuell überlegen, ob man nicht vielleicht eine Installation von Ascoms voo:doo (siehe auch MOBILE TIMES 33, Seite 12) bzw. ein anderes DECT-Multimedia-Angebot (MOBILE TIMES 30, Seite 54) in Erwägung ziehen sollte. Auf mobile Internet-Tarife wie in den USA (AT&T bietet Businesskunden den Zugang zu vierzig ausgewählten Internet-Sites völlig ohne Gesprächsgebühren und zu allen übrigen zu einer Fixgebühr (Flat-Rate) von weniger als US$ 15,- an) werden wir wohl noch lange warten müssen. Mit dem Wunsch der alten und der neuen Regierung, aus der Versteigerung der UMTS-Frequenzen möglichst viele Milliarden für das Budget herauszuholen, sinkt natürlich die Hoffnung, daß Österreich tatsächlich ein Mobilfunkland und nicht nur einer der Weltführer beim Verschenken von Handys wird.

Jedenfalls, wer es braucht, der hat jetzt die Möglichkeit zur schnellen Datenübertragung im Mobilfunk, die nicht nur für das eigentliche World Wide Web und für E-Mails von Bedeutung ist, sondern spätestens dann, wenn das erste HSCSD-Handy auf den Markt kommt, auch für schnelle WAP-Abfragen.

fak




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 10. Februar 2003
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